Gut genug für Europa
Läuft man vom Bochumer Hauptbahnhof zum Ruhrstadion, sind die Werbeplakate des VfL für deren Heimspiele kaum zu übersehen. Der Spruch darauf: „Wer ständig oben steht, ist nur zu feige für den Abstiegskampf“. Oder einfach besser als Bochum. Und: gut genug für Europa. Das zeigte der BVB heute eindrucksvoll: 4:1 im gefühlten Heimspiel an der Castroper Straße.
Als der Stadionsprecher den Wunsch eines VfL-Fans vorlas, der sich "jede Menge Eier im schwarzgelben Tor" wünschte, fühlte sich so manch ein Borusse an die Worte Jürgen Klopps erinnert. Fern ab von jeden Zweideutigkeiten, diese Eier hat Klopps Elf endlich mal unter Beweis gestellt.
Der nächste Gegner ist immer der Schwerste – wie wahr. Doch heute war völlig unklar, wie der VfL Bochum einzuordnen war. Acht Spiele ohne Niederlage, bis zum Wolfsburg-Spiel. Und zuhause Unentschieden gegen Leverkusen und den Gelsenkirchener Vorort. Dennoch ist und bleibt der VfL auch in dieser Saison ein Abstiegskandidat. Und Borussia hat schließlich keine so schlechte Mannschaft.
Ist der BVB im zweifellos schönen Ruhrstadion zu Gast, reisen tausende Borussen mit. Zumindest seit dem letzten Gastspiel in Bochum lassen sich im eigentlich neutralen Bereich auf der Westtribüne kaum noch Bochumer auffinden. Alles schwarz-gelb. Einzig der Umbau von dem ehemaligen Stehplatzblock H2 zum Familienblock verhinderte eine noch größere schwarz-gelbe Invasion. 9 000 waren es mindestens, die bester Laune schon vor dem Spiel das Zepter in die Hand nahmen und die unkreativen und von jedem X-Beliebigen Gegner gesungenen "Anti-Gesänge" gegen den BVB souverän übertönten. Auf Bochumer Fanseite überzeugte einzig die Choreo vor dem Spiel ein wenig. Choreos machen sie vor fast jedem Heimspiel gegen den BVB, zu hören sind sie aber eher selten. Dafür ist ja schwarzgelb da.
Auftakt nach Maß
Der BVB war in den ersten Minuten etwas drückender, trotz einer Bochumer Chance, als Stanislav Sestak aus fünf Metern in schwieriger Position den Ball auf die Tribüne schoss. Mit bester Unterstützung des BVB-Anhangs war es Lucas Barrios, der in der 13. Minute die erste Chance auf dem Fuß hatte. Fehler von Matias Concha, Barrios am Ball, frei vor Philipp Heerwagen, doch irgendwie scheint der Argentinier momentan vor dem Gehäuse etwas unsicher. Wenige Sekunden später hatten die Dortmunder wieder den Torschrei auf Lippen, als Nuri Sahin mit einem lehrbuchmäßigen Kopfball nur den linken Innenpfosten traf und der Ball auf der Linie kullerte. Die Vorarbeit war aller erste Sahne. Kuba setzt sich auf Höhe des Mittelkreises durch, schickt Owomoyela, der von den Bochumern mutterseelen allein gelassen über rechts herein flankt. Das hätte es sein können. Wenige Minuten später sollten sich die Bemühungen der Borussen bezahlt machen. Freistoß von Sahin 30 Meter vor dem Tor, Sebastian Kehl berührt den Ball irgendwie und zack - 1:0. Kehl! Gänsehaut! Der Kapitän ist wieder da. Ok, später heißt es, es sei ein Eigentor eines Bochumers. Spätestens jetzt wusste jeder der anwesenden Zuschauer, wer hier in den Europapokal möchte. Anschließend erzielte erst Großkreutz das 2:0, wurde aber vom Schiedsrichtier aufgrund einer Abseitsstellung zurück gepfiffen. Danach fasste sich Zidan ein Herz und schießt das runde Leder aus gut 20 Metern über das Tor. Es dauerte nicht lange, und schon kamen aus dem Westen des Stadions abermals "Europapokal"-Gesänge.
Der VfL zeigte in den ersten 30 Minuten wenig Gegenwehr und brachte vor dem 16-Meter-Raum nichts zu Stande. Auf der anderen Seite hingegen war Kuba. Der Pole kann es noch. Endlich zeigte er das, was ihn ausmacht. Schnelles Eindringen von rechts in den Strafraum. Unbeirrt von zwei, drei Gegenspielern. Pass in die Mitte auf Zidan, direkter Flachschuss des Ägypters - 2:0!
Besser hätte es nicht laufen können. Eine schwarzgelbe Mannschaft, die den Willen versprüht, international zu spielen, spielt die Gastgeber an die Wand - und wird dank den mitgereisten Fans und eigener, starker Leistung endgültig zur Heimmannschaft in einem fremden Stadion. Während dessen kam ein wenig Nostalgie im Stadion auf. "Jetzt geht's los" und zu Beginn des Spiel "Ole, ole, ole - Borussia, BVB" erinnerten erfahrene Dortmunder an frühere Zeiten.
Es kam aber noch besser: Nach einer unsportlichen Aktion von Milos Maric in das Gesicht von Kuba zückte Wolfgang Stark die Rote Karte. Das Spiel verflachte anschließend etwas, wobei der BVB immer noch einen Hauch mehr Spiellust verbreitete als die grauen Mäuse. Der Blick durfte sich abermals auf die Westtribüne richten, wo es feiernde Fans und in die Luft geworfene Schals zu sehen gab, während der VfL fast den Anschlusstreffer markierte. Als der Ball aber links vorbei ging, war bei allen Borussen "tief durchatmen" angesagt.
Borussia macht es spannend - aber nicht lange
Nach dem Pausentee schienen die Blau-Weißen etwas motivierter - und es zahlte sich leider aus. Ein Angestellter des S04, ausgeliehen an Bochum, traf allein stehend und schlecht gedeckt zum 1:2. Das war wirklich nicht ruhmvoll, wie die Abwehr dieses absehbare Zuspiel zu Holtby nicht unterbunden hat. Somit war der VfL wieder unnötigerweise im Spiel und es kam sogar Stimmung bei deren Fans auf. Es lag nun an der Mannschaft von Jürgen Klopp, nicht wieder in das altbekannte Schema dieser Saison zu verfallen und das Fußballspielen einzustellen.
Die bis dahin schlechteste Nachricht der Tages fand ihren Ursprung in einem Foul von Nuri Sahin, der anschließend seine fünfte gelbe Karte erhielt und das Spiel gegen Leverkusen von der Tribüne aus verfolgen muss. Er selbst sagt, dass er nur geblockt habe und kein Foul begangen hat. Die Fensehbilder geben da auch keinen Ansatz zur Aufklärung.
Der BVB musste sich erstmalig an diesem Tag beweisen und Ruhe in das eigene Spiel bringen, Sicherheit ausstrahlen. Denn die ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit ließ Schwarzgelb die Bochumer in Überzahl spielen. Der Trainer wusste, dass er was machen musste. Hajnal kam für Zidan. Während der Gästeanhang seine Stärke aus der ersten Hälfte suchte, brachte Klopp zudem Valdez für Kuba. Letzterer hatte sich nach langer Zeit wirklich mal wieder Applaus verdient. Es nützte etwas. Wunderschöne "Borussia, Borussia BVB"-Klänge aus dem Westen und die Mannschaft spielte wieder etwas überlegter, aber noch mit zu vielen, leichtsinnigen Ballverlusten. Fast brachte der Dortmunder Jung', Großkreutz, das 3:1, schloss aber kläglich freistehend ab.
Dachte man, Barrios hatte einen durchschnittlichen, unauffälligen Tag erwischt, netzte er in bester Stürmer- und Abstaubermanier vor dem leeren Tor zum 3:1 ein, nachdem Heerwagen Hajnals Schuss abprallen ließ - die Entscheidung. Nur wenige Sekunden später hat Valdez das 4:1 auf dem Fuß - vergebens. Nach der anschließenden Ecke zweifelte keiner mehr am Dortmunder Sieg. So war es wieder Barrios, der die mittlerweile beliebte Taschentuch-Aktion der BVB-Fans hervorkommen ließ und aus vier Metern zum 4:1 vollendete. Der Rest war jetzt ein pures Fest für die Borussen. Es war ein Gänsehautmoment, als sich tausende Borussen hinsetzten und zum "Europapokal-Lied" aufsprangen und es unglaublich laut zum Besten gab. "Der BVB ist wieder da!". Nochmals Gänsehaut. So stellt man sich ein Auswärtsspiel des BVB vor.
Das Spiel war gegessen, die Punkte verteilt, Platz Fünf gefestigt. Die Mannschaft darf sich loben lassen. Erfreulich ist: Sie sich selbst aus einer spielerisch schwierigen Phase anfangs der zweiten Hälfte selbst befreit, ehe es zu spät war. Das ist Moral, das sind Eier, wenn man von Beginn an so gallig ist, das Spiel zu gewinnen. Die Mannschaft hat noch nichts erreicht, das ist klar. Sie ist aber auf einem guten Weg dahin.
In diesem Sinne:
"Die graue Maus geht jetzt nach Haus.". Aber nächste Woche, liebe Bochumer, dürft ihr gerne gewinnen.
Die Noten
Weidenfeller: Fiel weder negativ noch positiv auf. Ein ruhiger Arbeitstag für ihn. Note: 3
Santana: Solide, wenn auch gewohnt grobmotorisch. Note: 3
Subotic: Beim Gegentor schlechte Abstimmung in der Abwehr, ansonsten auch hier eine Note: 3
Owomoyela: Gute Szene vor Sahins Pfostentreffer. Note: 3+
Schmelzer: Reiht sich in den Rest der Abwehr ein, stellenweise etwas bissiger: Note: 2-
Kehl: Wieder da! Führungstreffer (fast) markiert, aber unnötige Ballverluste: 3+
Kuba: Das beste Spiel von ihm seit Monaten. Klasse Einzelaktion vor dem 2:0, sehr quirlig. Note: 2
Großkreutz: Unauffälliges Spiel, hätte mit dem 3:1 alles klar machen können: Note 3-
Sahin: Auf ihn kann der BVB bauen, fehlt leider gegen Leverkusen. Note: 3
Zidan: Knüpfte an seine starke Leistung aus dem letzten Spiel an. Tor zum 2:0. Note: 2
Barrios: Unauffällig, vor dem Tor inkonsequent. Aber zwei Treffer markiert. Note: 3
Hajnal: Wurde für Zidan eingewechselt, lenkte das Spiel in die richtige Richtung.
Valdez: Kam für Kuba, ging 13 Minuten später wieder vom Platz. Keine Note, ebenso wie Koch.
Namen und Zahlen
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Santana, Schmelzer - Kehl, Sahin - Kuba, Zidan, Großkreutz - Barrios
Tore: 0:1 Maltritz (18., Eigentor, Freistoß Sahin), 0:2 Zidan (27., Kuba), 1:2 Holtby (53., Azaouagh), 1:3 Barrios (74., Hajnal), 1:4 Barrios (77., Santana)
Karten: Rot: Maric (31., Tätlichkeit), Gelb: Kuba, Sahin.
Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding)
Zuschauer: 30.748 (ausverkauft)
geschrieben von Sven