Die guten und die bösen Farben
Liebe schwatzgelb.de-User und BVB-Fans,
seit 09 Jahren begleitet schwatzgelb.de unseren geliebten Ballspielverein. Borussia hat uns allen viel gegeben, vielleicht mehr als es das Leben abseits des Fußballs vermocht hätte. Daher möchten wir dem BVB mit einigen ganz persönlichen Worten zum 100-jährigen Bestehen gratulieren. Von seinem Umweg zum BVB erzählt unser DvB:
Viele BVB-Fans verdanken es ja ihrem Vater, dass der seinen Sprössling zum richtigen Verein gelotst hat. Der Vater trug schon mit Stolz den BVB-Schal, der Sohn also auch. Bei mir war das ähnlich – und doch total anders. In meiner Familie gibt es außer mir keinen BVB-Fan, ich kenne jedenfalls keinen. Es gibt sowieso niemanden, der sich von Fußballergebnissen das ganze Wochenende versauen lässt, oder im Optimalfall wegen eines Sieges den ganzen Samstag und den Sonntag das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommt.
Mein Vater war Fußballfan, einen Profi-Verein supportete er nicht. Er mochte Amateurfußball. Und deswegen trieb ich mich schon als Kindergarten- und Grundschulkind auf Amateurplätzen rum und schaute mir Oberligafußball an, das war damals die dritthöchste Spielklasse.
Durch berufliche Verbindungen hatte mein Vater ein Faible für den DSC Wanne-Eickel. Sein Arbeitgeber war irgendwann in den 70ern der Hauptsponsor des Vereins. Also ging er immer hin. Auch als die Firma schon gar nichts mehr mit dem Verein zu tun hatte, trafen sich dort immer noch alle Angestellten und schauten, was der DSC so vollbrachte. Irgendwann nahm er mich mit, ich war vielleicht gerade mal sechs Jahre alt.
Ich war sofort fasziniert. Während andere Kinder das ganze Spiel sich mit allem außer Fußball beschäftigten und lieber über die Tribüne tobten, ging ich ganz nah nach vorne an den Zaun. Ich presste mein Gesicht durch die Gitterstäbe, kein Millimeter Metall sollte meinen Blick aufs Spielfeld trüben. Bei Gegentoren ärgerte ich mich maßlos, bei Toren riss ich die Arme hoch und blickte sofort freudestrahlend zu meinem Vater, der mit seinen Arbeitskollegen einige Reihen über mir stand. Sie jubelten verhaltener, sahen aber ebenso zufrieden aus wie ich.
Ich wusste, dass mein Vater viele Spieler persönlich kannte. Deswegen hielt sich der Glamourfaktor in Grenzen. Trotzdem waren die Spieler für mich Helden. Die Stars des Teams hießen damals Norbert Rothe und Norbert Lücke. Der eine war ein Mittelstürmer mit der Frisur von Paul Breitner, der andere war ein waschechter Zehner, der das Spiel aus dem Mittelfeld lenkte. Und der DSC Wanne-Eickel spielte – in schwarz-gelb.
Das waren für mich die guten Farben. Schon als ich noch gar nichts mit dem BVB zu tun hatte, hatte ich einen schwarzgelben Schal. Allerdings mit DSC-Emblem. Mit Stolz trug ich beim Kicken mit den Kumpels das gelbe DSC-Trikot mit den schwarzen Adidas-Streifen, dazu die schwarze Hose mit den gelben Streifen und die gelben Stutzen mit dem schwarzen Umschlag.
Zweimal im Jahr war mein Vater besonders nervös vor dem Spiel. Da ging es gegen Westfalia Herne. Und obwohl wir sehr nah am Westfalia-Stadion wohnten – mein Vater wuchs sogar direkt gegenüber auf – bekam ich beigebracht, dass das nun das wichtige Derby sei, das der DSC unbedingt gewinnen müsse. Also war auch ich entsprechend nervös. Dann kamen die Spieler auf den Platz. Ich sah meine schwarzgelben Helden, direkt daneben dann der Feind. Westfalia Herne – die liefen in blau-weiß auf den Platz. Das waren von nun an für mich die bösen Farben. Ich fand sie irgendwie hässlich, die Trikots des DSC Wanne-Eickel dagegen wunderschön.
Jeden Samstag schaute ich natürlich auch die Sportschau. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es da nur jede Woche um Bayern München gegen HSV ging. Ich hielt – man möge es mir verzeihen – zu den Bayern. Ein Onkel von mir erzählte mir immer von seinem Lieblingsverein aus Gelsenkirchen. Ich zuckte nur mit den Achseln. Es beeindruckte mich nicht. Außerdem spielen die in blau-weiß, das geht nun mal gar nicht.
Irgendwann sah ich dann eine Mannschaft in schwarz-gelb auf dem Bildschirm. Wie toll, dachte ich. Endlich mal ein Verein, der auch in schwarzgelb spielt. Was zunächst pure Sympathie war, entwickelte sich langsam. Ich erzählte meinem Vater davon. Und der hatte dann eine Hammergeschichte für mich parat. „Weißt Du, warum das Stadion vom BVB so anders und so viel schöner aussieht, als die anderen Bundesligastadien?“, fragte er und erzählte weiter, dass die Firma, für die er als Ingenieur arbeitete – eben jene, die der Hauptsponsor des DSC Wanne-Eickel war - , das Westfalenstadion zur WM 1974 mitgebaut hätten. Der DFB hatte für seine WM-Stadien geplant, dass eine Tartanbahn dazu gebaut wird. Es sollten Leichtathletikstadien sein. „Die Stadt Dortmund hat sich aber geweigert und wollte ein reines Fußballstadion“, sagte mein Vater. Der DFB habe dann gesagt, dass dann das Westfalenstadion kein WM-Stadion werde. Der Stadt sei das egal gewesen und habe das Stadion trotzdem bauen lassen. Und als der DFB das fertige Produkt sah, seien die Offiziellen begeistert gewesen und haben es doch zum WM-Stadion gemacht. So erzählte es mir mein Vater. Ich war mal wieder beeindruckt. Er sprach immer davon, dass „wir“ (er meinte damit seinen Arbeitgeber) das Stadion gebaut hätten. Irgendwie ist es also folgendermaßen: Mein Vater hat das Westfalenstadion gebaut, ich fülle es mit Leben.
Mein Fandasein für den BVB wuchs immer mehr. Jürgen Wegmann machte in der 90. das 3:1 gegen Fortuna Köln, das dritte Relegationsspiel gewann Dortmund mit 8:0. Totale Begeisterung. Und irgendwann sagte dann mein Vater: „Wenn Du jetzt so sehr Fan bist, dann gehen wir mal zu einem Spiel ins Stadion.“
Am 26. August 1987 war es dann so weit. Ich betrat zum ersten Mal das Westfalenstadion. Es ging gegen Borussia Mönchengladbach. Mein Vater hatte versucht, Sitzplätze zu kriegen. Es war aber ausverkauft. „Ich hab noch Stehplätze gekriegt“, sagte er. Klingt heute komisch, war aber damals so. Die Sitzplätze waren ausverkauft, Stehplätze waren noch zu kriegen. Also direkt auf die Südtribüne. Das Spiel ging 1:1 aus, ich hab auch keine besonderen Erinnerungen mehr daran. Es war halt ein völlig normales Bundesligaspiel. Und trotzdem ist es der Grundstein für meine Stadionkarriere, die bis heute anhält. Und die Einordnung in gute und in böse Farben ist auch noch genauso gegeben. Mein Vater hat mich also, ohne dass er es wollte und ohne, dass es ihm bewusst war, zum BVB gebracht, wofür ich ihm immer dankbar sein werde.
DvB, 27.12.2009