Showdown in Stellingen
Liebe schwatzgelb.de-User und BVB-Fans,
seit 09 Jahren begleitet schwatzgelb.de unseren geliebten Ballspielverein. Borussia hat uns allen viel gegeben, vielleicht mehr als es das Leben abseits des Fußballs vermocht hätte. Daher möchten wir dem BVB mit einigen ganz persönlichen Worten zum 100-jährigen Bestehen gratulieren. Von seinem ersten BVB-Spiel erzählt unser Felix:
Ich war ja gleich mehr so der Allesfahrer. Obwohl unweit des Westfalenstadions aufgewachsen, sah ich mein erster BVB-Livespiel im Hamburger Volksparkstadion. Damals lockten noch nicht Reeperbahn und Astra in die Hansestadt - so frühreif war ich als Neunjähriger nicht. Der Grund war simpel: In den 80ern waren Auswärtskarten oft leichter zu bekommen als Tickets für die Heimpartien der Schwarz-Gelben. Weil Südtribüne, Kult und so.
Den Besuch bei der Hamburger Verwandtschaft hatten wir schnell hinter uns gebracht, jetzt sollte es endlich zum Stadion gehen. Schon damals fand ich den schier endlosen Weg von der Bahn-Haltestelle bis zum Stadion irgendwie befremdlich. Vor allem, weil überall nur HSV-Anhänger unterwegs waren. Mit Stadion- und Fan-Ritualen noch gänzlich unvertraut, umklammerte ich die Hand des großen, starken Vaters etwas fester, als um uns herum gebrüllt, geschubst und getrunken wurde. Meine kleine BVB-Fahne befand sich zum Glück in einem schwarzen Jutesack und ich achtete verkrampft darauf, dass sie bitte nicht herausgucken möge. Was würde dieser offenbar gewaltbereite Mob wohl mit mir anstellen, wenn er den gelben Stoff erblickte? Besser nicht drüber nachdenken.
Irgendwie kamen wir lebendig nach 23 Kilometern Fußmarsch am Stadion an. Das Gefühl, das ich bekam, als wir die Tribüne betraten, werde ich nie vergessen. Diese Energie, die mir entgegenschlug. Die vielen Menschen, die Stimmen, die Fahnen. Das hier war etwas ganz Großes - und es fühlte sich so ganz anders an als Fußball im Fernsehen. Diese Energie spüre ich auch heute noch oft, wenn ich ein Stadion betrete. Ans Spiel kann ich mich kaum noch erinnern, Statistiker werden es sicher noch total präsent haben. Jedenfalls ging der HSV in Führung, in mir brach eine Welt zusammen. So wie es Nick Hornby in Fever Pitch beschreibt – ich war Niederlagen nicht gewohnt. Wie auch, ich war ja nicht einmal Stadionbesuche gewohnt.
Borussia schoss noch den Ausgleich, ich holte endlich meine kleine Fahne aus dem Beutel und schwenkte sie stolz und todesmutig inmitten der HSV-dominierten Haupttribüne. Zu meiner großen Verwunderung bestand die Reaktion der Umsitzenden nicht aus Becherwürfen und Beschimpfungen in meine Richtungen. Die Menschen lächelten. Da lernte ich eine wichtige Lektion. Fans sind gar nicht immer so böse, wie ihr Gebrüll vermuten lässt. Und Haupttribünensitzer erst recht nicht. Beseelt schwebte ich nach Abpfiff zur Bahnstation, die Fahne wanderte zur Sicherheit wieder in ihren Beutel. Nicht verloren, juhu. Und dann diese Energie erlebt. Dabei war das Volksparkstadion mit ziemlicher Sicherheit längst nicht ausverkauft gewesen.
Ach ja, abends spazierten wir am Hamburger Hauptbahnhof vorbei, dort hatten wir unser Hotel. Auf dem Vorplatz krachte es noch gewaltig zwischen HSV- und BVB-Fans und der Polizei. Die Menschen schrien dabei, wie sie es zuvor im Stadion getan hatten. Meine zuvor gelernte Lektion verwässerte sich etwas. Und ich war froh, meine Fahne nicht mehr dabeizuhaben.
Felix 18.12.2009