Son verdammter Mist!
Der BVB orientiert sich nach unten. Trotz großem Kampf verliert Borussia gegen die zweitplatzierten Vizekusener und das nicht einmal unverdient. Damit hat man Anschluss zu den Verfolgern aus dem Mittelfeld der Tabelle hergestellt. Für die Entscheidung sorgte mal wieder der Dortmund-Schreck Heung Min Son nach einem katastrophalen Aussetzer vom reaktivierten Innenverteidiger Manuel Friedrich. Zu allem Überfluss mussten auch noch Manni Bender und Nuri Sahin nach Spielende verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden, was für das Gruppenendspiel in Marseille auch nichts Gutes erwarten lässt.
Trübe Herbstwochen in Dortmund. Der Himmel grau, kalter Nieselregen und auch die Leistungen des Ballspielvereins tragen nicht dazu bei, die depressive Stimmung zu heben, die über der Westfalenmetropole hängt. Nach der Abwehr verabschiedet sich nun auch noch das Herzstück der Mannschaft nahezu komplett ins Lazarett und so langsam lässt es sich nicht mehr leugnen, dass der Restkader nicht ausreicht, um in Bundesliga-Spitzenspielen zu bestehen. Aus den Spielen gegen die Teams, die derzeit die Europapokalplätze belegen, holte man nur im Derby Punkte. War die Niederlage bei den Bauern vom Niederrhein noch unerklärlich und das Ergebnis gegen die Bayern tendenziell erwartbar und ein, zwei Tore zu hoch ausgefallen, sorgte schon die Abfuhr in Wolfsburg für erhebliche Irritationen. Dass man nun auch Leverkusen in der Tabelle enteilen lassen muss, stellt erstmals auch die moderaten Saisonziele in Frage. Momentan hält man noch den wichtigen dritten Platz, aber angesichts der Verletztenmisere sehnt man die Winterpause herbei, weil man droht, entscheidend an Boden zu verlieren.
Aber diese Negativserie allein auf die lange Verletztenliste zu schieben, wäre wohl zu kurz gegriffen. Denn auch einige der verbliebenen Stammspieler haben unübersehbare Probleme. Henrikh Mkhitaryan wirkt immer noch so, als müsse er sich Woche für Woche an das Niveau der Liga gewöhnen. Bei einem Spieler seiner Preisklasse erwartet man eigentlich eine kürzere Akklimatisierungsphase. Scheinbar wirkt seine Verletzung aus der Saisonvorbereitung immer noch nach, denn der Armenier deutet zwar immer wieder seine Klasse an, kann seine Fähigkeiten aber noch nicht Konstant auf den Rasen bringen. Gegen Leverkusen wirkte er immer wieder unglücklich und traf instinktiv falsche Entscheidungen. Auch Robert Lewandowski wirkt trotz beeindruckender Torquote nicht mehr so effektiv ins Mannschaftsspiel eingebunden. Gestern gelang es seinen Mitspielern allerdings auch so gut wie gar nicht, ihn in torgefährlicher Position in Szene zu setzen. Das lag neben der Schwäche Mkhitaryans auch daran, dass die Flügelzange Aubameyang/Kuba nichts aus den Räumen machte, die Leverkusen ihnen anbot.
Denn Sami Hyypiä hatte erkannt, dass die Stärken der Borussia derzeit im Zentrum liegen und seine Mannschaft daher im 4-3-2-1 System auf den Rasen geschickt, wo die drei defensiven Mittelfeldspieler Bender, Rolfes und Castro die Zentrale dicht machten. Die schwachen Sahin und Mkhitaryan konnten dieses Bollwerk nicht aushebeln und ohne Reus fehlte dem BVB auch die Kreativität auf dem Flügel. Zu Beginn wirkten die Borussen wacher, konnten sich aber bis auf eine Flanke von Aubameyang, die Lewandowski artistisch zu verwerten versuchte, keine Torchancen erspielen. Auch das Publikum schien in Topspspielform. Die Süd präsentierte sich von Beginn an sehr geschlossen. Ein erster Weckruf der Leverkusener erfolgte nach einer knappen Viertelstunde, als der offensive Außenverteidiger Can aus der Distanz abzog und das Tor nur äußerst knapp verfehlte. Doch der BVB blieb zunächst am Drücker. Nach einer Viertelstunde vertändelte Lewandowski eine gute Konterchance, zog aber den Freistoß und so konnte Zauberfuß Sahin zur Flanke schreiten. Aber seine Hereingabe wurde zur Ecke geklärt. Im Anschluss an diese kam Spartiate Papastathopoulos zum Kopfball, setzte den Ball aber über den Kasten.
Kaum zwei Minuten später hatte der reaktivierte Rentner in der Innenverteidigung einen kompletten Blackout. Friedrich spielte den Ball völlig ohne Not dem Gegner in den Fuß, als sich seine Mannschaftskollegen gerade nach vorne orientierten. Can leitete schnell zu Castro weiter und der setzte den Spieler in Szene, der nur gegen Dortmund wirklich glänzen kann. Natürlich ließ sich Heung Min Son die Gelegenheit nicht entgehen. Gegen Dortmund trifft er einfach immer. So langsam entwickelt er sich zum veritablen Borussenschreck und man ertappt sich schon bei dem Gedanken, ob es nicht schon allein aus dem Grund sinnvoll gewesen wäre, ihn vor Saisonbeginn zu verpflichten, damit er uns nicht bei jeder Gelegenheit die Hütte voll schießt. Fünf Tore in drei Spielen gegen den BVB sind wahrlich eine schreckliche Bilanz.
Der BVB zeigte sich weiter bemüht, war aber wenig effektiv im Spiel nach vorne. Es dauerte bis zur 30. Minute bevor die Schwarzgelben wieder eine echte Torchance hatten. Eine mäßig gelungene Flanke von Kevin Großkreutz versuchte Robert Lewandowski mit einem eingesprungenen Schuss im Netz unterzubringen, aber leider kam wenig mehr als eine Rückgabe dabei heraus. Erneut musste der Pole schon all sein Können aufbieten, um das schlechte Anspiel seines Mitspielers überhaupt zu erreichen. Das sagt einiges über die Qualität des Dortmunder Offensivspiels an diesem Abend aus.
Quasi im direkten Gegenzug hätte Borussenschreck Song erneut zuschlagen können. Nach einem weiten Ball aus dem Mittelfeld lief der Südkoreaner allein auf Weidenfeller zu, aber diesmal hatte der Dortmunder Schlussmann das letzte Wort. Mit einem Reflex leitete er den Ball mit dem Oberarm am Tor vorbei. Nach einer guten halben Stunde hatte Mkhitaryan einen seiner wenigen lichten Momente. Er spielte seinen starken Antritt aus und einen raumöffnenden Pass auf Aubame, aber der zeigte leider mal wieder seine technischen Schwächen. Die größeren Chancen hatte weiter der Gast aus der Farbenstadt, aber Hegeler legte einen Heber von der Strafraumgrenze von oben auf das Tornetz. Der Vizespezialist zeigte sich taktisch stark und so gelang es den Borussen zu keinem Zeitpunkt, Dominanz im eigenen Stadion auszustrahlen.
Dortmund versucht es nach der Pause zunächst in unveränderter Formation, zum Erfolg zu kommen. Aber der Leverkusener Strafraum blieb weitgehend unerforschtes Gebiet. Einmal gab es im Anschluss an einen Eckball etwas Verwirrung, aber bevor es gefährlich wurde, pfiff Schiri Meyer lieber ein Phantomfoul von Lewandowski gegen Leno ab. Der Mann in Schwarz rückte nun immer mehr in den Mittelpunkt, denn die Partie wurde ruppiger. Vor allem die Gäste verteidigten ihre Führung auf äußerst rustikale Art. Hegeler unternahm den Versuch, Benders Knöchelgelenk durch zu treten. Der unverwüstliche Bayer wurde mal wieder vom Platz getragen und musste am Ende noch froh sein, mit einer Bänderdehnung davongekommen zu sein. Warum solche Fouls mit offensichtlichem Verletzungsvorsatz nicht mit Platzverweis geahndet werden, bleibt das Geheimnis von Florian Meyer. Auch bei einem heftigen Rempler von Toprak gegen Aubameyang lag er daneben. Seine Pfeife blieb stumm, obwohl ein Strafstoß fällig gewesen wäre.
Nuri Sahin setzte sich dann aber selbst außer Gefecht, als er im Anschluss an ein Kopfballduell umknickte. Trotz eines Außenbandanrisses ist sein Einsatz in Marseille aber laut der medizinischen Abteilung des BVB nicht komplett ausgeschlossen. Eins muss man Meyer zugutehalten: Er blieb seiner Linie treu. Auch die beidfüßige, mit offener Sohle eingesprungene, Todesgrätsche von Spahic gegen Lewandowski, wollte er nur mit Gelb ahnden. Erst als der Bosnier danach noch gegen Mkhitaryan tätlich wurde, musste er mit Rot vom Platz. Trotz der Überzahl tat sich Borussia nun auch nicht leichter Torchancen herauszuspielen. Außer einem harmlosen Drehschuss von Lewandowski musste Bernd Leno keine nennenswerten Bälle entschärfen. In der Nachspielzeit rundete Sokratis mit einer Frustaktion den komplett misslungenen Abend noch ab. Nach einer vertretbaren Freistoßentscheidung gegen ihn, schlug der heißblütige Grieche wutentbrannt den Ball weg und sah seine zweite Verwarnung. Dieser komplett überflüssige Platzverweis kann im Kraichgau noch richtig schmerzhaft werden.
Nach dieser nicht unverdienten Heimniederlage schleppt sich eine waidwunde Borussia in Richtung Winterpause. Das wegweisende Endspiel um das Überwintern in der Champions League muss mit dem letzten Aufgebot bestritten werden. Hoffentlich gelingt es den Schwarzgelben, mit einer Trotzreaktion auf den erneuten Rückschlag zu reagieren. Ansonsten droht der BVB seine Ambitionen für diese Saison schon zu begraben, bevor sich im Frühjahr endlich die Personalsituation wieder entspannen dürfte. Wenigstens der Traum von Berlin wird auch dann noch lebendig sein. Wir Fans müssen unsere Erwartungshaltung jetzt auch neu justieren und der Mannschaft durch diese schwere Phase helfen. Gemeinsam schaffen wir es in die Winterpause!
Statistik
BVB: Weidenfeller – Großkreutz, Sokratis, Friedrich, Durm – Bender (63. Reus), Sahin (80. Piszczek)– Blaszczykowski (67. Hofmann), Mkhitaryan, Aubameyang – Lewandowski
Werk: Leno – Donati, Toprak, Spahic, Can – Bender, Castro (87. Kohr), Rolfes – Hegeler (78. Kruse), Son (80. Wollscheid)– Kießling
Tor: 0:1 Son (18. Castro)
Gelbe Karten: Hegeler (59. Körperverletzung gegen Bender), Can (61.), Castro (80. Wiederholtes Foulspiel), Wollscheid (90.)
Gelb-Rot: Sokratis (90. Rempler im Mittelfeld)
Rote Karte: Spahic (80. Todesgrätsche und anschließende Ohrfeige)
80.645 Zuschauer im Westfalentempel
Stimmen
Sami Hyypiä: Ich freue mich sehr für die Mannschaft. Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir gezeigt, was wir können. Das war sehr gut heute. In der zweiten Halbzeit haben wir hart gekämpft und das Spiel gewonnen. Das war heute sehr wichtig, denn Dortmund war nur drei Punkte hinter uns.
Jürgen Klopp: Wenn man Leverkusen schlagen will muss man sehr gut sein. Das waren wir heute nicht. Wir haben gut angefangen. Und mit einem Schlag war das weg. Dann waren wir zu passiv. Das 1:0 kam war aber unser kleinstes Problem. In unseren guten Phasen konnten wir ihnen auch Probleme bereiten. In der ersten Halbzeit haben wir bis zum vorletzten Ball ordentlich gespielt und dann hat die letzte Konsequenz gefehlt. In der zweiten Halbzeit stand der Gegner noch kompakter. Das Spiel wurde dann deutlich leidenschaftlicher, aber auch nicht so gut, wie es sein könnte. Daher haben wir das Spiel verloren und dazu noch zwei Spieler für Marseille verloren, Sven ganz sicher und bei Nuri muss man noch die Diagnose abwarten.
Reinhard Rauball: Leverkusen hat insbesondere in der ersten Halbzeit überragend gespielt. Sie haben uns so stark unter Druck gesetzt, dass wir uns kaum Torchancen erspielen konnten. Selbst gegen 10 Mann ist das nicht besser geworden. Die vielen Verletzungen sind natürlich bitter. Wir müssen erst mal sehen, wer am Mittwoch überhaupt noch spielen kann. Im Moment sehe ich nicht viel Licht am Ende des Tunnels. Jürgen Klopp ist nun gefragt, aus den Spielern, die ihm zur Verfügung stehen, eine schlagkräftige Truppe zu formen und ich bin sicher, dass ihm das auch gelingen wird.
Jonas Hofmann: Man hat deutlich gesehen, dass uns vor dem 16er die Durchschlagskraft gefehlt hat. Wir waren überlegen, aber vor dem Tor hat das letzte Bisschen gefehlt.
web, 08.12.2013