Nur wer schießt, kann Tore machen
Als Jürgen Klopp vergangene Woche Sebastian Kehls Kunstschuss kommentierte, kam er an der Phrase nicht vorbei, die er auch schon damals nach Gündogans Tor im Pokal-Halbfinale in Fürth verwendet hatte. "Nur wer schießt, kann Tore machen", strahlte Klopp jeweils in die Mikrofone. Ob er das auch nach der bitteren 1:2-Pleite gegen Borussia Mönchengladbach gesagt hat, ist mehr als fraglich. Dabei würde er das größte Manko der schwarz-gelben Borussia auf den Punkt bringen. Ein Manko, das die Partie zu einer zähen Angelegenheit gemacht hat.
Da war zum Beispiel die 82. Spielminute. Der BVB hat gerade den 1:2-Anschlusstreffer erzielt, ist in Überzahl und könnte mit jeder gelungenen Aktion das Westfalenstadion zum Kochen bringen. Stattdessen folgen Pässe quer über das Gladbacher Halbfeld. Lieber noch einen Querpass spielen als etwas zu riskieren. So träge sah das BVB-Spiel ab der 70. Minute aus. Und die Situation und die Stimmung verpuffte in der 82. nicht nur deshalb, weil die Südtribüne zum 20. Mal die Arme hochreißen sollte.
Unterstützung und Pfiffe
Ansonsten konnten sich die BVB-Spieler über mangelnde Unterstützung nicht beklagen. Spiele, in denen die Fans die Stars aufbauen und motivieren müssen, haben eben auch immer ihre schönen, ihre lauten Momente. Wenn das ganze Stadion den Ball reinbrüllen will. Leider gibt es hier auch eine Kehrseite: Es war sehr unschön, dass tausende Fans zur Halbzeit gnadenlos gepfiffen hatten. Ob diese Fans am historischen Tag vor neun Jahren vor dem Radio mitgefiebert haben, als in Düsseldorf die Insolvenz noch gerade so abgewendet werden konnte? Dieser Tag hat sich unter der Woche zum neunten Mal gejährt.
Eine weitere Zahl: 16. Borussia Mönchengladbach hatte vor dem Spiel stolze 16 Jahre in Dortmund nicht gewonnen. Und in diesem Jahr überhaupt noch auf keinem Platz. Die mitgereisten Gladbacher Fans wollten an diesem Tag also endlich auf ihre Kosten kommen, was dem Gästeblock auch oft anzuhören und anzusehen war. Besonders nach dem 1:0 für Gladbach in der 31. Minute. Der BVB kam trotz eines Lattentreffers von Aubameyang kurz zuvor nicht in Fahrt. Auf der anderen Seite Gladbach mit der ersten Chance - und dem Tor durch Raffael. Kurios, wie spät der Torjubel im Gästeblock losging. Scheinbar wirkte es aus 100 Metern Entfernung zunächst so, als sei dieses Kullertor vorher abgepfiffen worden. So zaghaft und lässig agierten Hummels und Sokratis in dieser Situation. Aber es zählte. Im ganzen Stadion waren tausende Gestiken voller Unverständnis zu sehen. "Was machen die denn da?", ging den meisten wohl durch den Kopf. Tatsächlich weiß nur Sokratis, warum er Raffael hat alleine stehen lassen.
Nein, Sokratis soll nicht als Totalausfall darstehen. Keiner beim BVB hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. Die motivierende Körpersprache war bei jedem da. Vielmehr war es schlechte 90 Minuten der gesamten Mannschaft. Diese verletzungsgebeutelte Elf spielte nun ohne die Säulen Reus und Mkhitaryan. Ohne Kuba, Subotic und Gündogan sowieso. Die Mannschaft, die nun gegen Gladbach viele ungewohnte Fehler machte, hat so noch nie als Startelf zusammespielt. Jonas Hofmann bekam zwar endlich sein Startelfdebüt, konnte seine Torgefährlichtkeit und tödlichen Pässe aber nicht zeigen. Das Aufbauspiel wirkte ziellos. Auffällig waren die vielen Ballverluste nach versuchten Seitenwechseln oder Pässen in der Strafraum.
Der BVB zögerlich, der VfL eiskalt.
Die 40. Minute steht symbolisch für das ganze Spiel. An der Mittellinie eroberte Gladbach den Ball, via Kurzpassspektakel kam der Ball zu Raffael, der direkt weiter an den Strafraum zu Max Kruse. Ein Haken, zwei düpierte Dortmunder in Person von Roman Weidenfeller und Lukasz Piszczek und ein leeres Tor.
Die Pfiffe zur Halbzeit und ein deswegen aufgebrachter Jürgen Klopp komplettierten die verkorkste erste Hälfte. Nur: Die zweite sollte trotz eines Platzverweises für Havard Nordtveid (69.) und dem Anschlusstreffer durch Milos Jojic (77.) nicht besser werden. Zu groß war bei eigenem Ballbesitz scheinbar die Angst vor Kontern des Gegners. Zu wenig Ideen waren da, um die Mauer, die die Gladbacher vor ihrem Strafraum aufgebaut hatten, zu durchbrechen.
Einen starken Kurzeinsatz hatte immerhin Marvin Ducksch. Er erzielte sogar noch das 2:2, was aber wegen Stürmerfouls an Marc-Andre ter Stegen nicht gegeben wurde. Aber Ducksch war das anzusehen, was dem BVB zuvor gefehlt hatte: Die Gier, zum Abschluss zu kommen. Denn nur wer schießt, der macht auch Tore.
Hier geht es zu den Trainerstimmen.
Statistik
BVB: Weidenfeller, Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer, Kehl, Sahin, Aubameyang, Hofmann, Großkreutz, Lewandowski
Mönchengladbach: ter Stegen, Korb, Stranzl, Dominguez, Daems, Nordtveit, Kramer, Herrmann, Arango, Kruse, Raffael
Einwechselungen: 63. Jojic für Kehl, 67. Ducksch für Piszczek, 82. Schieber für Aubameyang - 75. Marx für Kruse, 79. Rupp für Herrmann, 89. Brouwers für Raffael
Tore: 0:1 Raffael (31., Herrmann), 0:2 Kruse (40., Arango), 1:2 Jojic (77.)
Schiedsrichter: Aytekin (Oberasbach),
Gelb-Rote Karte: Nordtveit (69., wiederholtes Foulspiekl),
Gelbe Karte: Lewandowski
Zuschauer: 80.645 (ausverkauft)
Guerriero, 16.3.2014