Trauriger Tag für den Ruhrpott-Fußball
Der Fußball im Pott und in Westfalen hat es nicht leicht in diesen Tagen. Während der abgelaufenen Zweitligasaison gab es immer wieder Gerüchte über die finanzielle Schieflage der Duisburger Zebras, die Arminia aus Bielefeld konnte nur mit einem Kraftakt in letzter Minute den Lizenzentzug verhindern und endgültig erwischt hat es dann mit Rot-Weiss Essen einen der großen, alten Traditionsvereine. Am 04. Juni um 15.30 Uhr verkündete der Vorstand der Bergeborbecker das endgültige Aus für RWE in der Regionalliga. Da der DFB eine gegebene Bürgschaft der Stadt Essen als nicht gültig für die nächste Saison ansah, entzog man RWE die Lizenz für diese Spielklasse. Im gleichen Atemzug wurde bekannt, dass man das Insolvenzverfahren eröffnen musste. Ob ein Start in der NRW-Liga noch möglich ist, oder ob gar der freie Fall in die Kreisklasse droht, steht noch völlig offen.
Auch wenn die Freundschaft aus früheren Tagen längst weitestgehend erkaltet ist, gibt es doch noch einige Querverbindungen zwischen Rot-Weiss und dem BVB. Immer noch hegen vereinzelt Fans gegenseitige Symphathien. Namen wie Frank Mill, Manni Burgsmüller oder Willi „Ente“ Lippens haben es in die Geschichtsbücher beider Vereine geschafft. Und nicht zuletzt kennen wir Dortmunder das Gefühl, wenn das Schicksal des geliebten Vereins am seidenen Faden hängt. Bei uns ging es gerade noch einmal gut. Bleibt zu hoffen, dass auch in diesem Falle beide Vereine ein ähnliches Schicksal verknüpft und der Sturz von RWE in die völlige Bedeutungslosigkeit der Kreisliga vermieden werden kann.
Rot-Weiss Essen hat den Fußball in Deutschland und besonders im Ruhrpott entscheidend mitgeprägt. In den 50er Jahren gewann RWE den DFB-Pokal und 1955 in einem denkwürdigen Finale gegen den ersten FC Kaiserslautern die deutsche Meisterschaft. Ein Verein voller Geschichten, Tradition und Legenden. Ein Verein, der den „Boss“ Helmut Rahn ins Blickfeld der Nationalmannschaft brachte. Was wäre der deutsche Fußball ohne diesen Spieler, der das entscheidende Tor '54 in Bern erzielte, das Deutschland sensationell zum Weltmeister machte? Es gibt keinen Fußballfan, der beim Namen Rahn nicht sofort den legendären Radiokommentar im Ohr hat. Ein Tor, das damals mit Sicherheit nicht ohne jede Bedeutung für das Wirtschaftswunder im Nachkriegsdeutschland war. Wie wäre die Geschichte wohl verlaufen, wenn RWE diesen Spieler nicht hervorgebracht hätte?
So ruhmreich sich die Vereins- chronik aus diesen Jahren liest, so bitter ist der Niedergang des RWE in den letzten Jahren. Unter wechselnden Vorständen und Managern wie Olaf Janßen und Thomas Strunz stürzte der Verein in die vierte Liga und verbrannte dabei viel Geld und Vertrauen. Es ist eigentlich unbegreiflich, dass ein Verein aus der zweitgrößten Stadt des Ruhrgebiets, in der Konzerne wie RWE und Evonik ihren Hauptsitz haben, nicht zu den wirtschaftlich potentesten der deutschen Fußballlandschaft gehört. Da muss eine ganze Menge lokales Porzellan zerschlagen worden sein, wenn nicht einmal mehr die Rettung vor der Insolvenz in letzter Sekunde realisiert werden konnte.
Versucht haben es die Fans, die in einem letzten, verzweifelten Akt am Freitagmorgen zu den Firmensitzen zogen und dort den Kniefall geleistet haben, zu dem die Funktionäre in den letzten Jahren offensichtlich nicht bereit waren. Da blutet einem als Fußballfan das Herz. Um so trauriger, dass auch dieser Beweis der Vereinsliebe unerhört blieb. Man kann nur schwer nachempfinden, wie sich die Anhänger des Vereins jetzt fühlen und hoffen, dass sie vielleicht doch noch Kraft aus dieser Situation ziehen. Zeigt sie doch, dass der Verein wirtschaftlich zwar am Boden liegt, das Herz jedoch noch kräftigt schlägt. Man hat dort nicht tatenlos zugesehen, sondern gekämpft. Wie es sich für den Ruhrpott gehört.
Und jetzt soll all das vorbei sein? Das Erbe von Rahn und Vereinsvater Georg Melches darf nicht so einfach untergehen. RWE ist gelebte Fußballgeschichte. Verschwindet RWE in der Bedeutungslosigkeit, verliert der Ruhrpott mit ihm ein großes Stück Identität und Kultur. Er verliert eine lautstarke und leidenschaftliche Fanszene. Einen Verein, an den auch in Zeiten des Niedergangs mehrere tausend Menschen ihr Herz gehängt und ihm ihre Zeit und Leidenschaft geschenkt haben. Es wäre für uns alle bitter, wenn zumindest der Gang in die Kreisliga nicht verhindert werden könnte.
Kopf hoch, liebe Rot-Weiss Fans, kämpft weiter für Euren Verein, gebt die Hoffnung nicht ganz auf und kommt so schnell wie möglich zurück. Wie soll Opa Luscheskowski sonst seine Samstage auf der Wolke genießen?