Ich bin ein "Modefan"
Liebe schwatzgelb.de-User und BVB-Fans,
seit 09 Jahren begleitet schwatzgelb.de unseren geliebten Ballspielverein. Borussia hat uns allen viel gegeben, vielleicht mehr als es das Leben abseits des Fußballs vermocht hätte. Daher möchten wir dem BVB mit einigen ganz persönlichen Worten zum 100-jährigen Bestehen gratulieren. Nach den grandiosen Feierlichkeiten ergreift heute unser Christoph das Wort:
Es geschah im Sommer 1991 in meinem Sommerurlaub in Italien. Ich war neun Jahre alt, als mein Taschengeld auf ganze 10 Mark angehoben wurde. Mit gut gefülltem Portemonnaie- Oma hatte auch etwas zur Urlaubskasse beigetragen - stolzierte ich abends über die Strandpromenade. Wie jeden Abend lud die Promenade durch zahlreiche "Fressbuden" und Trödelmarktstände zum Schlendern ein. Tief in Gedanken versunken, welche Eissorten ich mir diesen Abend kredenzen sollte, stand ich auf einmal vor einem bunten Stand voller Fußball-Trikots und T-Shirts. In der Schule hatten viele meiner Freunde im Sportunterricht Fußball-Trikots an.
Als ich meinen Eltern - beide absolute Anti-Fußballer - den Vorschlag unterbreitete, mir auch ein Trikot zu kaufen, wurde der Vorschlag prompt abgelehnt. " Was willst du mit einem Trikot? Das trägst du doch eh nicht. Außerdem ist der Preis für diesen Stofffetzen viel zu hoch", waren die „Argumente“ meiner Eltern. Doch was mussten meine Augen an jenem Abend in Italien sehen?! Trikots zum Preis von 15 Mark! Der Wahnsinn! In meinen Gedanken sah ich mich schon mit meinem neuen Trikot in der Sporthalle den Bällen hinterher jagen. 15 Mark, das war genau der Preis, den ich bezahlen konnte. Doch eine nicht zu unterschätzende Frage blieb noch offen: Welches Trikot ist das schönste? Oder besser gesagt: Mit welchem Trikot würde ich am meisten auffallen? Die Auswahl war riesengroß und der Zeitdruck war immens. Ich musste das Trikot kaufen, bevor meine Eltern mich an diesem Stand finden würden und mir mit aller Macht den Kauf ausreden.
Doch wie so oft trifft man unter Druck die besten Entscheidungen. "Una Trikot BvB perfervore", oder Ähnliches muss ich damals gesagt haben, als ich auf das gelbe Trikot zeigte. Schnell gingen die hart ersparten 15 DM über den Tisch und ich bekam mein erstes BvB-Trikot in einer weißen Kunststofftüte in die Hand gedrückt. Meine Eltern waren über den Kauf nicht gerade glücklich, aber immerhin trug ich jetzt in der Sonne freiwillig ein Shirt, mein BvB-Trikot. Es war ein Kauf, der mein Leben drastisch verändern sollte. Beim Kauf des Trikots war mein Lieblingsspieler Pierre Litbarski und der spielte damals noch beim 1.FC Köln. Aber ein Trikot der Kölner war an dem Stand nirgends zu finden.
Ich hatte die Angewohnheit, neben den zahlreichen Panini-Alben auch jeden Zeitungsartikel - oder besser gesagt die Bilder - meiner Stars auszuschneiden und in einem Ordner zu sammeln. Noch im gleichen Urlaub kaufte ich mir eine Sportbild, da auf der Titelseite "mein" neues Trikot abgebildet war. Eine Zeitung mit so vielen Bildern, ein Traum für einen Sammler wie mich. Ich begann noch im Urlaub, alle Bilder mit "meinem" neuen Trikot auszuschneiden und zu sammeln.
Die Resonanz auf mein Trikot fiel im Sportunterricht anders aus als erwartet. "Iiiih! Scheiß BvB!" - Willkommen im blau-weißen Nest Dorsten! Trotzdem, ich mochte mein Trikot und entwickelte eine "jetzt erst recht Mentalität". Auf einmal interessierte ich mich auch für die Ergebnisse des Vereins und mir war sehr daran gelegen, dass die Mannschaft, die mit "meinem" Trikot auflief, auch gewann. Ebenso wurde es immer wichtiger, dass die Schlacker und Bauern verloren. So wurde die WDR2-Konferenz ein absolutes Highlight und fester Bestandteil des Samstagnachmittages. Meist saßen wir Jungen zusammen, spielten mit Lego und hörten nebenbei Fußball. Jeder hatte inzwischen seinen Lieblingsverein. Sieg oder Niederlage entschieden darüber, ob man sein Trikot unter der Woche zur Schule anziehen konnte oder nicht. Die Bedeutung von Erfolg oder Niederlage steigerte sich von Mal zu Mal. Die Ergebnisse standen auf einmal im Mittelpunkt des Interesses und entschieden darüber, wie die kommende Schulwoche beginnen sollte. Unsere Schulklasse war inzwischen in vier Lager gespalten: Bayern, Gelsenkirchener, Kölner und wenige Dortmunder. Mehr und mehr drehte sich alles um Fußball. Nach dem Trikot folgte ein Jahr später im Winter meiner erster Dortmund-Schal, den ich auch im Sommer trug.
Für einen Dortmund-Fan, der in einer blau-weißen Region aufwächst, sind die Einkäufe in Dortmund ein echtes Highlight! Erst recht, wenn Papa einen kleinen Schlenker über die Strobelallee macht, um seinem quengelnden Sohn eine Freude zu bereiten. Ich weiß noch genau, wie häufig ich das BvB-Emblem auf dem heutigen Infostand der Fanabteilung vor der Nordtribüne und die Geschäftsstelle fotografiert habe, von dem Stadion ganz zu schweigen.
Doch eines fehlte mir noch: Ein Stadionbesuch! Und genau das sollte ein riesiges Problem sein. Wie gesagt, meine Eltern waren nur schwer für Fußball zu begeistern. Hinzu kam, dass es fast unmöglich war, an Karten für das Westfalenstadion heranzukommen, erst recht für einen 13-Jährigen. Ich wünschte mir Karten zu Weihnachten, zu Ostern und zum Geburtstag. Vergebens!
Doch mein Nachbar, einer von wenigen Dortmund-Fans in Dorsten, sollte meine Rettung sein. An einem Donnerstagabend, klingelte es an unserer Tür. Nachdem er mit meinen Eltern gesprochen hatte, stellte er mir die Frage, ob ich Lust hätte, morgen Abend mit nach Dortmund zu fahren. Der BvB spielte gegen Kaiserslautern und er hätte noch eine Karte über. Wahnsinn! Die Nacht konnte ich nicht mehr schlafen. Der Morgen in der Schule wollte einfach nicht umgehen. Weihnachten und Geburtstag fielen auf einem Tag zusammen. Die ganze Hinfahrt, der Weg zum Stadion, alles sog ich in mich auf. Es war ein Gefühl, das man nicht mit Worten beschreiben kann, als ich die Flutlichtmasten aus der Ferne sehen konnte. Es passte einfach alles! Sommerabend, Flutlichtspiel und ein Sieg der Borussia am Ende des Abends. 90 Minuten können so kurz sein. Doch an diesem Abend war ich nicht nur begeistert von dem Sieg der Mannschaft, nein, vielmehr war ich fasziniert von der Südtribüne. Ich konnte mich kaum entscheiden wohin ich gucken sollte. Auf den Platz oder auf die Süd. Von jenem Abend an hatte ich nur ein Ziel: Ich will auch einmal auf der Süd stehen.
Die Meisterschaften 95 und 96 waren großartig und trugen sicherlich dazu bei, dass mein Herz sich schwatzgelb verfärbte. Doch mein Traum war es nicht, Deutscher Meister zu werden, sondern endlich regelmäßig auf der Südtribüne zu stehen, wenn da nicht dieses Kartenproblem gewesen wäre.
Mein größter Wunsch sollte 1997 in Erfüllung gehen, als ich meine erste Jugendstehplatz-Dauerkarte in den Händen hielt. Seither habe ich kein Heimspiel meiner Borussia im Westfalenstadion mehr verpasst. So hat mich ein 15-Mark-Trikot - ich behaupte noch heute, dass es ein Original-Trikot ist - zu einem Borussen gemacht.
Christoph, 21.12.2009