Mord in der Bittermark - Gedenken an Heinrich Czerkus
Eines der traurigsten Kapitel der Vereinsgeschichte ist weder fußballerisch noch finanziell begründet gewesen: Nur wenige Tage vor Ende des zweiten Weltkriegs, im Frühjahr 1945, wurde Vereinswart Heinrich Czerkus von einem nationalsozialistischen Erschießungskommando umgebracht.
Es waren die ersten Frühlingstage, die in Dortmund, wie in vielen anderen Städten des dritten Reiches, noch einmal zahlreichen Menschen den Tod brachten. Zuvor, im Januar 1945, hatten Gestapo-Chef Heinrich Müller und SS-Führer Heinrich Himmler geheime Befehle an ihre Untergebenen erlassen, mögliche Staatsfeinde festnehmen und einer „Sonderbehandlung“ zukommen zu lassen. Ohne die bis dahin notwendigen Formalitäten und ohne entsprechende Gerichtsverfahren sollten die auf diese Weise Festgenommenen exekutiert werden.
Knapp 300 Menschen fanden so zwischen dem 7. März und dem 12. April 1945 allein in Dortmund den Tod. Unter ihnen auch Heinrich Czerkus (50), Vereinswart der Borussia und Kommunist, wie viele damals im „roten Norden“ Dortmund rund um den Borsigplatz - der Wiege des Ballspielvereins Borussia.
Schon in der Weimarer Republik war Czerkus von den Behörden
beobachtet worden. Im Jahre 1933, nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten, begann auch die Gestapo sich für den Kommunisten zu
interessieren. Czerkus war kurz zuvor noch als KPD-Mitglied zum
Stadtverordneten gewählt worden, durfte dieses Amt nach der
Machtergreifung Hitlers jedoch nie antreten. Stattdessen betätigte er
sich im Rahmen des kommunistischen Widerstands gegen das Regime. Er
fertigte und verteilte Flugblätter und bekam hierzu von BVB-Vorstand
August Busse sogar die Druckmaschine des Vereins zur Verfügung gestellt.
Auch alle Versuche, Czerkus habhaft zu werden, scheiterten zunächst an der Borussenfamilie. Der BVB selbst präsentierte sich in der Zeit des Nationalsozialismus weitgehend unpolitisch und veranlasste lediglich die nötigsten Anpassungen, die das Regime vom Verein forderte. Ansonsten vereinte die Borussia unter ihrem Dach nahezu alle politischen Strömungen. Zum Wohle ihres BVB arbeiteten sowohl NSDAP- und SA-Mitglieder, als auch Widerstandskämpfer wie Czerkus gemeinsam für ihren Verein. Aufgrund der zunehmenden Verfolgung von Heinrich Czerkus standen die Vereinsmitglieder den Nationalsozialisten später jedoch zunehmend kritisch gegenüber. Immer wieder wurde der Gesuchte von anderen Borussen beschützt, selbst Polizisten gaben den BVB-Offiziellen Hinweise, wenn beispielsweise der Borussia-Sportplatz „Weiße Wiese“ nach Czerkus durchsucht werden sollte.
Lange Zeit gelang es den Borussen auf diese Weise mit vereinten Kräften, Heinrich Czerkus vor der Gestapo zu schützen. Wenige Wochen vor Kriegsende jedoch endete sein Glück. Im Rahmen der so genannten Endphaseverbrechen der Nationalsozialisten wurde er in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar festgenommen und in die Gestapo-Wache Dortmund-Hörde verbracht.
Ab dem 7. März wurden die von Gestapo und SS erlassenen Befehle endgültig umgesetzt. Im Rombergpark, auf einer Waldlichtung in der Bittermark und auf einem Eisenbahngelände bei Hörde starben zahlreiche Zwangsarbeiter und Widerstandkämpfer in diesen letzten Kriegstagen durch die Kugeln der Erschießungskommandos.
Die letzten Erschießungen fanden am 12. April 1945 statt. Nur einen Tag später wurde Dortmund von amerikanischen Truppen besetzt. Heinrich Czerkus erlebte diesen Tag nicht mehr. Wie insgesamt etwa 300 andere Menschen war er zuvor Opfer der Exekutionen geworden. Das genaue Datum seiner Hinrichtung ist heute unbekannt.
Von den etwa 150 an den Exekutionen beteiligten Mitgliedern der Gestapo wurden nach Kriegsende lediglich 28 Personen angeklagt und 13 davon verurteilt. Die Haftstrafen betrugen zwischen zwei und acht Jahren, kein einziger Schuldspruch erging wegen Mordes oder der Beihilfe zum Mord. Der Großteil der Beteiligten blieb gänzlich unbehelligt.
„Wir unterstützen diesen Lauf, weil wir wollen, dass der Name und das Schicksal von Heinrich Czerkus im Bewusstsein der Menschen bleiben.“, so Thilo Danielsmeyer vom Fanprojekt. „Czerkus war als offizieller Funktionsträger ein Beispiel dafür, dass auch beim BVB selbst Widerstand gegen das NS-Regime geleistet wurde. Er war eben kein Mitläufer und war sogar bereit, für seine Überzeugungen zu sterben. Wir finden es wichtig, dass dieser Mut und dieses Schicksal nicht in Vergessenheit geraten.“
Auf Veranlassung des Fanprojekts erinnert seit diesem Jahr eine Gedenktafel im Stadion Rote Erde an Heinrich Czerkus und die Karfreitagsmorde.