Auftakt nach Maß - Der BVB hat sich nicht verändert
In einem umkämpften Spiel auf mittlerem Niveau holt der BVB die ersten drei Punkte in der neuen Saison. Und das mit gewohntem Spiel: Großer Aufwand, viel Leidenschaft, aber ebenso viele Ungenauigkeiten und fehlende Kaltschnäuzigkeit. Neuzugang Lucas Barrios ließ dabei auch die ein oder andere Chance liegen. Die Kölner verlieren nach Mauertaktik mal wieder aufgrund eines Eigentors.
Vor dem Spiel ehrten die BVB-Verantwortlichen den Käufer der 50.675 Dauerkarte, was nicht nur einen Vereinsrekord für die Borussia bedeutete, sondern auch in der Bundesliga. Nur wenige Mannschaften in Europa können da mithalten. Der verletzte Dédé beteiligte sich, indem er mit den Balljungen das Banner trug. Auch auf den Tribünen wurden Banner präsentiert. In einer gemeinsamen Aktion protestierten The Unity auf Dortmunder und die Wilde Horde auf Kölner Seite gegen den Einstieg von Red Bull in den deutschen Fußball in Leipzig. Während die WH mit "Neue Farben, keine Tradition" begann, wurde auf der Südtribüne mit "gab es auch in Salzburg schon" der Satz vollendet. Danach präsentierten beide Gruppen ein Banner mit dem eindeutigen Appell an Mateschitz und seinen Saftladen, sich aus dem Fußball rauszuhalten. Eine Aussage, der wir uns so eindeutig anschließen können.
Personalien
Vor dem Spiel war neben den definitiv fehlendem Dédé und Kehl auch der Einsatz von Innenverteidiger Felipe Santana (Knieprellung) und Torhüter Roman Weidenfeller (angerissenes Ellenbogenband) fraglich, Beide aber konnten spielen, was die Personalsorgen entschärfte. Eine sich unter der Woche ankündigende Überraschung hatte Jürgen Klopp aber dann doch nicht parat. Den verletzten Dédé vertrat wie gewohnt U21-Europameister Marcel Schmelzer, Neuling Öztekin musste stattdessen auf der Bank Platz nehmen. Kurz vor der Partie sah das noch anders aus: Der Allrounder hatte die sportliche Leitung in der Vorbereitung so überzeugt, dass ihm Jürgen Klopp scheinbar die eher ungewohnte Rolle des linken Verteidigers zutraute. Für Lucas Barrios war das Aufeinandertreffen mit dem 1.FC Köln ein Debüt. Der Argentinier bestritt sein erstes Spiel vor heimischer Kulisse im Westfalenstadion. Wie schon im DFB-Pokal gegen Weiden ersetzte Tinga (und nicht Mats Hummels) Kapitän Kehl auf der Position im defensiven Mittelfeld. Der BVB trat also wieder in der gleichen Besetzung wie im Pokalspiel in Weiden an.
Der von Verletzungssorgen heimgesuchte 1.FC Köln ging das Rhein-Ruhr-Duell nominell fast mit einer B-Elf an. Der portugiesische Neueinkauf Maniche, der aus Fitnessgründen eigentlich zunächst nur auf der Bank Platz nehmen sollte, spielte von Beginn an. Auch sein Landsmann Petit trat die Reise nach Dortmund geschwächt an (Magen-Darm-Infekt), konnte aber spielen. Stürmer Novakovic blieb dagegen wegen Trainingsrückstands sogar ganz in Köln. Alle Hoffnungen im Angriff ruhten auf Rückkehrer Lukas Podolski, der unter der Woche über Schmerzen im Oberschenkel geklagt hatte. Doch Freitag-Nachmittag dann der Schock für die Rheinländer: Auch der Prinz musste verletzungsbedingt passen. In der Innenverteidigung vertrat der McKenna Pedro Geromel. Der Eigentor-Schütze aus der letzten Begegnung fiel wegen eines Muskelfaserisses aus.
Der Druck lag also auf Seiten der Borussia.
1.Hälfte
Und das bekam dem Team von Jürgen Klopp zunächst überhaupt nicht. Köln stellte sich hinten rein und schien von Anfang an nur auf ein Unentschieden zu spekulieren. Der BVB versuchte sich mit Pressing schon weit in der Hälfte der Kölner Chancen zu erzwingen, was aber mit zunehmender Spieldauer immer weniger gelang. Nach zehn Minuten roch es immer mehr nach einem Führungstreffer für die Borussia. Doch diese effektive Druckphase dauerte nicht lange. Die Rheinländer schwammen sich nach Möglichkeiten für Barrios (starke Einzelaktion aus spitzem Winkel, 5.Minute) und Schüssen von Tinga (11.) und Valdez etwas frei. Hätte das Thermometer rund zehn Grad mehr angezeigt, käme man nicht umhin, das Spiel als müden Sommerkick zu titulieren. Und es war nicht der Einsatz, dem den beiden Mannschaften abging. Vielmehr erinnerten die Bemühungen an fußballerisches Unvermögen. Köln schien noch nicht entdeckt zu haben, dass es auch auf der gegenüberliegenden Seite ein Tor gab, in dem ein gelangweilter Roman Weidenfeller stand.
Den Fans im weiten Rund des Westfalenstadions machte das nicht viel aus. Erfreut über den Bundesligabeginn zeigten sich sowohl Heim- als auch Gästefans gut aufgelegt. Die Kölner bejubelten jede Parade ihres Goalkeepers Faryd Mondragon, der sich bei einer Aktion verletzte, aber weiterspielen konnte. Der zwölfte Mann hinter der Borussia hatte einige lautstarke Minuten und peitschte sein Team ebenso lautstark nach vorne. Sie bejubelten lautstark jede gelungene Aktion ihres Teams.
Und so blieb für die erste Halbzeit nur ein Bild, was sich immer wieder wiederholte. Köln in der Defensive, der kämpferische BVB bemüht um Struktur. In den Blickpunkt rückte dabei vor allem der Kölner Schlussmann Mondragon, der Schuss um Schuss und Flanke um Flanke entschärfte. So ging es mit einem torlosen Unentschieden in die Kabine - und schon jetzt durfte der BVB sich ein wenig über die liegengelassenen Chancen ärgern. Subotics Kopfball, den der Kölner Schlussmann genau auf der Linie abfangen konnte (15. Minute) blieb dabei aber die einzige Großchance in Hälfte eins. Ansonsten setzten vor allem Barrios und Valdez, die beiden Stürmer in vorderster Front, immer mal wieder Nadelstiche gegen die Rheinländer.
Das Ballgefühl und die Technik, die den 22 Profis auf dem Rasen zeitweise ein wenig abging, wurde schließlich in der Pause geboten. Neben einem Interview mit Gerd Pieper ist besonders die Einlage der beiden U11-Spieler der Borussia erwähnenswert. Den beiden Jugendspielern gelang es, den Ball innerhalb einer Minute über hundert Mal hochzuhalten. Ein durchaus angenehmes Pausenprogramm, das abseits von Werbespielshows oder Laufsteg-Models wiederholt werden sollte.
2. Hälfte
Die Mannen von Jürgen Klopp starteten furios in den zweiten Durchgang. Leidenschaft und Laufbereitschaft paarten sich endlich mit Präzision und Zielstrebigkeit. Einzig und allein der Kolumbianer Mondragon hatte etwas gegen einen Treffer. Parade um Parade verhinderte den sehnlichst erwarteten Führungstreffer für den BVB.
Einem Barrios-Kopfball nach starker Flanke von Kuba (49.,Kategorie „den muss er machen") folgte eine Doppelchance von Sahin und Valdez (54.). Als dann schließlich auch Felipe Santana mit einem Kopfball nur die Latte traf (64.) und der FC wieder stärker wurde, schienen die ersten drei Punkte der Saison in weite Ferne gerückt. Sogar die bisher harmlose Offensive der Rot-Weißen verbuchte schließlich zwei, drei Halb- bis Großchancen. Durchpusten.
Jetzt wurden auch die mitgereisten Kölner auf der Nordtribüne wieder lauter. Angetrieben vom plötzlichen Offensivgeist ihrer Mannschaft entfachten sie einen Klassestimmung - denn auch die Südtribüne hielt ordentlich dagegen. Die schwarzgelben Fans schienen sich der von Jürgen Klopp bestätigten Rolle als Antreiber der Mannschaft bewusst und wollten ihr Bestmögliches für einen Sieg in die Waagschale werfen.
Und das gelang schließlich. Mussten man sich nach einem feinen Valdez-Schuss noch einmal die Haare raufen, weil Mondragon auch diesen Ball hielt (69.), war es sechs Minuten später soweit. Einen von Hajnal ausgeführten und von Tinga abgelenkten Freistoß lenkte der nur zehn Minuten vorher eingewechselte Matip ins eigene Netz. Eine pechschwarze Sekunde für den Kölner. Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Auf Seiten der Borussia gab es kein Halten mehr, endlich schien der Knoten geplatzt. Doch auch Tinga (84.,Kopfball) als auch der doppelte Zidan (86., 91.) ließen die Fans aufgrund ihrer vergebenen Chancen noch einmal zittern. Doch dem 1.FC Köln, der nun deutlich offensiver spielte, fehlte jegliche Durchschlagskraft.
Aufgrund der Statistik schon alleine ein verdienter Heimsieg für den BVB. Bei 17:1 Ecken und 22:7 Torschüssen darf sich auf Kölner Seite niemand beschweren. Dennoch darf auch Borussia Dortmund von einem glücklichen Sieg sprechen, erst ein Eigentor erlöste die in dieser Partie wenig potenten Torjäger. Ihren Meister fanden diese in Mondragon, der wohl eines seiner stärksten Spiele ablieferte.
Statistik
BVB: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Santana, Schmelzer - Tinga - Sahin, Kuba (70. Großkreutz) - Hajnal (79. Hummels) - Barrios, Valdez (71. Zidan)
1.FC Köln: Mondragon - Brecko, McKenna, Mohamad,
Womé - Petit (65. Matip), Pezzoni - Chihi (82. Ishiaku), Maniche, Sanou
(55. Ehret) - Freis
Tore: 1:0 Matip (ET, 75. Minute)
Gelbe Karten: Brecko (65.)
Rote Karten: -
Zuschauer: 78.200
Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding) - Note 2: überraschend guter Auftritt, ließ viele Aktionen durchgehen und sorgte so für einen ordentlichen Spielfluss. Keine groben Schnitzer und weniger theatralischer Auftritt als sonst.
Die meisten Torschüsse: Barrios (4)
Die meisten Torschussvorlagen: Schmelzer (4) - Freis, Chihi (2)
Die meisten Ballkontakte: Schmelzer (96) - Womé (74)
Die Zweikampfstärksten: Owomoyela (80%) - Petit (67 %)
Stimmen
Jürgen Klopp: Ich bin erleichtert, über die Art und Weise wie wir heute Fussball gespielt haben. Man weiß das vorher ja nicht so genau. In der Vorbereitung haben uns fünf Prozent gefehlt, ein bisschen kommt natürlich auch durch die Atmosphäre. Das war richtig stark. Die Mannschaft ist geduldig geblieben und hätte bei Standards noch geduldiger sein müssen, was wir ihnen auch gezeigt haben in der Halbzeit. Das Powerplay nach der Pause war richtig stark und mir persönlich ist es egal, wie der Ball reingeht.
...zu Barrios: Dafür, dass er jetzt knappe zwei Wochen da ist, ist er sehr schnell angekommen in der Mannschaft. Fußballerisch ist das gut. Er kann den Ball halten, hat eine gute Dynamik. Also ich war zufrieden.
...dazu, dass Sahin auf der Sechs gespielt hat: Grund ist, dass Tinga auf der Halbposition einen guten Eindruck macht im Moment. Nuri ist eigentlich der einzige richtig gute Passspieler in der Mannschaft. Nuri hat sich ab und zu ein bisschen zu tief gezeigt, das haben wir ihm in der Halbzeit gesagt.
Zvonimir Soldo: Dortmund hat verdient gewonnen.
Meine Mannschaft hat gut gekämpft, aber wir haben vorne zu wenig den
Ball halten können und waren deswegen schnell unter Druck. Mondragon hat
uns lange im Spiel gehalten. Wir wussten vorher, dass der BVB bei
Standards stark ist.
Benotung
Roman Weidenfeller - Wenig geprüft, wenn, dann war er da (Note 3)
Marcel Schmelzer - Eher schwache erste Hälfte. Das ein oder andere Mal übermotiviert, in Hälfte zwei wesentlich stärker. Auch seine Offensivaktionen wurden mit zunehmender Spieldauer präziser und dynamischer. Hatte die meisten Ballkontakte und gab die meisten Torschussvorlagen (Note 2,5)
Felipe Santana - Von der Kölner Offensive in wenigen Situationen gefordert. Gewohnt sicher wie immer. Kommt mit seinen langen Beinen an schier unerreichbare Bälle, ist schnell und dazu offensiv torgefährlich. Sein Lattenkopfball unterstrich das (Note 3)
Neven Subotic - Wie immer. Generell zuverlässig, bügelte kleine Ungenauigkeiten meist schnell wieder aus. Erzielte in Hälfte eins beinahe sein erstes Saisontor (Note 3)
Patrick Owomoyela - Schlief bei einer Kölner Möglichkeit total und wurde fast dafür bestraft. Ansonsten solide, vor allem in der Defensive (80 % der Zweikämpfe gewonnen). Hätte offensiv noch mehr Akzente setzen können. (Note 3)
Tinga - Wieder überall auf dem Platz zu finden, auch in der Offensive stark, wodurch er sich ein Lob von Trainer Klopp verdiente. Die Halbposition im Mittelfeld scheint ihm mehr zu liegen (Note 2)
Nuri Sahin - In der ersten sehr unauffällig, aber ohne große Fehler. Stand im zweiten Durchgang etwas offensiver und konnte sich so mehr am Spiel beteiligen (Note 3)
Jakub Blaszczykowski - Wie schon im Pokal gegen Weiden ganz schwache erste Halbzeit. Dribbelte sich viel zu oft fest. Steigerung in Durchgang zwei, vor allem auch mit einigen Balleroberungen und einer wunderschönen Flanke auf Barrios (Note 3,5)
Tamas Hajnal - War sehr bemüht, Struktur ins Spiel zu bringen, hatte allerdings auch eine hohe Fehlpassquote. Bereitete das Eigentor von Matip vor. Die Standards ließen allerdings oft zu wünschen übrig, Freis Ecken waren durchaus gefährlicher (Note 3)
Lucas Barrios - Fand gut ins Spiel, hat eine gute Technik, ist dynamisch. Guter Start, auch wenn er mindestens eine hundertprozentige Chance liegen ließ (Note 2,5)
Nelson Valdez - Wie immer (Note 3,5)
Die Einwechselspieler Großkreutz, Zidan und Hummels standen zu kurz auf dem Platz, um sie mit einer Note bewerten zu können.
geschrieben von Daniel R.