Pro/Contra Kevin-Prince Boateng
In der Winterpause wurde er von Tottenham Hotspurs ausgeliehen und mit ihm der Ruf eines zwar schwierigen Charakters aber auch eines genialen Zockers. Jetzt nach einer Spielzeit, die mehr Tiefen als Höhen für Kevin-Prince Boateng bereit hielt, steht Borussia vor der Frage: Weiterverpflichten oder nicht? Die Meinung unter den Fans ist gespalten und so beleuchten wir beide Sichtweisen der Akte "KPB".
Pro
Schauen wir doch mal auf Kevin Prince Boateng. Mit gerade mal 22 Jahren hat er wohl mehr Tiefen in diesem Geschäft ausloten können, als manch gestandener Profi. Richten wir den Blick eben nicht auf die Boulevard-Geschichten und auf seinen von zahlreichen Tattoos verzierten Körper, sondern auf den Menschen dahinter. Dieser, so versteigerte sich Marcel Reif nach Boatengs Tritt gegen Hasabe, sei nicht sozialisierbar. Er spiegelt damit die einhellige Expertenmeinung der Gilde um Beckenbauer, Thon & Co wider. Boateng wuchs in einem „Problembezirk“ im Berliner Norden auf, fand den Weg zum Fußball und wurde für 8 Millionen von Hertha zu den Tottenham Hotspurs transferiert. Saß dort auf der Bank, trennte sich von seiner Frau. Und suchte hier in Dortmund seine letzte Chance. In seinem ersten Interview im Trainigslager sagte KPB: „Wer mit Klopp nicht klar kommt, hat selber ein Problem“. Und fügte an: „Ich will beim BVB meinen Ruf verbessern“. Letzteres gelang dem größten Mittelfeld-Talent im deutschen Fußball bislang nicht. Dafür bot die oben skizzierte Biographie zu viele Angriffspunkte. Angriffe gegen die sich Boateng auf dem Feld zu Wehr setzen wollte, meist gelang es ihm, in einige Situation nicht.
Zweifelsohne ist der Berliner ein Heißsporn, aber einer, der mit einem Pass ein Spiel entscheiden kann. Der neben Tacklings auch spielerisch zu überzeugen weis. Wie er nicht zuletzt im Spiel gegen den KSC mit seinem Traumpass auf Frei unter Beweis stellte. Einer, der sich aber auch eine Menge Druck macht, wohlwissend, dass Dortmund seine letzte Chance im großen Fußballgeschäft sein könnte. Dazu der schier unermessliche Druck für den „Bad Boy“ der Liga. Aufgebaut von den feinen Premiere-Experten, die stets um ein sauberes Spiel bemüht sind – solange es für sie zum Vorteil gereicht und es nicht ihre eigenen Spieler (Ribery, Rafinha) betrifft.
Ein Spieler unseres aktuellen Kaders durfte in jungen Jahren eine ähnliche Phase durchlaufen. Ein unbedachter Tritt hier, ein überflüssiger Schubser dort, ein paar unbedarfte Äußerungen in Richtung der Presse. Innerhalb weniger Wochen kam der damals 23jährige auf eine Gesamtsperre von 11 Wochen. Der damals 23jährige ist heute Kapitän der Borussia und hört auf den Namen Sebastian Kehl. Auch sein Spiel ist von einer latenten Grundaggression geprägt, er ist in fast jedem Spiel von einer Karte bedroht. Doch kann er damit in entscheidenden Situationen Signale setzen. Und genau dieser Kehl redet nun, so hört man, in höchsten Tönen von Boateng.
Zwei Szenen: Boateng verlässt gegen Wolfsburg den Platz. Er weiß genau: Jetzt geht die Hetzjagd wieder los. Jürgen Klopp drückt den verzweifelten Boateng an seine Brust. Zeigt ihm, wir schützen Dich. Vier Tage später nach dem 6-0 gegen Bielefeld. Boateng kommt in Zivil auf den Platz. Schlägt mit jedem einzelnen Spieler ab, wieder ist es Klopp, der den „Prinz“ innig umarmt. Mit Klopp, um auf das Ausgangszitat zurück zu kommen, kommt „KPB“ klar. Nach der Umarmung schnappt er sich ein T-Shirt und zieht es über. „Danke für die geile Zeit!“, stand dort geschrieben. Es wäre zu wünschen, dass er sich im nächsten Jahr wieder ein Shirt vor der Südtribüne anziehen kann. Dann im Tausch gegen eine durchschwitztes Trikot.
Nur die Ablösesumme von 5 Millionen spricht gegen Boateng. Weichen die Spurs nur ein Stück weit von ihr ab, sollte der BVB zugreifen. Spieler wie KPB sind in der Bundesliga rar gesät.
Contra
Schenkt man den Medienberichten Glauben und liest ein wenig zwischen den Zeilen, so zeichnet es sich nach dem Wolfsburg-Spiel recht deutlich ab: Kevin-Prince Boateng wird wohl nicht bei Borussia Dortmund bleiben. Und das ist eigentlich auch ganz gut so.
Die aktuellen Modalitäten des Ausleihgeschäfts haben eine Weiterverpflichtung über das Saisonende hinaus von Beginn an nicht gerade begünstigt. Geschätzte fünf Millionen Euro müsste der BVB demnach an Tottenham zahlen, wollte man sich die Dienste von Boateng längerfristig sichern. Deutlich zu viel für jemanden, der in der Premier League nicht einmal auf der Bank saß und auch in einem halben Jahr in Dortmund zumindest nicht zum Stammspieler wurde. Es müsste also nachverhandelt werden, wenn man „KPB“ unbedingt weiterhin im schwarzgelben Trikot sehen will.
Doch will man das wirklich? Zweifelsohne ist Boateng ein begnadeter Fußballer, dessen Können in den letzten Partien dann und wann aufblitzte, und der durchaus das Können besitzt, sich in der Mannschaft langfristig fest zu spielen. Dass der Wille dazu da ist, ist von der ersten Partie an unübersehbar. Doch das Engagement, das Boateng auf den Platz bringt und das seine Spielweise zweifelsohne beliebt beim Publikum macht, tendiert immer wieder auch zur Übermotivation und zu einer Spielweise, die nicht nur Gegenspieler, sondern auch das eigene Team gefährdet.
Es soll an dieser Stelle nicht über Boatengs Gangster-Image geredet werden und nicht über die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft. Mit dem Geschehen auf dem grünen Rasen hat beides nur am Rande zu tun. Doch eben auf dem Grün sorgte „der Prinz“ zuletzt ebenfalls für negative Schlagzeilen. Der Tritt ins Gesicht von Wolfsburgs Hasebe war zweifelsohne keine Absicht. Wer mit derartig hohem Bein in den Zweikampf geht, nimmt die Möglichkeit solch eines Geschehens aber mindestens billigend in Kauf. Und es ist bei weitem nicht die einzige derartige Szene gewesen. Auch im Derby durfte Boateng froh sein, nach dem Foul an Kristajic nicht vom Platz zu fliegen.
Genau dieser Balanceakt zwischen hart geführtem Zweikampf und Platzverweis samt längerer Sperre zieht sich bereits seit Jahresanfang durch das Spiel unserer neuen Nummer 22. Bereits in den ersten Partien staunte so mancher Fan auf der Tribüne über die Tacklings des Neuzugangs. In die Bewunderung mischte sich aber auch damals schon die Befürchtung, dass eine derartige Spielweise zwangsläufig die eine oder andere Sperre nach sich ziehen würde. Die Spielstatistik bestätigt die Befürchtungen: Elf Pflichtspiele absolvierte Boateng für den BVB, lediglich vier davon über 90 Minuten, Kartenbilanz: vier gelbe Karten und eine rote, alle 107 Minuten eine Karte.
Auf Dauer schadet so etwas der Mannschaft, und die finanzielle Situation des BVB dürfte es letztlich kaum hergeben, für teures Geld einen Spieler zu verpflichten, bei dem stets das Risiko einer Sperre mitschwingt. Das ist schade. Hätte Boateng es geschafft, Aggressivität und Einsatz auf dem Platz besser zu kanalisieren, wäre er angesichts der fußballerischen Fähigkeiten zweifelsfrei eine sinnvolle Verstärkung.
Es ist jedoch kaum zu erwarten, dass Tottenham bereit ist, Boateng für unter einer Million Euro freizugeben. Dann wäre das Risiko ausreichend gering und man könnte sich eine Weiterverpflichtung durchaus überlegen. Realistischer ist jedoch eine Forderung von mindestens 2 bis 3 Millionen Euro. Und in diesem Fall ist das Risiko schlichtweg zu groß.
Steph (Pro) / Arne (Contra), 26.05.2009