Der Fluch der guten Tat
Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Der geht ins kommentarlos ins Phrasenschwein. Von den Siegprämien allein wird man die Saisonabschlussfahrt nämlich nicht bezahlen können.
1:5 gegen Bayern. Da konnte man gestern nach dem Spiel viel Sprachlosigkeit ausmachen. An den An- und Abreisepunkten rund um das Westfalenstadion wurde kaum diskutiert. Dabei hätte es durchaus Gesprächsbedarf gegeben. Der geselligen Männerrunde am Mittelkreis nach Abpfiff konnte man im leider nicht beiwohnen. Schade, da hätte man schon ein paar Fragen in die Runde werfen können.
Von der Brisanz früherer Duelle war an diesem Tag in Dortmund ohnehin wenig zu spüren. Was war das über 10 Jahre ein Hype um dieses Spiel. Da war keine Meldung zu schade und kein Tritt zu fies. Würgeattacken, die Karlsruher Flugschule, die Jagd auf Tomas Rosicky, Platzverweise, Mittelstürmer zwischen den Pfosten. Dieses künstliche „Duell der Riesen“ gibt es heute nicht mehr.
(Anmerkung des Verfassers: Bei gestrigen 1:5 gab es nicht eine gelbe Karte. So schlendert der Bajuware natürlich gern durch das sonnige Ruhrgebiet. Szenenapplaus und Streicheleinheiten.)
Schönstes Biergartenwetter, volle Kneipen im Kreuzviertel und rund ums Stadion. An jeder Ecke konnte man rote Tupfer in der schwarzgelben Einheitstracht ausmachen. Die Bayern hatten wie immer ihr Kontingent zu 100% abgerufen.
Der Nachmittag vor über 80.000 Zuschauern im ausverkauften Westfalenstadion hatte der nicht einmal schlecht begonnen. Tolle Stimmung auf der Süd und die frühe Führung durch Mats Hummels in der 10. Minute. Überhaupt – die erste halbe Stunde konnte sich wirklich sehen lassen. Die Bayern erwiesen sich in dieser Phase für eine Spitzenmannschaft als überraschend unflexibel. Die Dortmunder Angriffe liefen immer nach dem gleichen Muster ab. Langer Ball in die Münchener Abwehrreihe, Kuba auf rechts oder Zidan in der Mitte. Wie auf Kommando wurde es gefährlich. Braafheid und Butt irrlichterten fröhlich am und im eigenen Strafraum umher. Mal abwechselnd, mal gemeinsam. Das wirkte sehr variabel in der Ausarbeitung von Fehlern.
Da hätten wir doch schon die ersten Fragen. Warum konnte die Mannschaft so eine Leistung nur über eine halbe Stunde abrufen ? Lag das jetzt an den Bayern im Tiefschlaf oder an einer völlig überdrehten Herangehensweise der Schwarzgelben ? Nach 30 Minuten war der ganze Spuk nämlich vorbei. Als hätte jemand in den Katakomben des Stadions einen Stecker gezogen. Folgerichtig dann auch noch der Ausgleich durch Gomez in der 36. Minute.
Die zweite Hälfte begann dann mit dem neuen Traumduo der Bayern (Ribery/Müller) und einem Paukenschlag von Bastian Schweinsteiger in der 50. Minute zum 1:2. War das jetzt ein Flatterball oder war der Ball sogar noch leicht abgefälscht ? Von den Tribünen sehr schwer und vielleicht auch nicht richtig zu beurteilen. Kategorie: Den darf man auch mal halten.
Die restlichen 40 Minuten waren ein einziger Spaziergang der Bayern. Mit einer spielerischen Durchschnittsleistung. Die Bayern waren an diesem Nachmittag nicht einmal sonderlich stark. Den kompletten zweiten Durchgang kann man ganz klar an einer Aussage festmachen: Individuelle Klasse macht den Unterschied.
Das 1:3 durch Ribery in der 65. Minute markierte auch gleichzeitig den Schlusspunkt des Dortmunder Supports. Da kam nicht mehr viel. Das sollte man jetzt aber nicht zwingend an den Anhängern festmachen. Ein deutlicher Rückstand gegen den Rekordmeister und ein drohendes Debakel vor Augen. In so einer Situation können die Stimmbänder schon mal versagen. Diesen deutlichen Knick im Stimmungsgraphen würde ich jetzt nicht überbewerten. Auf der Südtribüne stehen auch nicht die Stimmungsmacher vom Dienst. Früher gab es da auch schon mal ein hämisches und unsägliches „Oh, wie ist das schön....“.
Dann lieber so. Mund abputzen, Fahne einrollen und mürrisch schweigend den Heimweg antreten.
Nach dem 1:4 in der 78. Minute setzte im Stadion die frühe Abwanderung ein. Die feiernde Nordtribüne wollte man sich dann doch nicht weiter anhören. Auf der Südwest- und Osttribüne kam es dabei zu einzelnen Rangeleien zwischen den Fangruppierungen. Wobei man sich fragen muss: Wie kommen FCB-Fans mit Trikot auf die Dortmunder Südwesttribüne ? Der Zugang mit Fanutensilien des Gegners ist in diesen Blöcken eigentlich strikt untersagt.
Der Fluch der guten Tat. Hoffentlich hat die letzte Rückrunde nicht zu falschen Erwartungen geführt. Man wollte den Abstand zur Spitzengruppe kontinuierlich verringern. Mit dieser Devise ist man in die neue Aufbauarbeit unter Jürgen Klopp gestartet. Nach einer Saison kann diese Arbeit nicht abgeschlossen sein. Nimmt man einmal die Beschränkungen auf dem Transfermarkt mit ins Boot, kann man eigentlich nur hoffen, dass der Abstand zur Spitzengruppe nicht weiter wächst. In dieser Saison dürfte das unsere größte Sorge sein. Den Anschluss bitte nicht komplett verlieren. In München wird ohne Rücksicht auf Millionen kurzerhand der Kader mit Spielern wie Olic, Robben, Tymoshchuk und Gomez ergänzt. In diesen Bereichen können wir ganz einfach nicht mithalten. Da reicht es selbst mit einer durchschnittlichen Leistung für das Münchener Starensemble.
Abschließend noch Statistik und Trainerstimmen
Die Aufstellungen an diesem Nachmittag
Borussia Dortmund: Weidenfeller, Subotic, Dede, Owomoyela, Santana, Tinga, Sahin, Hummels, Kuba (Valdez, 71. Minute), Zidan (Großkreutz, 61. Minute), Rangelov (Barrios, 61. Minute)
Bayern München: Butt, Braafheid, van Buyten, Lahm, Badstuber, Altintop (Müller, 46. Minute), Robben, Olic, Schweinsteiger, Tymoshchuk, Gomez (Ribery, 46. Minute)
Tore:
1:0 Hummels (11.)
1:1 Gomez (36.)
1:2 Schweinsteiger (49.)
1:3 Ribery (65.)
1:4 Müller (78.)
1:5 Müller (88.)
Die Übungsleiter auf der Pressekonferenz
Louis van Gaal: Wir haben schlecht angefangen. Borussia hat uns mit dem gespielten 4-3-3 etwas überrascht. Darauf waren wir nicht vorbereitet und haben es so auch nicht erwartet. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt sehr viele Fehler in der Organisation.
Nach einer halben Stunde und dem 0:1 haben wir dann ins Spiel gefunden und konnten so auch vor der Pause noch ausgleichen. In der zweiten Halbzeit hat die individuelle Qualität den Unterschied gemacht. Ich freue mich sehr über den Sieg und die Leistung meiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit.
Nach dem Spiel haben wir uns dann am Mittelkreis versammelt. Ich wollte da keine Vorwürfe hören. Das haben wir gemeinsam verbockt. Da wollte ich hinterher auch keine elf unterschiedlichen Eindrücke in den Medien hören. In der ersten Halbzeit war auch nicht alles sooo schlecht und letztendlich ging es auch heute nur um drei Punkte.