Siegesserie (Die Piaffe mit 10,0)
Kennt ihr das von früher? Ein langweiliger Sonntagnachmittag. Man lag entspannt auf der Couch und in der Sportreportage um 17:05 Uhr versuchte ein weltgewandter und sonorer Pferdeflüsterer, uns in die Feinheiten des Dressursports einzuweihen. Verstanden habe ich den guten Mann nie, diese sonntägliche Wartezeit auf die erste Zweitligabegegnung gegen 17:30 Uhr hat sich mir allerdings eingebrannt.
Die Piaffe
Die Piaffe bezeichnet eine Lektion der hohen Schule. Die Piaffe ist eine trabartige Bewegung auf der Stelle oder mit maximal einem Hufbreit Raumgewinn.
Ich glaube, so langsam dämmert mir jetzt nach Jahren, was der Pferdefreund damals gemeint haben könnte.
Der Samstag gegen den HSV
Ein Vorgeschmack auf dieses Spitzenspiel gab es bereits in Münsterland und Ostwestfalen. Restlos überfüllte Regionalzüge und an jedem Knotenpunkt (Bielefeld, Hamm) hunderte HSV Fans. Am Dortmunder Bahnhof ein identisches Bild. In Richtung Innenstadt, Westfalenpark und Stadion strömten gegen 13:30 Uhr Tausende HSV Fans durch Dortmund.
Das Westfalenstadion sollte an diesem Nachmittag also bis auf den letzten Platz ausverkauft sein. Zu Beginn ein mehr als feierlicher Rahmen für dieses Spitzenspiel. Man hatte allerdings schon zu Beginn den Eindruck, als hätte das Pokalaus unter der Woche die Hamburger Euphorie gewaltig eingetrübt. Man feierte auf der Nordtribüne zwar optisch recht ansprechend, aber so richtig wollte der Funken in den eigenen Reihen nicht überspringen.
Auf dem Spielfeld allerdings gaben die Hanseaten in den ersten 20 Minuten ganz klar den Ton an. Der HSV kam oft spielerisch, immer wieder über die rechte Seite (Pitroipa), in die Nähe des Dortmunder Strafraums. Dort machte sich dann in der ersten Halbzeit das Fehlen von Petric und Olic (wurde zu Beginn der zweiten Halbzeit in der 46. Minute eingewechselt) bemerkbar. Wirklich zwingend wurden die Aktionen aber nicht abgeschlossen.
Borussia konnte dann in der Folgzeit den Respekt mehr und mehr ablegen und fand immer besser ins Spiel. Neven Subotic scheiterte nach 22 Minuten lediglich an der Latte, Nelson Valdez setzte kurze Zeit später einen schicken Seitfallzieher denkbar knapp neben Rosts Tor.
Einige Zeigerumdrehungen weiter dann in der 32. Minute das 1:0 durch Sebastian Kehl. Durch die Beine von Frank Rost, nach einem Traumpass von Nuri Sahin. Mit dieser verdienten Führung ging es in die Kabine. Die Mannschaft hatte sich nach einem starken Hamburger Beginn gesteigert und in ihr Spiel gefunden.
Die zweite Hälfte bot dann nicht mehr den guten Fußball des ersten Durchgangs. Der HSV wirkte gehemmt und kraftlos. Die strapaziöse Spielzeit des HSV, der Tanz auf drei Hochzeiten, forderte ihren Tribut. Das war ohne Durchschlagskraft, ohne zündende Ideen. Trochowski und auch Olic bleiben ohne kreative Leistungsnachweise.
Der BVB verlagerte sich auf die Kontrolle des Spiels und versäumte es, bei den sich bietenden Konterchancen, für eine frühere Entscheidung zu sorgen. So mussten die Zuschauer in der 80. Minute noch den Schreck einer Hamburger Riesenchance überstehen, bevor Alex Frei in der 89. Minute mit einem Strafstoß (Foul an Boateng, kann man geben) für das erlösende 2:0 sorgte. Der fünfte Sieg in Serie. Von der Südtribüne - und auch von großen Teilen der Südost-, Südwest-, Osttribüne - frenetisch gefeiert. Das war dann mal das richtig pralle Leben. Eine ausgelassen tanzende Mannschaft vor der Süd und ein Trainer, der immer wieder aufgefordert wurde, sich doch bitte vor der Südtribüne zu zeigen. („Ohne Trainer gehen wir nicht nach Haus, ohne Trainer gehen wir nicht nach Haus.")
Dieser letzte Wunsch der Fans an diesem Nachmittag sollte dann um kurz nach 17:30 Uhr auch noch in Erfüllung gehen. Perfekt.
Aber wie muss man diesen Nachmittag einordnen? Fünfzehn Punkte aus den letzten fünf Spielen. Mehr geht nicht, mehr kann die Mannschaft nicht leisten. Man spielt im Moment richtig guten Fußball und hat hoch gewettete Teams wie Leverkusen, Hoffenheim und Bremen distanziert. Wir sollten einfach schauen, wer uns unter Umständen noch von oben entgegenkommt. Das ist im Moment unser einziges Luxusproblem. Den Plätzen 3, 4 und 5 hat man sich bis auf fünf Punkte genähert. Da oben sind noch Kandidaten, die nicht immer gefestigt wirken. Der HSV wirkt überspielt (Trochowski), angeschlagen (Petric) und ausgelaugt (Olic), die Bayern torkeln ohne jede Orientierung durch die Spitzengruppe der Liga. Das werden noch spannende Wochen.
Die Diskussionen und Rechnereien bleiben uns also erhalten.
Stimmen zum Spiel
Jürgen Klopp
In der ersten halben Stunde haben wir gesehen, wie gut der HSV Fußball spielen kann. Wir haben uns aber dann gefangen und sind mit einem Traumtor in die Pause gegangen. Auch in der zweiten Hälfte hat der HSV nicht so nachgelassen. Das haben wir aber auch nicht erwartet. Da waren nur drei Spieler auf dem Platz, die am Mittwoch wirklich über 120 Minuten gegangen sind, alle anderen wirkten doch recht fit. Wir mussten unsere Konterchancen besser spielen. Für die Zuschauer war der Treffer in der 90. Minute natürlich schön. Das war heute auch ein Ergebnis unserer harten Arbeit. Vor dieser prächtigen Kulisse hat das natürlich richtig Spaß gemacht.
„Herr Klopp, fünfzehn Punkte aus den letzten fünf Spielen. Trotzdem geht es in der Tabelle nicht richtig nach oben. Trübt das ihre Stimmung heute etwas?"
Nein, überhaupt nicht. Man wird nicht immer sofort belohnt. Der Fußball ist doch ein Spiegelbild des Lebens. Wer hart arbeitet, der wird belohnt. Früher oder später. Nein, das macht uns im Moment keine Sorgen. Wir arbeiten weiter, wir versuchen weiter zu punkten. Am Ende schauen wir mal wie die Belohnung aussieht.
„Herr Klopp, wie beurteilen sie die überraschende Entwicklung von Nuri Sahin? Der ist in den letzten Wochen ja richtig gut."
Nuri? Den würde ich mal gern wieder etwas aus dem Fokus nehmen. Ich kann mich an 3-4 Nuri-Interviews in den letzten Tagen erinnern. Lasst den Nuri einfach mal Fußball spielen. Das kann er nämlich richtig gut. Darauf sollte er sich konzentrieren. Natürlich, er macht unser Spiel in Verbindung mit Sebastian Kehl auch variabler. Aber das soll es auch schon gewesen sein.
"Herr Klopp, sie wurden minutenlang von den Fans gefeiert. Wie fühlt man sich dabei?"
Sehr angenehm (lacht). Aber es ist noch etwas anderes als in Mainz. Dort war ich 18 Jahre. Da kannte ich ja fast jeden persönlich. Das muss jetzt auch nicht jede Woche sein. Belohnt und gefeiert werden sollte lieber die Mannschaft. Ich muss da jetzt nicht immer rausgehen. Feiert doch lieber fünf Minuten länger mit der Mannschaft. Die hat sich das verdient.
Martin Jol
Komisch. Wir haben verloren. Trotzdem muss ich meiner Mannschaft ein Kompliment machen. Wir waren nicht platt. Im Gegenteil, die Mannschaft war gerade in der ersten Halbzeit sehr gut drauf. Später wurde es dann für Dortmund leichter. Das 2:0 in der 90. Minute kann man vergessen. Wir hatten kurz davor eine riesige Chance zum Ausgleich. Das Ergebnis hätte uns dann hier in Dortmund schon gefallen. So muss ich Dortmund einfach gratulieren: Gut gemacht.
Die übliche Statistik
29. Spieltag: Dortmund - Hamburg
Schiedsrichter: Kempter
Zuschauer: 80.552 (ausverkauft)
Ecken: 4:5
Abseits: 4:1
Gelbe Karten: 4 gelbe Karten für den HSV (Jaromlim, / J. Boateng, / Olic / Mathjsen)
Torschüsse: 11:10
Tore:
1:0 Kehl (33.) (Traumpass Nuri Sahin)
2:0 Frei (90.) Elfmeter (Boateng im Strafraum gefoult, kann man geben)
Die meisten Ballkontakte:
BVB:
Owomoyela (72)
Hamburg:
J. Boateng (87)
Die Zweikampfstärksten:
BVB:
Owomoyela (84%)
Hamburg:
Aogo (73%)
Der BVB in der Kurzbenotung:
01 Weidenfeller: Verlebte einen recht ruhigen Nachmittag. Die Riesenchance der Hamburger wirkte sehr unübersichtlich. Das mag man ihm nicht ankreiden. Eine glatte 3.
04 Subotic: Gemeinsam mit Santana der Abräumer. Was die beiden allein in der Luft abgeräumt haben. Ab und an sogar wieder mit Zug zum Tor (Lattentreffer). Das ist einer der positiven Nebenaspekte der Siegesserie. Auch Neven blüht wieder auf. Daher eine 2.
17 Dede: Nicht sein bestes Spiel. Wirkte in der Vorwärtsbewegung fahrig und unkonzentriert. Einige starke Szenen haben wir aber doch gesehen -3,5.
25 Owomoyela: Unglaublich viele Ballkontakte. Zweikampfstark. Wenn man das mit anderen Auftritten zu Beginn der Rückrunde (Leverkusen) vergleicht, dann hat Owo einen Riesenschritt in die richtige Richtung gemacht. Eine völlig verdiente 2.
27 Santana: Das wird unsere neue Perle. Waren wir zu Beginn mit Kritik nicht gerade sparsam, wollen wir nach diesem Nachmittag auch mit Lob nicht geizen. Das war richtig gut und dafür gibt es folgerichtig eine 2.
05 Kehl: Sein Treffer war schon Extraklasse. Der Frank genießt in Dortmund ja einen gewissen Sonderstatus.... und dann dieser Tunnel. Klasse und 2,5.
16 Kuba: Wirkte seltsam gehemmt. Spielte mehrere Situationen nicht aus, gewann kaum Zweikämpfe auf seiner Seite. Wie schon in Bochum - Kuba läuft seiner Form noch deutlich hinterher. Daher hier nur eine 4.
23 Sahin: Die Vorbereitung zum 1:0 hatte schon was. Ein Teil des Eintrittsgeldes geht auf diesen Ball. Momentan konstant gut und das ist eine 2.
30 Hajnal: Nicht sein Nachmittag. Ging während des gesamten Spiels etwas unter - 4.
09 Valdez: Eigentlich wie immer, nur heute halt ohne Traumtor. Die Standing Ovantions während seiner Auswechselung zeigen, dass er gemeinsam mit der Serie endgültig in Dortmund angekommen ist. Diese Spielweise honoriert man in Dortmund und von uns gibt es dafür eine 3.
13 Frei: Eiskalt in der 90. Minute zum 2:0. Das mag zwar nicht sonderlich spektakulär sein, aber für genau solche Situationen brauchen wir einen fitten Alex Frei. Und weils sich so schön reimt, bekommt der Frei eine 3.
Die Auswechselspieler:
Tinga: Manche Aktionen in seinen knapp 20 Minuten muss er einfach ordentlicher und zielstrebiger abschließen - 3,5.
Boateng: Eher unauffällig. Schön allerdings die Situation, mit der er den entscheidenden Elfmeter herausholt. Das gibt dann eine 3.
Zidan: Mit 12 Minuten Spielzeit nicht wirklich zu bewerten.
Die Fotostrecke zum Heimsieg gegen den Hamburger SV findet Ihr unter diesem Link.
geschrieben von Rolf