Passt wie Arsch auf Eimer ? Das war die Hinrunde
Es gibt viele Allgemeinplätze, um die zurückliegende Hinrunde aus BVB-Sicht zu beschreiben. „Es war ein Wechselbad der Gefühle.“ Oder: „Die Mannschaft kam nur sehr langsam aus den Startlöchern.“ „Durch viele Verletzungen musste sich der BVB erst finden.“ Oder: „Das Team fand über den Kampf zum Spiel.“ Alles schön und gut, trifft aber nicht den Kern der zurückliegenden Halbserie. Die ersten 17 Spiele der Saison 2009/2010 zeigten uns nämlich vor allem eins: Dass wir Jürgen Klopp vertrauen können, auch wenn er manchmal Entscheidungen trifft, die auf den ersten Blick nicht vollends nachzuvollziehen sind. Der Coach baut etwas langfristiges auf, er schielt nicht auf den kurzfristigen Erfolg. Jürgen Klopp und der BVB: Das passt wie Arsch auf Eimer.
Mit einer Mischung aus Euphorie wegen der tollen letzten Saison und Ernüchterung aufgrund des in letzter Sekunde verpassten EL-Platzes, gingen wir in die aktuelle Saison. Die Stimmung war großartig, als die Saison mit einem Heimspiel gegen den 1. FC Köln los ging. Gegen harmlose Kölner reichte ein Eigentor, um 1:0 zu gewinnen. Und alle dachten, der Platz im oberen Drittel der Tabelle wäre damit abonniert.
Doch im Jubel ging die eher bescheidene Mannschaftsleistung des BVB vollkommen unter. Und deswegen war es umso ernüchternder, als uns der HSV eine Woche später quasi an die Wand spielte. Erinnerungen an das 1:4 in Hoffenheim wurden wach. Die Bedenken wurden aber schnell wieder begraben, als im zweiten Heimspiel gegen vermeintlich starke Stuttgarter ein eher unglückliches und blödes 1:1 geschafft wurde. Dass das eigentlich zu wenig war gegen faktisch schwache Schwaben, konnten wir damals noch nicht ahnen. Und auch das 1:1 im nächsten Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt wurde als Erfolg verbucht, überraschten die Hessen doch mit einem starken Saisonauftakt.
Doch dann kam es knüppeldick. Mit 1:5 gegen ebenfalls schwächelnde Bayern kassierten wir die erste Liga-Heimniederlage unter Jürgen Klopp. Und auch das nächste Heimspiel ging verloren. Ausgerechnet gegen die Blauen, die schwach spielten und 1:0 gewannen. Die Stimmung beim BVB war am Boden. Dass das die bisher letzte Saisonniederlage bleiben sollte, wagte niemand zu hoffen. Zumal auch noch ein blamables Pokalaus in Osnabrück verdaut werden musste.
Die sehr wenigen Klopp-Kritiker im schwatzgelb.de-Forum, die sich Usernamen aus der Filmwelt gaben oder verdächtigt wurden, Felix Magath höchstpersönlich zu sein, witterten Morgenluft, hitzige Diskussionen gingen los. Die Stimmung schien zu kippen. So manch einer, mich eingeschlossen, befürchtete, dass unser Trainer zum ersten Mal in seiner BVB-Amtszeit ratlos sei. Heftige Kritik musste er sich von den Fans anhören, weil er immer noch am nicht immer optimal aufspielenden Patrick Owomoyela festhielt. Lucas Barrios traf nicht so, wie erhofft und die Schonfrist bzw. Eingewöhnungszeit wurde ihm langsam entzogen. Die Klopp-Gegner zogen sogar den ein oder anderen auf seine Seite. Felix Magath wurde als Wundertrainer ausgerufen, ihn hätte man doch gerne beim BVB gesehen. Außerdem setze Jürgen Klopp zu wenig auf die Amateure und zu viel auf Kevin Großkreutz. Andererseits sei die Mannschaft zu jung. Es war eine für alle sehr unangenehme Zeit.
Zum Glück aber auch eine sehr kurze, denn mit Siegen in Mönchengladbach mitsamt dem ersten Bundesliga-Saisontor des Panthers und einem lockeren Heimsieg gegen Bochum kehrte wieder so etwas wie Ruhe ein. Der Komplettabsturz, den viele schon befürchteten, war erst mal verhindert. Und als dann auch noch ein überzeugendes 1:1 beim Spitzenclub Bayer Leverkusen für Aufsehen sorgte, keimten wieder erste Hoffnungen auf eine doch noch gute Saison auf.
Nach dem Pflichtsieg gegen Hertha BSC Berlin – das wäre in zurückliegenden Spielzeiten nicht selbstverständlich gewesen – gelang ein wiederum sehr überraschendes 1:1 bei Werder Bremen. Und da waren wir sogar alle etwas verärgert, denn nach schwacher erster Halbzeit, hatten wir Bremen fest im Griff und am Rande einer Niederlage. Trotzdem waren alle begeistert.
Wie fragil die Gemütslage beim BVB aber dennoch ist, verdeutlichte das 0:0 zu Hause gegen Mainz 05. Viele sahen den BVB im Mittelfeld versacken, ohne Chance auf die Geldtöpfe, während die Konkurrenz aus GE voran schritt und sich mit Glück und Geschick ganz oben fest spielte. Das sollte aber der letzte Punktverlust des BVB in 2009 bleiben. Denn mit zwei sensationell gut herausgespielten Auswärtssiegen bei den Möchtegern-CL-Teilnehmern Hoffenheim und Wolfsburg und zwei Heim-Pflichtsiegen gegen die Aufsteiger Nürnberger und Freiburg – wobei vor allem der SC am 100. Geburtstag heftige Gegenwehr leistete – durften wir Weihnachten und Silvester auf einem 5. Platz feiern. Und Lucas Barrios brachte es in den letzten zehn Bundesligaspielen auf neun Tore. Platz 2 in der Torschützenliste.
29, 30, 30 – so lautet die Punktausbeute aus den drei Spielzeiten, die wir unter Jürgen Klopp erleben durften. Was nach Stagnation aussieht, ist regelmäßiger Fortschritt. Denn vor allem diese Saison hatten wir mit vielen Problemen zu kämpfen. Was in der letzten Spielzeit noch wie von selbst klappte, nämlich Tore zum günstigsten Zeitpunkt, musste sich die Mannschaft diese Saison hart erarbeiten. Wichtige Spieler wie Sebastian Kehl, Dede, Tinga und Tamas Hajnal fielen wegen langwieriger Verletzungen aus. Jürgen Klopp musste eine völlig neue Mannschaft zusammenbauen.
Das tat er und im Nachhinein hatte er von Anfang sein Team im Blick. Sven Bender erwies sich als Glücksgriff, denn der Neuzugang von 1860 München zeichete sich in seinen vielen Spielen durch enorme Ballsicherheit und gutem Stellungsspiel aus. Kein Wunder, dass Jugendnationalcoach Horst Hrubesch sagt, dass sein Herz anfangen würde, zu springen, wenn er die Bender-Zwillinge Fußball spielen sieht.
Auch trotz heftigster Kritik hielt Jürgen Klopp an Patrick Owomoyela auf dem Posten des Rechtsverteidigers fest. Und der Ex-Rapper („In a World full of Love“) zahlte dieses Vertrauen zum Ende der Hinrunde mit immer besseren Leistungen zurück. Auch Marcel Schmelzer zeigte ansprechende Leistungen als Dede-Ersatz. Er krönte es mit einer perfekten Flanke am 19. Dezember, die zum 1:0-Siegtor gegen Freiburg führte. Und Roman Weidenfeller wirkt wieder sicher im Tor des BVB.
Am deutlichsten ist Jürgen Klopps Philosophie wohl bei Kevin Großkreutz erkennbar. Der Coach schmeißt junge Spieler nicht einfach ins Feuer, wo sie dann nach anfangs starken Leistungen zunehmend verbrennen – diese Taktik wird ja in GE erfolgreich umgesetzt, erste Verschleißerscheinungen werden aber bei den Schmitzens und Matips schon sichtbar. Klopp baut junge Spieler langsam auf. Großkreutz bekam zu Anfang der Saison fast in jedem Spiel seine Spielminuten. Nicht sehr viele zum Anfang. Dort fiel er zumeist nur durch unbändigen Einsatzwillen, aber auch teils kopfloses Spiel auf. Erst gegen Leverkusen durfte er eine komplette Halbzeit ran. Eine Weiterentwicklung war sichtbar. Und zum Ende der Saison erspielte sich der BVB-Fan unter den Profispielern und sg-Kolumnist dann einen Stammplatz. Er leitete mit einem feinen Tor das 4:0 gegen Nürnberg ein und schickte Schmelzer bei dessen Assist-Flanke gegen Freiburg auf die Reise. Großkreutz gehörte bei den vier Siegen in Serie zu den Stärksten im BVB-Team.
All das zeigt, dass wir Jürgen Klopp vertrauen können. Er will etwas langfristiges beim BVB aufbauen. Und wenn der Trainer meint, mit dem aktuellen Kader bestehen wir auch die Rückrunde, dann dürfen wir das glauben. So mancher Kritiker mag das als „blindes Folgen des grinsenden Trainer-Gurus“ abtun. Das ist es aber mitnichten. Es ist ein gutes Gefühl, endlich wieder einen Coach zu haben, dem man vertrauen kann und den man nach Niederlagen nicht sofort zum Teufel wünscht. Statt den Trainer in Frage zu stellen, beschränken wir BVB-Fans uns nun darauf, sachlich darüber zu diskutieren, wenn etwas mal nicht geklappt hat. Und wir werden auch wieder Rückschläge in Kauf nehmen müssen, das ist klar. Aber am Ende werden wir immer zufrieden sein. Denn Jürgen Klopp und der BVB - das passt. Die Hinrunde der Saison 2009/2010 zeigte das ganz deutlich.
DvB, 09.01.2010