Warmlaufen für die Schale
Nach einer quälend langen Sommerpause jetzt das Kontrastprogramm. Gerade eben vom letzten Hinrundenspiel aus Frankfurt zurück, kurz zu Weihnachten die Verwandtschaft um Geschenke erleichtert und Neujahr mit dickem Kopf wachgeworden, ist nächsten Freitag die Winterpause 2010/2011 bereits wieder Geschichte. Und der Rückrundenauftakt hätte keinen würdigeren Rahmen bieten können als das Gastspiel des Tabellenführers Borussia Dortmund in Leverkusen. Auch ein Tabellenführer, ist man doch quasi der Erste einer abgeschlagenen Verfolgergruppe. Für uns gilt es, einen satten Vorsprung in den Mai zu retten. Nicht einfach, aber angesichts von 10 Punkten Vorsprung machbar. Checken wir mal, wie die Chancen so stehen.
Bayern München:
Wie gewohnt, Bayern München in der Reihenfolge der Titelanwärter an erster Stelle der Liste. Allerdings auch nur, weil man das Schlusslicht der Top 5 darstellt und wir uns von unten vorarbeiten. Man muss lange zurück blättern, bis man eine ähnliche Tabellensituation zur Saisonhalbzeit der Mannschaft von der Säbener Straße findet. Platz 5 und 14 Punkte Rückstand auf die Tabellenspitze. Schon die Zahlen zeigen, dass die Hinrunde nach Maßstäben des FC Bayern München durchaus als verkorkst bezeichnet werden kann. Müde WM-Teilnehmer, längere Verletzungen der Offensivaußen Robben und Ribery und interner Krach zwischen van Gaal und seinen Chefs - man bot eine bunte Mischung aus betriebsbedingten Unbillen, Fehlplanung und selbstgemachten Stress. Da mag man in der Führungsetage noch so sehr über die FIFA im Allgemeinen und den niederländischen Fußballverband im Besonderen schimpfen, wer sich auf die verletzungsanfälligen Ribery und Robben als Korsettstangen der Mannschaft und Abwehrspieler, die ihren Leistungszenit deutlich überschritten haben, verlässt, der ist selbst schuld.
2011 wird man, so hoffen zumindest die Verantwortlichen und die Fans des FCB, eine andere Mannschaft sehen. Robben ist wieder an Bord und mit Luiz Gustavo hat man sich aus Hoffenheim eine echte Bereicherung für das defensive Mittelfeld geholt. Bleibt aber abzuwarten, wie schnell der Niederländer seine lange Zeit ohne Wettkampfpraxis abschütteln kann und wie offen Bastian Schweinsteiger, der seinen Vertrag aus purer Vereinsliebe (und dank einer kräftigen Gehaltserhöhung) verlängerte, gegenüber einem weiteren Kreativlenker im Mittelfeld ist. So ganz traut man der eigenen Leistungsstärke wohl auch noch nicht über den Weg, weil man sich wieder zu den altbekannten Störfeuern genötigt fühlt. Der Druck läge beim BVB und man würde sehen, wie man dort damit klar kommt. Und natürlich kämpfe man bis zum letzten Blutstropfen um die Schale. Bisher alles mit überschaubaren Erfolg. Immerhin startet man nicht mit 17 Punkten Rückstand in die Rückrunde. Man hat dort auch schonmal größere Brötchen gebacken. Fest steht jedenfalls: Sollte der neue deutsche Meister FC Bayern München heißen, wäre das eine Sensation. Hat man auch nicht jede Saison.
Hannover 96:
Was kann eindrucksvoller verdeutlichen,dass diese Saison irgendwie aus dem Ruder läuft, als der vierte Platz der Niedersachen? Und um die ganze Kiste vollends surreal erscheinen zu lassen, hat man auch noch eine respektable Tordifferenz von -2 aufzuweisen. Ein Verein, der vor der Saison als Abstiegskandidat Nummer 1 gehandelt wurde und zu dem einem eigentlich nur drei Dinge einfallen:
1. Martin Kind und sein ehrbarer Kampf durch alle Instanzen für eine investorengerechte Bundesliga.
2. Robert Enke, der nun auch schon vor über einem Jahr Selbstmord begangen hat
3. Didier Ya Konan
Zumindest der Ivorer hat als treffsicherer, schneller und technisch beschlagener Stürmer auch einen sportlichen Widererkennungswert zu bieten. So ziemlich das einzige Tafelsilber in einer absolut biederen Besteckschublade. Ansonsten hat man mit 25 erzielten und 27 kassierten Toren nur mittelmäßige Werte aufzuweisen. Auch unser Gastspiel an der Leine hat keine weiteren Erkenntisse gebracht. Gerade mal 20 Minuten zu Beginn der zweiten Halbzeit war man ein ebenbürtiger Gegner, den Rest des Spiels hoffnungslos unterlegen. Wie man es mit solchen Werten auf einen Europapokalplatz geschafft hat, bleibt wohl das ewig unergründbare Geheimnis von Grinsemann Slomka und seinem Trainerteam. Aber ernsthafte Titelchancen? Nie, nie, nie.
Mainz 05:
Die werden auch noch einbrechen und sich am Saisonende irgendwo im Mittelfeld wiederfinden. So ist zumindest die landläufige Meinung über den FSV Mainz 05. Warum eigentlich? Mit überschaubaren finanziellen Mitteln und Sachverstand hat man sich dort eine Mannschaft zusammengestellt und -geliehen, die in sich stimmig ist und funktioniert. Nach einem sensationellen Start mit 7 Siegen am Stück fehlte in der Folge zwar etwas die Leichtigkeit, aber man hat häufig technisch blitzsauberen Fußball gezeigt und konnte locker in der Spitzengruppe mithalten. Auch hat man die oft beschworene Krise innerhalb einer Saison bereits hinter sich. Nach der ersten Saisonniederlage gegen den HSV gab es eine schwache Phase, bei der weder die spielerische Leistung noch die Punkteausbeute stimmte. Trotzdem konnte man vom Punktepolster zu Beginn zehren und sich wieder sammeln. Warum sollte Mainz vorne nicht ein gewichtiges Wörtchen mitreden können? Bis jetzt haben sie sich wacker geschlagen und keine objektiven Argumente dafür geliefert, dass sie ihre Leistung aus der Hinrunde nicht wiederholen können.
Auf einem anderen Feld haben sie zumindest schon einen Titel eingefahren und firmieren als ungekrönter König unter den nervigsten Knuddelkultclubs. Mag das Geschwafel von den „Bruchweg-Boys" im Ga-Ga-Land des kompetenzbefreiten Königspaares Müller-Hohenstein und Töpperwien total hip und en vogue sein, sorgt es anderorts für Eitergeschwüre auf den Ohren. Graust sich sonst noch jemand vor der Vorstellung, zu Saisonende 11 Leute auf dem Meistertreppchen zu sehen, die mit Luftinstrumenten die DFL-Hymne nachspielen? Also, Titelkandidat eigentlich ja, aber dann wieder doch bitte nicht.
Bayer Leverkusen:
Kann es etwas Leichteres geben, als die Titelchancen von Bayer Leverkusen einzuschätzen? Wohl der einzige Verein, der einen Vorsprung von 15 Punkten in den letzten 5 Spielen verdaddeln könnte, ohne dabei in den Verdacht der Spielmanipulation zu geraten. So kreist auch diesmal zu Beginn eher die Frage, wann und nicht ob die Werkself wieder traditionell einbricht und sich mit dem Allerwertesten wieder selbst einreißt, was man sich aufgebaut hat.
Dennoch, jede Serie hat irgendwann mal ein Ende und unterschätzen darf man Leverkusen nicht. Abgesehen vom langweiligen Pillenimage und einer Fanschar, die nicht unbedingt zu den farbenprächtigten Glanzlichtern der Liga zählt, kommt man nicht umhin festzustellen, dass man den Fußball sportlich in den letzten zehn Jahren bereichert hat. Wenige Mannschaften stehen derart kontinuierlich für einen Ball auf technisch höchsten Niveau. Die Mannschaft ist auf allen Positionen hervorragend und ausgeglichen besetzt, so das auch der lange Ausfall des als Leitwolf auserkorenen Neuzugangs Ballack gar nicht ins Gewicht fiel. Dafür haben sich dann Fiesling Vidal und der aus Kaiserslautern gekommene Sidney Sam in den Vordergrund gespielt. Beim HSV wird man sich noch heute eine Raute in den Hintern beißen, dass man Sam zugunsten bekannterer Fußballrentner abgegeben hat.
Das Unentschieden gegen Freiburg am 17. Spieltag tat weh. Hatte man sich doch so schön vorgestellt, den Rückstand auf den BVB auf acht Punkte zu verkürzen, um dann im direkten Duell richtig Druck ausüben zu können. Das ging ja zum Glück in die Hose, darf aber keinesfalls als Anzeichen des bekannten Verlierergens gewertet werden. Die Platzverhältnisse machten die Angelegenheit zu einem Glücksspiel, so dass eine realistische Wertung sich hier verbietet. Wir sollten gewarnt sein, unter dem Bayer-Kreuz wird man dem nächsten Freitag heftig entgegen fiebern. Mit einem Unentschieden oder einer Niederlage wäre man fast raus aus dem Rennen um die Meisterschaft, ein Sieg ein starkes Zeichen. Mit Sicherheit unser ärgster Konkurrent.
Borussia Dortmund:
Hand aufs Herz: Wer hätte nicht sofort die Männer mit den Hab-mich-lieb-Jacken gerufen, wenn ihm sein Gegenüber im Juli eine derartige Hinserie prophezeit hätte? Wir haben die Liga dominiert, Rekorde in Serie purzeln lassen und sind völlig zurecht mit satten Abstand Tabellenführer. Natürlich ist es noch viel zu früh, um sich in Sicherheit zu wiegen, aber wer, wenn nicht wir, sollte absoluter Titelfavorit sein?
Vermutlich wird man nicht mehr so leicht und locker durch die Liga spazieren, wie über weite Strecken der ersten 17 Partien, aber wenn man sich nicht ganz dämlich anstellt und/oder viel Pech hat, holen wir uns die Schale. Im Trainingslager wird ruhig, gezielt und erfolgsorientiert wie immer unter Klopp gearbeitet, so dass davon auszugehen ist, dass in Leverkusen eine Mannschaft auf konditionell und taktisch höchsten Level auflaufen wird. Und mag das Aus in Sevilla auch weh getan haben, wahrscheinlich werden wir zu Saisonende noch dankbar darüber sein, dass unsere Jungs ihre Kilometer allein in der Bundesliga abspulen müssen. Die Spielanlage lässt gar nichts anderes zu, als dass wir immer das laufstärkste Team sein müssen und da kann uns jeder gesparte Kilometer gut tun.
Auch die Abwesenheit von Kagawa aufgrund der Asienmeisterschaft sollte uns nicht weiter beunruhigen. Natürlich hat der kleine Japaner bombastische Leistungen geboten und sein Verlust wird nicht leicht zu kompensieren sein. Aber warum über etwas lamentieren, das sich eh nicht ändern lässt? Wir sollten eher Zuversicht daraus ziehen, dass die Diskussion nicht lautet, wie wir Kagawa ersetzen, sondern wer von drei möglichen Kandidaten ran darf. In puncto Qualität sind unsere Ersatzspieler über jeden Zweifel erhaben. Es war geradezu eine Stärke von uns, dass ohne Bruch im Spiel gewechselt werden konnte und die Jungs von Draußen noch ordentlich Dampf machen konnten.
Natürlich ist das Auftaktprogramm happig und risikoreich und natürlich könnten uns Verletzungen zu schaffen machen, aber man kann es drehen und wenden wie man will: Klarer Kandidat für Platz 1 am 34. Spieltag sind wir und nur wir selbst haben es in der Hand, an wen die Schale übergeben wird.
Fazit: Deutscher Meister wird nur der BVB.