Leidenschaft besiegt Geld
Zwar dauerte es eine gute Halbzeit, bis der BVB so richtig auf Touren kam, doch gerade die zweite Hälfte dominierte die Borussia den Neureichenklub von der Insel aus Manchester sehr abgeklärt und routiniert. Insbesondere das junge Eigengewächs Mario Götze konnte, nicht nur aufgrund seiner zwei Torvorlagen, mehr als überzeugen.
Was gab es vor dem Spiel nicht alles für Diskussionen? Die Puristen wollten ein Testspiel gegen den neureichen Verein aus Manchester nicht, weil dieser für alles Böse steht, was der moderne Fußball im Moment so zu bieten hat. Die Feinschmecker dagegen hatten durchaus Interesse, das Star-Ensemble von der Insel zu begutachten. Wie auch immer man zum heutigen Gegner und seinen Hintermännern stehen mag, bleibt doch eins gewiss: Um unserer Borussia bei Europapokal-Bedingungen gegen einen zumindest nominell starken Gegner zuschauen zu können und ihre Form zu bewerten, gab es sicherlich schon schlechtere Anlässe. Das heutige Spiel war Bestandteil der sogenannten „Summer of Champions 2010“-Tour der Agentur TSP. Nun gut, bei den ganzen Partien war mit dem FC Chelsea nur ein richtiger Meister dabei, aber das ist ja in der Champions League auch nicht anders.
Die erste Ernüchterung für alle Star-Fetischisten gab es jedoch schon beim Blick auf die Aufstellung bzw. die Anzeigetafel. Aufgrund der WM und des folgenden Urlaubs fehlten auf englischer Seite noch einige Neuzugänge und sogenannte Superstars. Kein Tevez, kein David Silva, kein Boateng. Trotzdem waren noch einige Namen dabei, die man bei FIFA oder PES die Freistöße schießen lassen würde: Wright-Phillips, Barry, die Toure-Brüder, dazu auf der Bank Santa Cruz, Vieira, Bellamy oder der „slowakische Trainersohn“ ([tm] Steffen Simon) Weiss. Wie es sich für eine englische Mannschaft gehört, waren auch drei Torhüter (Hart, Given, Taylor) mit am Start. Schließlich muss man ja auch während des Spiels reagieren können...
BVB klein, aber fein
Nun aber zum BVB, denn wir heißen ja schwatzgelb.de und nicht cityfans.co.uk. Dort gab es beim Blick auf die Aufstellung zwei mittlere Überraschungen zu verzeichnen. Von Anfang an agierten Kagawa sowie Mario Götze, während unter anderem Sven Bender, Hajnal und auch Feulner draußen bleiben mussten. In vorderster Front ersetzte Barrios Lewandowki, der zunächst auf der Bank Platz nehmen musste. Gegen die robusten und zweikampfstarken „Citizens“ war es von der Idee sicherlich nachvollziehbar, zwei so kleine und flinke Akteure wie Kagawa und Götze aufzubieten, auch wenn somit aus der Mittelfeldreihe heute sicher nicht viele Kopfballtore zu erwarten waren. Nicht in den Kader nominiert wurde Kevin Großkreutz. Er erlitt im Training einen Schlag gegen die Wade, sein Einsatz aber schon am Samstag beim Test in Bielefeld ist nicht gefährdet.
Vor einer insgesamt ernüchternden Zuschauerkulisse von nur 31.200 Zuschauern (gut, andere Vereine wären froh über so eine Resonanz bei ihren Testspielen) verhielten sich die Gäste gänzlich unbritisch, als sie ihr Aufwärmprogramm aufgrund eines plötzlichen Regenschauers kurzerhand unterbrachen. Die Mannen von „Sitty“ (Norbert Dickel) wurden von einem recht gut gefüllten Block unterstützt (Nordtribüne, Unterrang, ganz außen), der auch recht gut Betrieb machte. Die BVB-Fans waren beim Aufwärmen nur zweimal richtig laut zu hören: „Scheisse 04.“ Zum Glück wurde nach dem zweiten Mal direkt YNWA eingespielt.
Das Spiel begann mit einigen Minuten Verspätung (u.a. wegen einer Schweigeminute für die Opfer der Loveparade) und man erwartete einen Kampf bis auf den letzten Blutstropfen, um den traditionsreichen und renommierten „Ferrostaal“-Cup (gibt es beim Sieg auch eine Feier auf dem Friedensplatz?) zu gewinnen. Ähnlich wie die ersten Minuten gegen 1860 München war auch hier zunächst Abtastfußball angesagt, aber man sah bereits, dass die Mannen vom heutigen Verantwortlichen Brian Kidd (der eigentliche Trainer Roberto Mancini verweilt bei seinem kranken Vater in Italien) gerade durch die Viererkette im Mittelfeld das Spielfeld extrem eng machten. So gab es denn die erste Torchance auch durch einen der Ihrigen, doch Yaya Toure verzog knapp.
Aus heiterem Himmel, der in diesem Fall aber Owomoyela hieß, dann die Chance und das Tor für den BVB. „Owo“ setzt sich wunderbar durch und bedient Kagawa, der vom anderen Toure, nämlich Kolo, unmotiviert gelegt wird. Barrios bleibt cool und verwandelt den fälligen Strafstoß zur Führung für Schwarzgelb. Nun waren aber alle hellwach, auch die Gäste, die prompt den Gegenangriff nach scharfer Hereingabe Wright-Phillips' zum Ausgleich durch Jo nutzten konnten. Weidenfeller sah dabei nicht unbedingt glücklich aus.
Noch viel Leerlauf
Dann war wieder etwas Pause angesagt, ehe es über Subotic und Schmelzer ganz schnell ging. Doch leider köpfte Barrios dessen Flanke genau in die Arme Harts. Und was passiert, wenn der BVB gefährlich wird? Richtig, die Gäste machen es ihnen nach, doch diesmal hielt Weidenfeller Jos Schuss im Nachfassen (25.). Leerlauf. Übrigens auch auf den Rängen. Gähn! Vom Ferrostaal-Motto „Turning Ideas Into Reality“ nicht viel zu merken...(Fast) bis zur Pause.
Denn dann zeigt Schiri Winkmann Mut und zeigt als Deutscher zum zweiten Mal für die deutsche Mannschaft gegen die englische auf den Punkt. Zu Recht! Kolarovs Ellbogen machte sich in Owomoyelas Gesicht zu schaffen. Wieder trat Barrios an, wieder lässig verzögernd, wieder die gleiche linke Ecke, doch leider können sogar englische Torhüter ab und zu einen halten. Barrios hatte Sahin nach dessen Fehlschuss abgelöst. Wird es jetzt wieder einen Schützenwechsel geben? Halbzeit.
Zur zweiten Hälfte wechselte Jürgen Klopp den Ein-Mann-Sturm aus und brachte Lewandowski für Barrios. Es wird sich zeigen, ob auch in den Pflichtspielen diese Variante bevorzugt wird oder nicht doch eher die erwartbare Version mit dem Polen als etwas hängende Figur hinter dem Südamerikaner. Und wieder begann es ganz hervorragend, denn kurz nach Wiederbeginn kam über Götze und Fortuna der Ball zu Kagawa und der eiskalt wie eine Hundeschnauze gegen Given zum 2:1. Mit einer typisch japanischen Geste bedankte sich der Asiate beim Vorlagengeber; der Junge hat sicher das Potenzial zum neuen Publikumsliebling. Nicht zum Publikumsliebling avancierte kurze Zeit später ein wohl englischer Flitzer, der es immerhin geschafft hat, dass sich die beiden ihn verfolgenden Ordner fast selber über den Haufen gerannt haben.
Götze mit starker Partie
Inzwischen war bei den Gästen Wayne Bridge im Spiel, der seine Nationalmannschaftskarriere in England aus femininen Gründen bekanntlich beendet hat. Von Lewandowski hingegen war bis zur 70. Minute gar nix zu sehen. Erst dann merkte man, dass er mitspielte, doch ging sein Distanzschuss weit vorbei. Noch scheint die Spielweise der Borussia nicht ganz zu der des polnischen Edelknipsers zu passen. Doch ein wahrer Torjäger trifft eben auch, wenn er noch nicht so in Form ist. Götze setzt sich wieder mal klasse gegen die englischen Hünen durch, der Ball rutscht durch und Lewandowski braucht nur noch einzuschießen. Damit steht auch der Gewinner des Spiels bereits fest: Es ist Mario Götze, der nicht nur wegen zwei Vorlagen immer sehr auffällig war: Einsatzbereit, spielintelligent, jetzt auch körperlich robuster. Super Vorstellung!
Alles in allem eine mehr als ordentliche Vorstellung des BVB, gerade in der zweiten Halbzeit, gegen einen Gegner, den man jetzt auch nicht unbedingt landläufig als „Gurkentruppe“ bezeichnen würde. Da ist es dann auch nicht mehr relevant, ob ein Herr Tevez mitgespielt hätte. Insgesamt stand die Defensive heute sehr stabil. Von der Übergabe des Ferrostaal-Cups weigere ich mich zu berichten.
Ein weiterer Testspieleinsatz steht am Samstag bei Arminia Bielefeld an. Allerdings sei allen pflichtspielaffinen Fans gesagt, dass es endlich wieder um Punkte geht. Und zwar haben unsere Amateure ihr erstes Saisonspiel in der Regionalliga West. Anstoß am Samstag im Franz-Kremer-Stadion in Köln bei der dortigen Zweitvertretung ist um 14 Uhr. Überlegt's Euch!
Daten zum Spiel
BVB (4-2-3-1): Weidenfeller – Owomoyela (84. Hornschuh), Subotic, Hummels (66., Santana), Schmelzer – Kehl (66., Bender), Sahin (88. Feulner – Kuba (66., Hajnal), Kagawa, Götze – Barrios (46. Lewandowski)
Manchester City (4-4-1-1): Hart (46. Given) – Richards (46. Zabaleta), K. Toure, Kompany, Kolarov – Wright-Phillips (66., Bellamy), Y. Toure (59. Ireland), Barry (59. Lescott), Johnson (59. Bridge) – Jo Silva – Adebayor (46. Santa Cruz)
Tore: 1:0 Barrios (9., Foulelfmeter, K. Toure an Kagawa), 1:1 Jo Silva (11., Linksschuss, Wright-Phillips), 2:1 Kagawa (50., Linksschuss, Götze), 3:1 Lewandowski (81., Rechtsschuss, Götze)
Zuschauer: 31.200
SR: Winkmann (Kerken – Assistenten: Margenberg, Bandurski)
Chancen: 6:4
Ecken: 2:1
Gelbe Karten: Owomoyela (52., Foulspiel) – Ireland (62., Foulspiel)
Bes. Vorkommnis: Hart hält Foulelfmeter (45., Kolarov an Owomoyela) von Barrios
Stimmen und Stimmungen
Patrick Owomoyela (zum Foulelfmeter): Ich weiß nicht, was ich da ins Gesicht bekommen habe und es war auch nicht so schlimm. Ich wäre auch wieder aufgestanden. Im Mittelfeld wäre es definitiv ein Foul gewesen und gepfiffen geworden. Ob man da jetzt einen Elfer geben muss, weiß ich nicht.
(zur Personalsituation): Für uns als Mannschaft geht es diese Saison um sehr viel. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir so viele Spieler im Kader haben, damit man auch Ausfälle kompensieren kann. Das sieht man ja bereits jetzt.
Lucas Barrios (zu seiner eigenen Situation): Ich habe noch viele Jahre Vertrag hier in Dortmund und was andere Leute über Wechsel oder sowas sagen, interessiert mich alles nicht.
(zu Shinji Kagawa): Er ist ein sehr guter Spieler, der immer mehr in die Mannschaft wächst. Und was er alles kann, hat man dann ja auch beim Tor gesehen.
Mats Hummels: Wir müssen das heute alles ganz nüchtern sehen, denn das war sicher nicht alles, was ManCity kann. Sicher ist das Ergebnis schön für uns, aber das ist jetzt nichts, was uns irgendwie groß weiterbringt.
Malte, 05.08.2010