Warmspielen für das Derby
Dank verdienten eines 3:0 Sieges gegen Hannover können sämtliche Abstiegsängste und Schuldzuweisungen bezüglich der sich zuspitzenden schlechten Stimmung in die Schublade gelegt werden. Die Spieler haben ihre 99,9% der Fans wieder lieb, weil sie 90 Minuten großartig unterstützt wurden. Die anderen 0,1% hatten das Bedürfnis ein Polizeiauto an der Raststätte Auertal zu zerlegen und mit BVB-Aufklebern zu verzieren. Umgekehrt haben die Fans ihre Spieler wieder lieb, schließlich ist zumindest die sportliche Lage vor dem Derby nicht mehr ganz aussichtslos, wie es nach den letzten beiden Niederlagen gegen Gladbach und Zenit den Anschein hatte.
Mit dem Abpfiff sprintete Jürgen Klopp auf den Platz, um seine Freude über den Erfolg mit seinen Spielern zu feiern. Es war ein wichtiger Sieg. Kaum auszumalen, wie die Stimmung um den Verein gekippt wäre, hätte man das dritte Spiel in Folge und vor allem vier Tage vor dem wichtigsten Spiel des Jahres, verloren. Das mit Aubameyang, Schmelzer, Bender, Gündogan, Kuba, Langerek und Subotic sechs Spieler auf der Verletztenliste standen und Reus noch nicht bei vollständiger Fitness nach seiner Verletzung ist, hätte als Grund für eine Niederlage herhalten können, doch ob „man" sich tatsächlich damit zufrieden gibt, steht auf einem anderen Blatt. Das Argument mit der Verletztenliste hätte schnell mit der Aufstellung von 96 entkräften werden können, denn auch dort musste man unter anderem auf den gesamten Sturm (Rudnevs/Ya Konan) verzichten. Beide Mannschaften traten in ganz neuen Konstellationen an. Im Sturm bei Hannover durfte der ehemalige Dortmunder Bittencourt mit Huszti die Doppelspitze bilden. Auf Seiten der Borussia durfte Oliver Kirch neben Nuri Sahin im defensiven Mittelfeld die Geschicke leiten. Oliver Kirch, der von seiner Nominierung einen Tag vor dem Spiel erfahren hatte, feierte sein Startelfdebüt für den BVB in dieser Saison. Durch den kurzfristigen Ausfall von Aubameyang rutschte Jonas Hofman erneut in die Startelf. Im Gladbach-Spiel ersetzte er den damals gelbgesperrten Mkhitaryan im zentralen Mittelfeld. Heute spielte er auf der rechten, offensiven Außenbahn. Sein Comeback in diesem Jahr von Beginn an gab auch Erik Durm für den Verletzten Marcel Schmelzer, den er die nächsten vier Wochen ersetzen darf. Ein Traum für einen jungen Spieler, wenn man sich vergegenwärtigt, welche namhaften Gegner in den nächsten Wochen auf dem Spielplan stehen.
Sowohl in der Stadt, in der zusätzlich eine Demonstration gegen Atomkraft für Lärm und Aufsehen sorgte, als auch im weiten Rund des Niedersachsenstadions nahm alles seinen gewohnten Lauf. Langsam wurden die BVB-Fan-Massen mit den Zügen und den Bussen in die Landeshauptstadt geschwemmt und färbten die Innenstadt schwatzgelb. Weder vor, noch im Stadion gab es Komplikationen zwischen Fans, Ordnern und der Polizei. Umso trauriger die Nachricht zur Halbzeitpause, dass einige unverbesserliche „sogenannter" BVB-Fans einen Mannschaftswagen auf der Raststätte Auetal an der A2 attackierten, auf die Seite kippten und beschädigten.
Die Stimmung im Stadion vor dem Spiel: Ruhig, abwartend und entspannt. Erst mit Spielbeginn nahmen beide Fanlager Fahrt auf, wobei das Heja BVB aus dem BVB-Block die eingespielte Einlaufmusik aus den Boxen übertönte. Wie gewohnt bevölkerte der schwatzgelbe Mob mehr als nur den zugeteilten Gästeblock. Gelbe Punkte waren auf Haupt- und Gegentribüne ordentlich vertreten. Selten setzte die Heimkurve atmosphärische Akzente. Mal einen Wechselgesang mit der Gegentribüne, mal ein melodisches Lied. Mehr aber auch nicht. "Negativer" Höhepunkt sicherlich das typische Bayern München Lied („..Ein Schuss, (K)ein Tor, Hannover). Optisch setzte lediglich der Oberrang der Gästekurve mit Doppelhaltern und mehreren großen Schwenkfahnen Akzente. Der Unterrang wirkte hingegen kahl und leblos. Anders der Gästeblock. Aufgrund des Wetters trugen viele ihre gelben Trikots und brachten so die gelbe Wand in klein nach Hannover. Hinzu kamen viele Fahnen im Stehplatzblock. Mit zunehmender Spieldauer und mit zunehmendem Erfolg wurde der Gästeblock auch gesangstechnisch stärker. Schließlich beschäftigte man sich in den letzten 10 Minuten des Spiels inhaltlich nur noch mit dem Derby, bevor man sich nach Abpfiff gemeinsam mit den Spielern auf das Derby einstimmte und als eingeschworene Einheit präsentierte. Mit dem Sieg hatte man sich eine gute Ausgangssituation fürs Derby erkämpft.
Doch danach sah es zu Beginn nicht aus. Gerade in der ersten Halbzeit wirkten beide Mannschaften gleich schlecht. Beide brauchten sehr lange, um ihr Spiel zu finden, und wirkten in der Offensive harmlos. Hannover war in ihrer Ungefährlichkeit in der ersten halben Stunde dem 1:0 näher als der BVB. Hoffmann traf in der 16. Minute zum Glück nur den Pfosten. Einen Schuss von Stindl konnte Weidenfeller in der 30. Minute glänzend parieren. Von Dortmund bis dato nicht viel zu sehen. Erst in der 43. Minute schoss Mats Hummels das erlösende 1:0 für die Borussia. Das Tor fiel nach einer Ecke nach Kopfballvorlage von Sokratis zu einem psychologisch günstigen Zeitpunkt für Spieler und für Fans. Die Blauen lagen zu diesem Zeitpunkt gegen Braunschweig in Führung und standen somit in der Tabelle vor dem BVB.
In der zweiten Halbzeit hatten die Hannoveraer ihr Pulver anscheinend verschossen. Der BVB ließ kaum noch etwas zu und verstand es, im richtigen Moment die Tore zu schießen. Der eigentlich eher unglücklich agierende Lewandowski, der mehr mit dem Gleichgewicht kämpfte als mit dem Gegner, sorgte mit einem Traumsolo für das 2:0. Auf sich allein gestellt rannte er einfach an allen Gegenspielern mit dem Fuß am Ball vorbei und schob ihn eiskalt im gegnerischen Kasten ein. Ein wichtiges Tor, das etwas mehr Sicherheit in das Dortmunder Spiel brachte. 96 versuchte weiterhin, das Anschlusstor zu erzielen, doch sorgte für keine weitere Torgefahr. Nachdem Reus in der 89. Minute nach guter Vorarbeit vom eingewechselten Schieber den Ball aus 5m nicht im Tor unterbringt, justierte er seine Schussgenauigkeit neu und traf nach einem Zuckerpass von Mkhitaryan zum 3:0 Endstand.
Drei wichtige Punkte im Kampf um einen Champions-League-Platz und für einen Platz vor den geliebten Nachbarn aus Gelsenkirchen waren im Auswärtssack. Spielerisch sicherlich nicht der überzeugendste Auftritt, aber die kämpferische Leistung schürrt Hoffnungen für das Derby. Neben Mkhitayran hinterlies Erik Durm einen guten Eindruck. Es viel kaum auf, dass Durm in den letzten Wochen nicht zur Startelfgehörte und kaum Spielpraxis sammeln konnte. Doch das wichtigste an diesem Samstagnachmittag war die Gewissheit,dass das Warmlaufen für das Derby ohne neue Verletzungen über die Bühne gegangen ist.
So haben sie gespielt
Hannover: Zieler, Sakai,Hoffmann, Schulz, Pocognoli, Schmiedebach, Sane, Stindl, Prib, Bittencourt, Huszti
Dortmund: Weidenfeller, Piszczek , Sokratis , Hummels, Durm, Kirch , Sahin, Hofmann, H. Mkhitaryan, Großkreutz , Lewandowski
Spieler in der Einzelkritik
Weidenfeller: Eine Glanztat in der 30. Minute, beim Abfangen von hohen Bälle sicher, lediglich präsentierte er sich nicht als Künstler am Ball, wenn er durch Rückpässe unter Druck gesetzt wurde (2-)
Hummels: Solide in der Defensive, allerdings wirkt sein Aufbauspiel teilweise unbeholfen und ungenau. Schoss das wichtige 1:0! (2-)
Durm: Machte seine Sache richtig Gut und bereitete das 1:0 mit vor. Hatte die meisten Ballkontakte in der Mannschaft und fügte sich ohne große Eingewöhnungszeit in die Mannschaft ein. (2-)
Sokratis: Souveräner Abräumer! (3+)
Kirch: Erste Halbzeit auffällig durch leichte Ballverluste, die sich in der zweiten Halbzeit in Luft auflösten. (3)
Piszceck: Läuft seiner Form hinter her bzw. teilweise dem Gegner. Hinzukommen leichte Ballverluste. (3-)
Sahin: Defensiv stark, konnte aber seine Qualitäten in der Offensive nicht zeigen. (3+)
Hofmann: Konnte kaum Akzente in der Offensive setzen und verrannte sich gelegentlich in der gegnerischen Abwehr. (3-)
Mkhitaryan: Bereitete zwei Tore vor. Bot immer eine Anspielgelegenheit und schaltete schnell von der Offensive in die Defensive und umgekehrt. (2)
Großkreutz: Defensiv stark, in der Offensive aber harmlos! (3-)
Lewandowski: Traumtor....mehr aber auch nicht. (2)
Kehl: Zeigte Präsenz im Mittelfeld und ordnete die Defensive nach seiner Einwechslung. (3+)
Reus: Ordentliches Comeback! Eine „schwierige" Bude gemacht, eine „leichte" Bude nicht gemacht. (2-)
Schieber: Fast ein Tor vorbereitet. Zweikampf stark! (3+)
Stimmen zum Spiel
Klopp: „Es war ein ganz schweres Spiel. Es sind keine 22 Leute über den Platz gelaufen, denen alles leicht gefallen wäre. Heute mussten zwei Mannschaften hart arbeiten. Wir mussten auf einige wichtige Spieler verzichten, wir haben teilweise sogar freiwillig verzichtet, und auch Hannover musste auf zahlreiche wichtige Spieler verzichten. Wir konnten das Spiel in der ersten Halbzeit kontrollieren, ohne zu glänzen, und machen aus einer Standardsituation das erste Tor. Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil wir an solchen Sachen intensiv arbeiten. Mit dem 2:0 haben wir das Spiel in die richtige Richtung gedreht, von da an wurde es für den Gegner sehr schwer. Mir wäre es lieb gewesen, wenn wir schon früher einen Konter für das dritte Tor genutzt hätten, denn wenn das 1:2 gefallen wäre, wäre das Publikum wieder voll da gewesen, und wir selbst wissen aus eigener Erfahrung, was hier in Hannover passieren kann. Meine Mannschaft ist das Spiel sehr seriös angegangen, und sie hat sich komplett verausgabt."
Korkut: „Es war ein verdienter Sieg von Dortmund. Dabei haben wir bis zum Gegentor kein schlechtes Spiel gemacht. Wenn man die 90 Minuten sieht, war es aber nicht gut genug. Wir wussten, dass Dortmund heute nicht ganz so aggressiv herangehen, sondern eher auf eine Chance warten würde. Zu Beginn der zweiten Halbzeit kriegen wir in einem guten Moment, als wir selbst im Angriff sind, das zweite Tor. Das hat uns weh getan. Danach waren wir nicht mehr durchschlagskräftig."
Durm: „Wir haben in der Defensive sehr gut gestanden, nur wenige Torchancen zugelassen und sind dann von Minute zu Minute besser ins Spiel gekommen. Wir haben das gegen St. Petersburg aus den Köpfen bekommen und dann auch nach vorne wieder sehr, sehr gut gespielt. Unser Tempofußball hat funktioniert, wir haben drei Tore erzielt, es hätten vielleicht sogar noch ein paar mehr sein können. Im Endeffekt war es ein sehr verdienter Sieg."
Kehl zum Derby: „Nach dem Abpfiff gab es in der Kabine nur ein Thema. Wir wissen wie wichtig dieses Spiel für unsere Fans, aber auch für uns ist."
Kehl zur Stimmung nach dem Zenit Spiel: „Man darf das jetzt auch nicht überbewerten. Wir wollten nicht auf alle draufhauen, das war überhaupt nicht unser Ziel! Wir wissen wie wichtig die Fans für uns sind. Auch heute waren wieder wahnsinnig viele Menschen mit dabei die eine super Stimmung gemacht haben und uns ganz toll unterstützt haben. Ich glaube den Schulterschluss zwischen Fans und Spielern haben wir heute wieder gut hinbekommen und das wünschen wir uns am Dienstag im Westfalenstadion....ähm Signal Iduna Park...auch."