Unsa Senf

Fankongress in Berlin ? ein kleines Fazit

15.01.2012, 22:09 Uhr von:  Redaktion

Fankongress 2012 in BerlinFußballfans sind alle extrem gewalttätig, ungebildet, alkoholisiert und sowieso nur schwer in die Gesellschaft zu integrieren. Sollten einige der anwesenden Journalisten mit diesem Bild zum Berliner Fankongress gekommen sein, muss das dortige Bild auf sie wie ein Kulturschock gewirkt haben.

Defnn der von den Fans selbst - in arbeitsaufwändiger, ehrenamtlicher Tätigkeit – perfekt organisierte Kongress zeichnete ein komplett anderes Bild der deutschen Fan- und Ultraszenen, als jenes oftmals in den Medien skizzierte. So wurden die mehr als 80 (!) Medienvertreter aus ganz Deutschland, die übers Wochenende in Berlin aufschlugen, Zeugen von zahlreichen gut und insbesondere sachlich geführten Diskussion rund um das Thema Fankultur. Dass sich hier auch eine Menge Intelligenz versammelt hatte, war in vielen Diskussionen spürbar und äußerte sich glücklicherweise in vielen durchdachten, zu keiner Zeit verkopften Redebeiträgen.

Der Fankongress präsentierte sich so, wie Fans nun mal sind: Offen, ehrlich, durchdacht, initiativ, bunt, originell, kreativ, kritisch und konstruktiv. Im Vordergrund standen dabei natürlich die bekannten Problemfelder und Fanthematiken wie die mediale Berichterstattung, das Thema Gewalt, Anstoßzeiten, die Pyrokampagne oder 50+1. Aber auch der Blick ins Ausland blieb nicht verborgen. Fans aus diversen europäischen Staaten stellten die Problemfelder in ihren Ländern und Ligen vor und gaben einen Einblick in die oftmals fremde dortige Welt.

Martin KindAn beiden Kongresstagen entwickelten sich vor allem in den Arbeitsgruppen tolle Diskussionen und Vorschläge zur Verbesserung von Fanproblematiken. Die Säle waren größtenteils voll, als sich Referenten „Zur Möglichkeit der Mitsprache von Fans in ihrem Verein“ äußerten oder „Über die Veränderung in der Fankultur“ fachsimpelten. Bleibt zu hoffen, dass die einzelnen Fanvertreter und Fanszenen die wichtigsten Auffassungen und Ansätze in der Form auch an die jeweiligen Vereine herantragen werden. Leider glänzten Vertreter der „anderen Seite“ – gemeint sind hier die Offiziellen von Vereinen, Verbänden und Polizei – einmal mehr mit Abwesenheit. Schade, denn die Chance, in einen medial begleiteten, offenen Dialog zu treten, wird es sicherlich nicht so oft geben. Einzig Martin Kind (Präsident Hannover 96), Holger Hieronymus (Geschäftsführer DFL) und Hendrik Große Lefert (Sicherheitsbeauftragter DFB) gaben sich die Klinke und erschienen in Berlin. Doch so wirklich Neues konnten die einen und durften die anderen nicht erzählen. Kind flüchtete sich in sein Unverständnis für die ablehnende Haltung von Fans gegenüber seiner 50+1 Abschaffaktion und Hieronymus übte sich in Understatement in Bezug auf die Pyrotechnikkampagne, während Große Lefert jede inhaltliche Annäherung zu den Fans in Sicherheitsfragen spürbar vermied.

Hendrik Große LefertDass aber beispielsweise die Verbandspräsidenten, Dr. Zwanziger und Dr. Rauball, öffentlich wiederholt Negativentwicklungen in den Fanszenen beklagen, einer aktiven Diskussion über die Probleme mit den Fans jedoch aus dem Weg gehen, ist eine Wehrmutstropfen des Kongresses und wurde auch zurecht von Organisatoren wie Teilnehmern beklagt. Doch Termine wie die Dortmunder Hallenstadtmeisterschaft scheinen größere Wichtigkeit zu besitzen als der Dialog mit den Fans.

Vielleicht führt ja das diesjährige Medienecho zu größerer Aufmerksamkeit bei Offiziellen und Funktionären, insbesondere bei den obersten Entscheidungsträgern, sodass sie dann in größerer Zahl bei den Folgeveranstaltungen erscheinen.

Die Fans jedenfalls haben sich an dieser Stelle absolut nichts vorzuwerfen, waren sie doch diejenigen, die eine Plattform für einen ehrlichen und respektvollen Austausch geboten haben und mit offenen Armen in der Tür standen.

Fankongress 2012 in BerlinInsgesamt blicken wir zurück auf eine sehr gelungene Veranstaltung, auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht von handfesten Ergebnissen die Rede sein kann. Nein, das ist falsch, denn das vielleicht elementarste Ergebnis taucht in wahrscheinlich jedem Fazit auf, nämlich das von Pro Fans herausgegebene Motto: „Fußball lebt durch seine Fans!“.
Eben jenen Organisatoren gebührt im Rückblick das größte Lob: Eine perfektere Organisation ist kaum möglich und was die vielen helfenden Hände, wuselnden Beine und rauchenden Köpfe im Vorder- und Hintergrund auf die Beine gestellt haben, darf man durchaus als beispielhaft bezeichnen. Ein solches Mammutprojekt in der Freizeit und in Kooperation zahlreicher, unterschiedlicher Fangruppierungen diverser Vereine zu stemmen, ist eine herausragende Leistung.

Tim & Arne, 15.01.2012

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