Under construction
Dieses Schild könnte man beim BVB momentan an die Eingangstür hängen. Zwar wird der Umbau schon seit einigen Jahren propagiert, aber endlich hat unsere Borussia mal einen Handwerker engagiert, der Ahnung vom Fach hat und sich ebenso eifrig wie erfolgversprechend ans Werk begibt. Die Rede ist von Jürgen Klopp und seinem mittlerweile stark veränderten Kader.
Die Fluktuation innerhalb des Kader ist für das erste Halbjahr seiner Tätigkeit imposant. Aus dem Kader der letzten Saison sind mit Petric, Wörns, Degen, Klimowicz, Kruska, Brzenska, Federico und Amedick gleich acht Spieler - mal mehr, mal weniger freiwillig - nicht mehr dabei. Zudem würde man beispielsweise bei Antonio Rukavina auch nicht lange grübeln, wenn sich noch ein Interessent für ihn finden würde. Dafür findet man mit Hajnal, Zidan, Lee, Owomoyela, Subotic, Santana und zuletzt Boateng gleich sieben neue Gesichter auf dem Mannschaftsfoto. Derartig tiefgreifende personelle Änderungen ist man von der Borussia zwar gewohnt, allerdings eher von der aus Gladbach. Die Mannschaft wird also grundlegend restauriert.
Nicht der erste Versuch innerhalb der letzten vier Jahre, aber diesmal sind die Chancen auf einen Erfolg ungleich höher. Bert van Marwijk fehlte das Geld, Jürgen Röber die Zeit und Thomas Doll so ziemlich alles, um den Kader zu formen und umzugestalten. Nun betätigt sich Jürgen Klopp also in Personalunion als Abrissbirne und Maurermeister. Auffällig hierbei ist, dass sich Zu- und Abgänge auf alle Mannschaftsteile erstrecken. In der Vergangenheit wurden mal der Sturm, mal das Mittelfeld und mal die Verteidigung als große Schwachstelle auserkoren und verstärkt in diesen Bereichen ausgebessert. Mit dem Erfolg, dass in der Folgesaison die Schwächen in einem anderen Mannschaftsteil auftraten und der Kader im Laufe der Zeit in sich absolut nicht zueinander passend gestaltet wurde.
Dieses Denken in Mannschaftsteilen ist unter Klopp endlich einer ganzheitlichen Sichtweise gewichen. Schon in der Verteidigung wird darauf geachtet, dass die Defensivkicker schnell und ballsicher agieren können. Im Mittelfeld hat der deutlich agilere Tamas Hajnal seinen Mannschaftskameraden Federico im Handumdrehen auf die Bank gedrängt, mit Kevin-Prince Boateng wurde ein schneller und technisch beschlagender Spieler ausgeliehen, der unter anderem Florian Kringe Dampf machen dürfte. Im Sturm hat Klopp mit Kuba und Neuzugang Zidan zwei Spieler mit ähnlichen Attributen installiert.
Hier hat endlich Sinn und Verstand in die Transferpolitik Einzug gehalten. Ein Trainer mit einer klaren Vorstellung eines Spielsystems und einer Spielweise und einem klaren Anforderungsprofil an die Spieler. Wer dieses Profil nicht erfüllt, wird aussortiert und ersetzt. Hilfreich für Klopp ist dabei sicherlich die große Reputation, die er genießt. Man vertraut seinen Fähigkeiten im taktischen Bereich und im Umgang auch mit schwierigeren Charakteren. Addiert man die ihm entgegen gebrachten Sympathien hinzu, hat man endlich einmal wieder einen starken Übungsleiter statt einer „lame duck" auf der Trainerbank sitzen. Egal ob Spieler oder sportlicher Leiter, momentan dürfte es jeder schwer haben, der sich dem Trainer und seiner Marschroute öffentlich widersetzt.
Der Erfolg dieser Umbaumaßnahmen stellte sich für viele überraschend schnell bereits in der Hinrunde ein. Das Auftreten der Mannschaft gibt endlich wieder Grund, sich auf einen anstehenden Fußballsamstag zu freuen. Man sieht, um mal eine der abgedroschensten Journalistenphrasen überhaupt zu verwenden, deutlich die Handschrift des Trainers. In mehr als einem Spiel durften wir einen disziplinierten Defensivverbund und dem Willen zu schnellen, direkten Offensivspiel bewundern. Natürlich war nicht alles perfekt und schön anzusehen, aber der Aufwärtstrend ist unverkennbar. Kurz gesagt: endlich wird auf dem Rasen wieder Fußball geboten, statt einer 90-minütigen Foltersession.
Der Erfolg ist dabei nicht nur sicht- sondern auch zählbar. Platz 6 in der Hinrundentabelle, respektable 29 Punkte und enger Kontakt zu den Europapokalplätzen. Letzteres diesmal nicht aufgrund schwächelnder, sondern trotz stark aufspielenden Konkurrenten.
Bis jetzt läuft alles nach Plan. Sogar mehr als das. Klopp der Baumeister ist nach momentanen Stand dem Zeitplan der Kernsanierung voraus und sie ist mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen. Es wird auf jeden Fall spannend bleiben, wie sich die Mannschaft weiter entwickelt. Wird sie in der Rückrunde den Aufwärtstrend bestätigen können? Und wie läuft die weitere Planung auch angesichts der Tatsachen, dass mit dem gekippten TV-Vertrag, dem durch die Finanzkrise geringer als erhofft ausfallenden Ausrüstervertrag und den zu befürchtenden Rückgängen im Hospitalitybereich die Finanzplanung für die nächsten Jahre nach unten korrigiert werden dürfte?
Fragen über Fragen - aber mittlerweile kann muss man sich nicht mehr vor den Antworten fürchten.