Spielbericht Profis

Hey, das geht ab! Wir feiern die ganze Nacht!

05.04.2009, 00:00 Uhr von:  Redaktion
Hey, das geht ab! Wir feiern die ganze Nacht!
Der Jubel auf Borussenseite war groß

Frühlingsbeginn in Deutschland, traumhafte 22° mit schier endlosem Sonnenschein – rund 10.000 Dortmunder hatten sich auf den Weg in die Hauptstadt begeben, um bei schönstem Fußballwetter endlich wieder einen Sieg feiern zu können. Das Olympiastadion war zum ersten Mal in dieser Saison ausverkauft, dazu grüßte Hertha von der Tabellenspitze – kein Wunder also, dass auch die Stimmung in der Ostkurve trotz elendiglich nerviger und unerträglich lauter Beschallung aus den Boxen bestens war. Ideale Voraussetzungen also für ein großartiges Fußballfest.

Ein großer Teil der mitgereisten Borussen war schon am Freitag nach Berlin gefahren, um das Berliner Nachtleben zu genießen und eine solide Grundlage für das bevorstehende Meisterstück zu schaffen. Doch widmen wir uns zunächst dem sportlichen Teil: Borussia war stark ersatzgeschwächt nach Berlin gereist, neben Verletzungssorgen machten auch Tingas Sperre und das Fragezeichen um Tamas Hajnal die Mitnahme von vier Amateurspielern notwendig. Auf Seite Herthas wollte uns Andrey Zorronin (Gruß und Dank an die Berliner Boulevardpresse für dieses Wortspiel) trotz Nasenbeinbruchs das Fürchten lehren, ansonsten konnte Trainer Lucien Favre weitestgehend aus dem Vollen schöpfen.

Gottseidank war auch hier für einige Kuriositäten gesorgt: Berliner Fans, die Schwenkfahnen und Doppelhalter offen und alleine durch die S-Bahn spazieren tragen, weibliche Fans im rot-weißen Mainzer Outfit (Kloppos Ähnlichkeit mit Knuddelchen Robbie Williams ist nicht zu leugnen!) und Dortmunder Fans, die das Wort Mülleimer-Humba mit ganz neuer Bedeutung versahen. Da wollte auch der Stadionsprecher nicht zurückstehen und informierte uns darüber, dass selbst Peter Fox den Weg ins Stadion gefunden hatte (ohne jedoch aufzulösen, was man mit diesem Wissen nun hätte anstellen sollen).

Support im Gästeblock

Leider nicht im Stadion sein konnten die Atzen, die ein Konzert in einer anderen Stadt geben mussten. Sie ließen jedoch Grüße ausrichten (Danke und Gruß zurück!). Ihr Ohrwurm Song „Hey, das geht ab!“ wurde dennoch gespielt, die Ostkurve tobte vor Glück und brüllte die Meisterschaftsambitionen gleich mehrfach ins weite Rund. Auch wenn ich mit diesem Verein und erst recht mit seinen Farben nicht so wirklich warm werden will, war das ein schicker Anblick und über weite Strecken des Spiels eine saugute Stimmung. Muss man fairerweise ja auch mal erwähnen.

Beide Mannschaften legten engagiert los, doch Borussia kam zunächst deutlich besser ins Spiel – immer etwas schneller am Ball als der Gegner, spritziger und bissiger, wusste vor allem der erst kurz vor dem Spiel fitgespritzte Tamas Hajnal zu überzeugen. Nach toller Vorarbeit von Alex Frei hatte Hajnal dann in der 8. Minute auch die erste Großchance des Spiels – leider legte er den Ball jedoch mutterseelenalleine vor Jaroslav Drobny stehend knapp links am Tor vorbei. Der hätte sitzen müssen!
Hertha kam hingegen nicht so richtig aus den Puschen. Obwohl Leonardo Dede immer und immer wieder mehrere Meter von Voronin entfernt stand, konnten die Gastgeber ihren Spitzenspieler nicht in Szene setzen – zu sicher stand das Dortmunder Mittelfeld, in dem Nuri Sahin einen richtig guten Tag erwischte und Tinga würdig zu vertreten wusste. Auch der viel gescholtene Patrick Owomoyela konnte heute positiv auf sich aufmerksam machen – an einen sehr schönen Ballgewinn schlossen sich in der 16. Minute ein sehenswerter Sprint (!) und eine tolle Abgabe an, die Nelson Valdez jedoch nur wenige Meter vor dem Tor stehend verstolperte.

Kuba spielte von Beginn an

Etwas besser wurde es wenige Augenblicke später: Die Ecke Hajnals erreicht einen Dortmunder Kopf (Owomoyela oder Santana?), findet von dort aus seinen Weg in Richtung Tor und kann von Drobny gerade noch an den Pfosten gelenkt werden. Nun ging es immer näher in Richtung Kasten und immer zielstrebiger in Richtung Führungstreffer – heute sollte schließlich das Glück erzwungen werden!

Wie gut diese Dortmunder Mannschaftsleistung bislang war, wurde in allen Mannschaftsteilen deutlich: Roman Weidenfeller stand zu jeder Zeit sicher in seinem Kasten, die Abwehr ließ den Herthaner Offensivkräften nur wenig Spielraum zur Entfaltung, das Mittelfeld stand ließ dem Gegner kaum eine Möglichkeit zum Durchkommen und vorne stand Alex Frei mal wieder goldrichtig. In der 25. Minute hatte er einen Fehler der Berliner Abwehr erahnt und sich in deren Rücken davon geschlichen – am linken Strafraumeck konnte er den Ball in Ruhe annehmen und Drobny mit einem Linksschuss überwinden.

Das freute nicht nur die Fans, sondern auch Trainer Jürgen Klopp: „Alex hat den Ball diesmal nicht richtig getroffen, aber dennoch ein ganz tolles Tor geschossen. Er ist ein ganz wichtiger Spieler für unsere Mannschaft und hat das heute wieder unter Beweis gestellt.“ Schnurstracks marschierte Frei in Richtung Gästekurve und bedankte sich beim Dortmunder Anhang für die tolle Unterstützung der letzten Wochen. Nur zwei Minuten später – Borussia spielte rotzfrech auf das 2:0 – zog Frei dann wieder die Blicke auf sich: Kuba hatte Frei sehenswert in Szene gesetzt, der marschierte rechts durch und lief mit Ball der gesamten Berliner Hintermannschaft davon – leider erreichte seine Flanke weder Hajnal noch Valdez, sonst hätte das schon die Entscheidung gewesen sein können.

Torjubel zum 1:0 durch Alex Frei

Stattdessen wachte nun Hertha auf. Die erste gute Chance nach einer halben Stunde vergab Patrick Ebert, als er einen Freistoß aus gut 30 Metern knapp über das Tor setzte. Zwei Minuten später sah Owomoyela in aller Seelenruhe dabei zu, wie sein Gegenspieler durch den Strafraum lief und den Ball zwei Meter vor dem Tor stehend auf Cicero ablegte – hätte der den Ball nicht so armselig vertändelt, wäre das der Ausgleich gewesen. Bei der anschließenden Ecke machte Cicero es dann besser: einfach mal voll abgezogen und Weidenfeller zur Glanzparade gezwungen, das war schon so etwas wie ein Weckruf. Glück hatte Borussia dann auch noch einmal, als der Ball wie beim Billard durch den Strafraum flog – Owomoyela machte seinen Fehler dann auch wieder gut und lenkte den Ball mithilfe seiner Körpermitte ins Toraus. Autsch.

Es hatte sich nun ein richtig gutes Bundesligaspiel entwickelt: Kuba eroberte immer wieder den Ball und suchte Hajnal, auf der Gegenseite kam Voronin immer besser ins Spiel und konnte nur durch Kehls beherzten Einsatz am Ausgleich gehindert werden. Schiedsrichter Weiner gab trotz Berliner Proteste keinen Elfmeter (zu Recht), offensichtlich war das Glück also wirklich einmal auf unserer Seite. Dennoch drehte Hertha jetzt richtig auf: In der 37. Minute zwang Voronins Gewaltschuss aus 20 Metern Weidenfeller zur nächsten Glanzparade, Dortmund blieb nur über Konter im Spiel.

Owomoyela konnte doch spielen

In der 40. Minute hätte der Ausgleichstreffer dann fallen müssen: Eine Ecke Eberts landet bei Rodnei, der ungestört aus 6 Metern zum Kopfball ansetzt und nur die Unterkante der Latte trifft. Das 1:1 wäre nicht mehr unverdient gewesen, doch ging es mit der hauchdünnen Führung in die Kabinen. Beide Mannschaften hatten ihren Siegeswillen deutlich gezeigt und ihren Teil zu einem echten Spitzenspiel beigetragen, das den Funken auf die Tribünen überspringen ließ. Das Marathontor erlebte dann auch einen Anflug von grenzenloser Ästhetik: Oberkörper frei war angesagt und Frühlingsgefühle keimten auf. Abermals erwies sich die Feststellung aus Thannhausen als richtig (Dortmund ist komplett viel zu fett!), stören wollte sich daran aber niemand. Is Fußball, is Urlaub!

Die zweite Halbzeit begann wieder etwas verhalten. Hertha kam langsam etwas besser ins Spiel, agierte aber zögerlich abwartend. Borussia wollte nach dem Berliner Sturmlauf der letzten Viertelstunde etwas defensiver herangehen und das 1:0 so gut wie möglich verteidigen, um dann in einem der vielen Konter den Sack zumachen zu können.

Letztlich war es dann die 54. Minute, in der das 1:1 fiel. Zu phlegmatisch stand die Dortmunder Defensive Spalier für Raffael, der sich problemlos gegen 6 Borussen durchsetzen und zwei Meter vor dem Tor in aller Seelenruhe abschließen konnte. Weidenfeller war chancenlos, die Ostkurve kehrte ins Spiel zurück und der Gästeblock war geschockt. Sollte es nun eine Tracht Prügel des Tabellenführers geben? Oder noch viel schlimmer, das nächste 1:1? Weder noch: Dortmund kehrte putzmunter ins Spiel zurück, während Hertha wieder die Rolle des Verteidigers übernahm. Waren die Berliner wirklich mit einem 1:1 zufrieden? Es schien fast so.

Sebastian Kehl bejubelt das 2:1

In der 61. Minute kam dann die Zeit für Dede. Zunächst verhinderte er mit einer beherzten Grätsche einen Berliner Angriff auf der rechten Abwehrseite, eine halbe Minute später setzte er 30 Meter halblinks vor dem Berliner Tor Sebastian Kehl mit einer tollen Flanke in Szene – Kehl nahm die Einladung Herthas an und köpfte zum 1:2 an, ein geiles Tor zum absolut richtigen Zeitpunkt! Der Gästenblock drehte nun völlig durch und verpasste der Heimkurve die Retourkutsche für den ein oder anderen Schmähgesang. Laut wurde nun das Lied der Berliner geschmettert und der alten Dame so richtig in den Hintern getreten: „Hey, das geht ab! Wir versau'n euch die Meisterschaft!" – das hatte gesessen!

Trainer Klopp lobte beide Spieler für deren Einsatz. „Wir wissen alle, was Dede für eine Granate ist – da müssen wir uns nicht drüber unterhalten. Viel wichtiger ist es, dass er so schnell wieder in die Mannschaft gefunden hat und wieder Verantwortung übernimmt. Er hatte die meisten Ballkontakte und 80% seiner Zweikämpfe gewonnen, das war schon stark. Trotzdem kann er noch viel mehr, wir haben Dede also nicht an Oberkante gesehen. Bis dahin braucht er einfach noch Zeit. Was Kehl angeht, sollte er eigentlich unser defensivster Mittelfeldspieler sein. Das ist absolut notwendig, weil Kuba so offensiv ausgerichtet ist und wir sonst überhaupt keine Absicherung nach hinten hätten. Dass er sich dennoch einschalten und so stark nach vorne spielen konnte, zeigt, was für eine tolle Mannschaftsleistung wir heute ablieferten. In dieser Phase kam Hertha überhaupt nicht mehr zur Entfaltung.“

Valdez zeigte sich wie immer sehr kämpferisch

Das sah Favre recht ähnlich. Mit einem Dreifachwechsel setzte er in der 67. Minute voll auf Offensive, hatte wenig später auch fast Erfolg: der eben eingewechselte Pantelic hatte den Ball mutterseelenalleine an der Grundlinie quergelegt – Weidenfeller war bereits geschlagen, das Leder rollte einen halben Meter vor der Torlinie entlang, doch Raffael kam einen Schritt zu spät. Wiederum nur wenig später hätte erneut der Ausgleich fallen müssen: Weidenfeller war aus dem Tor gelaufen und konnte nicht zurück, drei Berliner standen frei im Dortmunder Strafraum. Subotic roch den Braten und stellte sich auf die Torlinie, Raffael bekam freistehend den Ball, schoss aufs leere Tor und zielte dabei etwas zu schlecht – Subotic klärte mit dem Kopf in allerhöchster Not und ein zweites Mal im Nachsetzen aus dem Strafraum.

Der Dortmunder Anhang feierte nun im Wissen, dass hier nun wirklich nichts mehr schief gehen könne, den Sieg – Hertha wirkte paralysiert und ergab sich nun ihrem Schicksal. So verwunderte es kaum, dass in der 82. Minute Nelson Valdez das 1:3 erzielen konnte – Drobny ließ einen Schuss von Sahin nur abprallen, Valdez passte auf, setzte nach, eroberte den Ball und schob ihn an Drobny vorbei ins Tor! Eine tolle Leistung vom Paraguayer und vom ungarischen Spielgestalter zuvor, die wiederum Klopps Gnade fanden: „Tamas Hajnal war die Woche über nicht besonders fit, bekam erst kurz vor dem Spiel die Erlaubnis anzutreten. Dr. Braun hat da ein kleines Wunder vollbracht – keine Ahnung, was er da getan hat, aber er hat es richtig gut getan. Dass Tamas dann auch den absoluten Willen hatte und unbedingt spielen wollte, war die Voraussetzung für seinen Einsatz. Er hat dann auch ein tolles Spiel abgeliefert. Nelson wird dagegen häufig kritisiert und wir wissen alle, dass er lange nicht der perfekte Stürmer ist. Das ist aber nicht ganz so wichtig – er kennt seine Fehler und setzt alles daran, besser zu werden. Nelson ist wie ein trockener Schwamm: wir kippen eimerweise Wasser über ihn drüber und er saugt es in sich auf. Hoffen wir, dass er so weitermacht.“

Jubel nach Abpfiff

Hertha war nun endgültig geschlagen und bemühte sich um Schadensbegrenzung. Für Borussia ging es auf der anderen Seite um das Sammeln von Selbstvertrauen – es wurde munter auf das 4:1 gespielt, ein Treffer für die Galerie und das Torverhältnis wollte aber nicht mehr fallen. So fand das Spiel wiederum mit einer Kuriosität ein Ende, als uns Poborsky Irgendwastechnik die Nachspielzeit präsentierte und wir zur Feier der Präsentation um Standing Ovations gebeten wurden. Ob sich da auch jemand Gedanken drüber gemacht hat, wie man die Tribünen besser in die Stimmung einbeziehen kann?

Der Dortmunder Anhang feierte nun mit der Mannschaft einen tollen Sieg, eine Humba (mit Spielzeug-Megaphon auf dem Müllcontainer) durfte da natürlich auch nicht fehlen. Während es für den einen Teil der Fans nun wieder nach Hause ging, blieben einige Borussen zur Feier in Berlin. Am Sunshinehouse wurde fleißig gegrillt, während die Stromgitarrenmusikfreunde das Wohnzimmer der Herren Brutz & Brakel aufsuchten. Dort hatte Herr Brakel am Vorabend das Angebot unterbreitet, jedem von uns die gesamte Getränkekarte der verfügbaren Shots zu spendieren, falls Borussia das Spiel gewinnen sollte. Weil heute aber ein so toller Tag war, dass alle Borussen davon etwas haben sollten, kitzelten wir auf dem Nachhauseweg noch ein besonderes Angebot für alle Dortmunder Fans heraus: So bekommt jeder Borusse beim nächsten Auswärtssieg in Berlin eine süße Muschi auf Kosten des Hauses – Busparkplätze rund um die Schreinerstraße 58 in Friedrichshain werden rechtzeitig ausgewiesen.

Aufstellung:

Hertha: Drobny, Friedrich, von Bergen, Simunic, Rodnei, Cicero, Dardai, Ebert, Nicu, Raffael, Voronin
Wechsel: Kacar für Dardai, Pantelic für Ebert, Domovchiyski für Nicu (alle 67.)

BVB: Weidenfeller, Subotic, Dede, Owomoyela, Santana, Kehl, Kuba, Sahin, Hajnal, Valdez, Freitag
Wechsel: Zidan für Frei (73.), Lee für Kuba (76.), Kullmann für Valdez (83)

Tore: 0:1 Frei (25.), 1:1 Raffael (54.), 1:2 Kehl (63.), 1:3 Valdez (82.)

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