Bummel über den Transfermarkt
„Aki", ruft Susi laut durch die Wohnung, „mach dich feddich, wir gehen auf den Transfermarkt, muss dringend einkaufen!" Mürrisch pellt sich Aki aus dem großen Ohrensessel und stellt die Bierpulle auf den Tisch. „Muss das jetzt sein? Hab gerade hier so schön Schwimm-WM auf Eurosport laufen." Susi schüttelt nur mit dem Kopf, schaltet den Fernseher aus und macht Aki mit unmissverständlicher Miene klar, dass er gefälligst jetzt die Puschen in die Ecke zu stellen und das Portemonnaie einzustecken hat.
„Boah, die Patte quillt gerade über, schön dick Kohle drin!" ruft Aki, als er in den VW-Kombi steigt und den Motor anlässt. „Wieso nehmen wir nicht den schicken Zweisitzer, den uns der Thomas nach seiner Entlassung hier gelassen hat?", fragt Susi. Aki guckt nur verächtlich. „Nee, in die Karre passt doch nix rein. Mit dem Kombi können wir schön die Ware direkt nach Dortmund transportieren."
Am Transfermarkt angekommen der erste Schock. „Hier sind ja tausend Stände. Und die ganzen Marktschreier sind ja nicht zum Aushalten", meint Susi. Wohin also? „Erstmal zum Bundesligastand, Susi." Aki schaut sich die Ware genau an. „Einen Pantelic haben die hier anzubieten. Kann dat wat?", fragt Aki. „Aber mein Herr, natürlich kann der was", sagt der Standbesitzer und lächelt. „Ganz pflegeleicht, gut zu handhaben und bietet maximalen Erfolg bei minimalem Aufwand. Greifen Sie hier bei mir zu, dann können Sie sich sicher sein, dass Sie keinem Betrüger auf den Leim gehen." Der Marktschreier lächelt zufrieden und deutet breit grinsend einen Torschuss an. „Was sagst Du, Susi?" Der grübelt schon die ganze Zeit und zieht Aki zur Seite. Leise sagt er: „Ich ruf mal eben meinen Kumpel Didi an, der gerade in Berlin geschasst wurde. Der hat Erfahrung mit Pantelics." Aki soll den Marktschreier ablenken. Mit gewinnendem Lächeln geht er auf den Standbesitzer zu und fragt: „Und wie läuft das Geschäft so?" Der antwortet zufrieden: „Och ganz gut. Angeblich soll so ein Kölner heute hier sein, der soll an allem, was einen Namen hat, interessiert sein." Aki wird neugierig: „Wer? Wolfgang Niedecken?" „Ne", sagt der Marktschreier des Bundesligastands. „Hat einen ganz abgefahrenen Namen, konnte ich mir nicht merken." Und fügt an: „Aber wat is denn nu mit dem Pantelic? Der hält sich nicht ewig." In diesem Moment kommt Susi zurück. „Du, Aki, äähh, ich hab ganz vergessen, dass der Jürgen heute Namenstag hat. Wir müssen noch ein Geschenk kaufen." Sagt es und zieht Aki weg.
„Watt is denn mit Dir los? Ist Dir ein Mikrofon bei der PK aufn Kopp gefallen?", fragt Aki. „Nein", sagt Susi. „So, ein Pantelic macht nur Ärger, sagt der Didi. Wenn er läuft, macht er super Arbeit, aber sobald er mal länger ausgestellt ist, kriegst Du den kaum wieder an." Die Worte saßen, Aki hat genug gehört. Susi hat aber noch einen Geheimtipp. „Die Berliner meinten, wir sollten uns unbedingt einen Voronin zulegen. Dafür müssen wir aber an den englischen Stand gehen." Also nix wie hin.
„Hello, Gentlemen. This is the Transfermarktstand of the English Premier League" werden die beiden begrüßt. Aki ringt nach korrektem Englisch. „Here, you have doch hier so ne Voronin." „Ah, Voronin, yes, very good. You want to test him?" Aki guckt verzückt. „Den können wir erst testen? Sauber." Der englische Standbesitzer baut ein Tor auf, stellt zwei Abwehrspieler hin und wirft den Voronin an. Der macht zwei kurze Dribblings und zieht direkt ab in den Winkel. „Der ist gekauft, oder?" Susi guckt noch skeptisch und fragt: „What about the Preis, the Kohle, sir?" Der Engländer lächelt: „No Problem, it's not much." Und nennt eine Zahl, bei der Susi und Aki erstmal die Gesichtszüge entgleiten. „Alter, geht's noch?", brüllt Aki los und will dem Standbesitzer direkt an die Gurgel. Susi zieht ihn weg vom Stand.
Plötzlich greift eine Hand nach Aki und zieht die beiden in eine dunkle Seitengasse. Aki und Susi beäugen den sonnengebräunten Mann mit schmieriger Langhaarfrisur argwöhnisch. „Hey, ich hab da ein echtes Juwel für Euch. Einen Peruaner namens Pizarro" flüstert er den beiden zu. Aki und Susi schauen sich an. „Sach ma, irgend woher kenne ich doch" erwidert Aki. Susi schlägt sich mit der Hand an die Stirn und antwortet sofort: „Natürlich. Dich hab ich doch letztens in Bremen gesehen. Kannst du dir keinen Berater mehr leisten, Claudio, oder warum verhökerste dich selbst?" Verschämt guckt Pizarro zu Boden. „Gibt gut Kohle, aber wenn ich das bei anderen mache, soll das strafbar sein." Aki und Susi drehen sich um und geben Hackengas.
Weiter geht's. Plötzlich schreit Susi: „Achtung, guck mal da. Der Meier." Beide verstecken sich hinter einem Fischstand. Der Besitzer guckt etwas verdutzt, fragt aber nicht nach, warum die beiden hinter den Heringen und Barschen kauern. „Ach, das ist also der ominöse Kölner", sagt Aki. „Lass mal gucken, was der macht." Meier bewegt sich geradewegs zu auf Rudis Resterampe. Aki und Susi vergraben ihr Gesicht hinter eine aufgeschlagene Printausgabe von schwatzgelb.de, in die sie zwei Löcher gerissen haben. So sehen sie genau, was Meier macht. Der sagt: „Was wollt ihr für den Maniche haben, 1 Mio.? Gebongt." Der Kölner will wissen, was sonst noch da ist. Anscheinend gute Angebote. Er telefoniert. „Aber das ist doch kein Problem, Wolfgang. Wir verpfänden einfach die Transferrechte vom Poldi an Dieter Bohlen, verkaufen die Gegentribüne des Stadions an Roger Federer, leihen uns Geld vom Scheich Abdullah, der so günstige Konditionen anbot und verkloppen noch unsere Pokale an Stefan Raab, der ist da schon lange scharf drauf, und schon ist dieser Eusebio finanziert."
Aki und Susi sind erstaunt. „Der kauft ja im großen Stil ein. Wenn da mal nicht ein bestelltes Feld vorbereitet wird", lachen beide. Sie geben sich zu erkennen. „Hi Micha, sollen wir schon mal Rollstühle für Deine Spieler in der Umkleide bereit halten?" Susi und Aki lachen sich kaputt und gehen weiter.
Sie gehen zum polnischen Stand. Aki wird ganz hektisch: „Ey, wo ist mein Auto?" Dann lacht er laut und schubst den Standbesitzer aus Polen an: „War n Scherz, Kollege." Aki wird ernst: „Sag mal, ihr habt doch hier einen Lewandowski. Was wollt ihr für die Bohnenstange haben?" Der Pole lächelt: „Hauptsächlich Geld." „Haha, toller Scherz", sagt Aki. „Wieviel Geld." Der Pole grinst: „So viel, wie er kostet." Und lacht. Aki wird leicht sauer. „Sehr witzig. Was kostet er denn?" Jetzt kann sich der Pole kaum noch halten. „Na, hauptsächlich Geld, würde ich sagen." Aki brüllt: „Wieviel denn?" Und bekommt als Antwort: „Das, was er eben kostet." Susi zieht Aki weg: „Komm schon, der hat heute offensichtlich mit Peter Lustig geduscht." Beide gehen weg. „Vielleicht hätte ich den Anfangsscherz nicht machen sollen, Susi?", fragt Aki. „Ja, den hättest Du Dir echt verkneifen können", antwortet Susi. „Aber war doch trotzdem gut, oder?" Aki setzt ein Gesicht auf, als wenn er Bestätigung erwartet. „Ja, war super, Aki", sagt Susi gelangweilt.
Ab zum französischen Stand. „Bonjour, der Herr", sagt Aki. „Pack mal aufn Tisch, wat de da hast." Der Franzose sagt: „Einen Klasnic, den kennt ihr doch. Wir geben zu, mit ihm waren wir nicht so glücklich, aber mit deutschem Strom soll er perfekt laufen." Aki guckt Susi an: „Hmm, der ist doch eigentlich ganz gut, oder?" Susi überlegt: „Ja, der soll aber schon mit Ersatzteilen laufen." Aki: „Kein Problem. Aber dürfen wir noch mal überlegen, Francois?" Der Franzose lächelt: „Ich heiß zwar Pierre, aber sie können sich das Geschäft gerne noch mal durch den Kopf gehen lassen."
Aki guckt Susi frohlockend an. Er hat eine Idee: „Wir lassen uns jetzt echt mal watt durch den Kopf gehen. Und zwar ein ordentliches Pils und n dickes Zigeunerschnitzel mit Pommes." Sie gehen in ein chilenisches Steakhouse. „Buenos Dias, ey, Garcon, mach ma zwei Zigeuner mit Kartoffelstangen feddich. Aber pronto!" schreit Aki. Und Susi ruft hinterher: „Und vergiss den Bölkstoff nicht. Aber 0,5er, wir sind nicht zum Spass hier!" Nach zehn Minuten steht das Fleischprodukt verzehrfertig auf dem Tisch, daneben ein Herrengedeck. Mit einem langen Zug ist das Pils weg, Korn hinterher. „Ey, lass nochmal die Luft hier raus", ruft Aki. Und beide machen sich über die Schnitzel her.
„Hat es den Herren gemundet?", fragt der Kellner. „Wie meinen?", fragt Aki zurück. „Ob es geschmeckt hat, will er wissen", klärt Susi auf. „Klar", ruft Aki. Nun wird der Kellner ernst und deutet an, ihm zu folgen: „Mein Chef, Senor Javier de Pardoleno, will Sie dringend sprechen." Susi und Aki folgen dem Kellner in ein riesiges Büro. „Guten Tag, mein Name ist de Pardoleno und ich bin Chilene." „Interessant", sagt Aki. „Ich bin der Aki und ich bin Borusse. War's das jetzt?" De Pardoleno wedelt mit den Armen: „Nein, ich möchte ihnen etwas vorschlagen. Wir haben hier einen Barrios, den können Sie kaufen." Susi und Aki gucken sich verdutzt an: „Wat is dat? Wer braucht dat?" „Das ist ein Supergerät", klärt der Chilene. „Argentinische Spitzenqualität, läuft bei uns auf höchsten Touren, könnte das auch in Europa schaffen." Susi guckt skeptisch. „Was kann der denn so?" Der Chilene guckt ganz freudig: „37 Tore in 38 Spielen." Aki guckt verärgert. „Wir haben nur 34 Spiele. Wieviel Hütten macht der dann?" De Pardoleno setzt sein breitestes Grinsen auf: „33 Tore." „Her damit!" rufen Aki und Susi gleichzeitig. „Was soll das kosten?" Aki nestelt am Portemonnaie. „6 Millionen US Dollar" bekommt er als Antwort. Aki schaut verdutzt: „Bitte was?" Susi geht dazwischen: „Wir haben hier keine Dollar, guter Mann. Tun es auch Euros?" Der Chilene guckt skeptisch: „Also gut. Wieviel habt ihr da?" Aki knallt alle Scheine auf den Tisch. „Hier, 4,5 Millionen Euro, das ist mein letztes Angebot. Und da sind die Schnitzel und Pilsetten auch mit drin!" Der Chilene streckt die Hand aus, sagt „Ok."
Aki und Susi schlendern über den Transfermarkt. „War doch ganz gut, oder? Mal sehen, was der Jürgen dazu sagt." Beide gehen in Richtung Ausgang. „Hömma Susi, gehen wir zur Feier des Tages noch ins Kreuzviertel? Ich hab ordentlich Bierdurst." „Klar", antwortet Susi. „Ich ruf den Jürgen und den Reinhard auch noch an. Heute geben wir mal richtig Gas, nicht so wie letztens bei der lahmen DFB-Feier." Aki guckt zufrieden. „Mann, war das ein gutes Geschäft. Und der Meier steht bestimmt noch an der Resterampe und versucht, ein paar holländische Europameister von 1988 zu verpflichten." Beide lachen laut und machen sich vergnügt auf den Weg ins Kreuzviertel.
DvB, 24.07.2009