Verliebt in eine 100-Jährige
Liebe schwatzgelb.de-User und BVB-Fans,
seit 09 Jahren begleitet schwatzgelb.de unseren geliebten Ballspielverein. Der BVB hat uns allen viel gegeben, vielleicht mehr als es das Leben abseits des Fußballs vermocht hätte. Daher möchten wir dem BVB mit einigen ganz persönlichen Worten zum 100-jährigen Bestehen gratulieren. Heute ist unser Sascha mit seiner persönlichen Liebeserklärung an der Reihe:
Nein, nein – keine Panik. Es handelt sich hier weder um einen Gastautorenbeitrag für SAT1-Britt, noch hüpft hier gleich „Grüß Euch“- Olli Geissen auf die Bühne. Es geht um Fußball, um den schönsten Sport der Welt. Wahrscheinlich ist er deshalb so faszinierend, weil er das eigene Leben widerspiegelt. Mal für längere Zeit auf der Sonnen- und mal auf der Schattenseite. Mal kann man machen, was man will – der Erfolg bleibt einem verwehrt, weil ein Anderer falsche Entscheidungen trifft. Die Parallelen zum Leben abseits des Stadions sind groß und jeder kann sich in diesem Spiel wiederfinden. Auch der Weg, wie man zu „seinem“ Verein findet, ist dem einer normalen Liebesbeziehung nicht unähnlich. Und so habe ich zu „meiner“ nun schon 100-jährigen Traumfrau im Fußball gefunden.
Ganz, ganz früher wollte ich von Fußball nichts wissen. Wenn Papa am Samstagabend die Sportschau einschaltete, habe ich mich lieber im Kinderzimmer mit Lego-Steinen und sonstigem Spielzeug vergnügt. Aber mit der Zeit wuchs die Erkenntnis, dass es da noch etwas gab. Etwas viel Aufregenderes und Spannenderes. Und wie mir ging es vielen Jungs um mich herum. Erste zaghafte Versuche in der Grundschule mit einem Tennisball auf Schulhof. Von Fußball war das noch weit entfernt, eher Rumgebolze. Aber das Interesse war da. Zu dieser Zeit hatten die Fohlen aus Gladbach noch einen Restglanz ihrer ruhmreichen Tage behalten und ich war nicht der Einzige, der ein kleines bisschen für sie schwärmte. Wie man eben auch anfing zu merken, dass die Eine oder Andere in der Klasse doch irgendwie ganz niedlich ist. Natürlich nichts Ernstes und auf keinen Fall etwas Dauerhaftes, aber der erste Schritt war getan. Im weiteren Verlauf versuchte mich dann Verwandtschaft aus Norddeutschland mit „ihrer“ Werder zu verkuppeln. Dauerkarte natürlich und die Gartenlaube in grün-weiß tapeziert und ich war um eine Erkenntnis reicher: Manche schwärmen nicht nur, sondern sie gehen einen Schritt weiter und lassen den Verein zu einem wichtigen Teil ihres Lebens werden. Bei einem Wochenendbesuch nahmen sie mich dann mit. Schon die Spielpaarung zeigt, dass das eine kleine Ewigkeit her ist. Werder Bremen gegen die Stuttgarter Kickers – Erstligafußball wohlgemerkt. Es gab ein deutliches 6:0 und ich war hin und weg. Diese vielen Menschen, der Jubel, das war beeindruckend und ich war zum ersten Mal ein kleines bisschen verliebt. Das muss so um 1987/1988 herum gewesen sein.
1989 spielte meine erste Liebe dann im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund. Obwohl nur knapp 50 Kilometer von dieser Stadt entfernt, hatte ich den BVB eher als Randnotiz wahrgenommen. Das sollte sich während des Spiels aber gewaltig ändern. Zuerst war ich verärgert über den Spielverlauf. Das war gar nicht der von mir erwartete Ablauf mit einem lockeren Sieg. Bis zum Abpfiff schlug das allerdings in Verzückung um. Diese Spielweise, dieser Wille der Männer in den schwarzgelben Ringelsöckchen hatte mich tief beeindruckt. Und zum ersten Mal lernte ich, wie das ist, wenn die Liebe wieder geht. Die kleine grün-weiße Mütze, die mein Großonkel mir bei diesem Spiel gegen die Kickers geschenkt hat, wanderte in den Schrank – und wurde auch nie mehr hervorgeholt. Etwas anderes hatte den Platz in meinem Herzen eingenommen. Erst nur zögerlich und vorsichtig und nicht so Knall auf Fall wie bei dem Verein, über den ich später nur noch abfällig als „Fischköppe“ denken würde. Ich war bei weitem nicht der einzige, der die Borussia toll fand. So dauerte es bis 1993 bis ich meiner Flamme zum ersten Mal wirklich begegnete. Heimspiel gegen Bayern München. Freitagabend, Flutlicht und ein 3:1 Sieg. Auf einer Südtribüne, auf der jeder einen festen Platz hatte und man mich bis ganz vorne durchschob. Zuerst ein Eindringling und dann ein Teil dieser gewaltigen, brodelnden Masse. Das war es. Keine „Kreuze an: Ja, Nein, Vielleicht“-Spielchen mehr. Ich hatte meine fußballerische Traumfrau gefunden.
In den folgenden Jahren konnten wir uns leider nur sporadisch treffen. Ihre „Wohnung“ war prall gefüllt und meine Taschengeldreserven arg begrenzt. Wenn dann allerdings mal jemand aus der Schule nicht hin konnte und mir die schmalen Geldreserven es erlaubten, ging ich hin. Auch diese Zeit hatte ihren Reiz, weil es jedes Mal wie Ostern und Weihnachten zusammen war. Ein richtiger Festtag, wenn ich sie zu Hause besuchen durfte und das Erlebnis war an diesen Tagen immer größer als das Ergebnis, das nach 90 Minuten auf der Anzeigetafel aufleuchtete. Auch bei einer Niederlage war der Frust deutlich kleiner, als wenn ich die Spiele zuhause im TV oder am Radio verfolgt habe.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie in Zeiten des scheinbaren Wohlstandes ihre Wohnung vergrößerte und ich dann komplett zu ihr gezogen bin und meinen eigenen Platz bei ihr hatte. Der Einzug verlief eigentlich komplikationslos, weil viele der üblichen „Beziehungsprobleme“ ausblieben. Zum Beispiel „ihr“ bisheriger Freundeskreis. Durch sie habe ich viele nette, lustige und auch positiv verrückte Menschen kennengelernt, die mich aufgenommen haben und mit der Zeit auch meine Freunde wurden. Auch dafür möchte ich ihr vielmals danken. Ohne sie hätte ich all diese Menschen wohl nie getroffen.
Was soll ich sonst noch sagen? Die Beziehung hat bis heute gehalten. Schlechte – sogar verdammt bittere – Zeiten hat sie überstanden, aber auch viele gute mit sich gebracht. Manchmal hat man sich sogar heimlich gefragt, ob das alles noch sinnvoll ist und wirklich für immer halten wird. Und letztendlich war, und darüber bin ich wirklich froh, die Antwort immer „Ja“.
Und jetzt wird unsere Borussia 100 Jahre alt. 100 Jahre, aber sie ist immer noch verdammt sexy. Vielleicht ist sie in den letzten Jahren wieder etwas ruhiger geworden. Sie geht nicht mehr so häufig auf große Partys und auch weite Ausflüge ins Ausland sind eine Seltenheit geworden, aber es gibt immer noch unheimlich viele Momente, in denen man sie bewundernd anschaut und sich denkt: „Das findest du nur hier und bei keinem anderen Verein der Welt“.
Herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum 100. Geburtstag, Ballspielverein Borussia Dortmund 09. Und das ist noch lange nicht das Ende...
Sascha, 16.12.2009