"Hauptsache kalt und mit Biergeschmack"
Wenn die Überschrift eines Spielberichts so lautet, kann die Partie nicht wirklich in die Annalen der unvergessenen Partien des 21. Jahrhunderts eingehen. So war es auch beim Spiel zwischen Dortmund II und den Gästen aus Braunschweig. Ein laues 0:0 an einem milden Sommerabend eben. Da war doch das obige Zitat von Rudi Aussauer am Kühlschrank des VIP-Raums Höhepunkt des Tages. Prost, Rudi!
Nach dem bitteren 3:4 im Chemiepark zu Burghausen sollte am Dienstagabend also das erste Heimspiel der für die Amas neuen 3. Liga anstehen. Gegner waren die Jägermeister aus Braunschweig, wo Paul Breitner aus Formgründen nur auf der Tribüne saß. Von dort sah er eine gut gefüllte Gegengerade der Niedersachsen, die die momentanen Schulferien bzw. die Kurzarbeit bei VW schamlos ausnutzten, um einen kleinen Trip in den Ruhrpott zu wagen. Oberkörper frei war dort die Devise! Wesentlich angezogener präsentierten sich da alle BVB-Anhänger, die wie immer lautstark, fahnenreich und gesangskreativ agieren konnten. So gab es u.a. neues Liedgut, was sich mit den diesjährigen, für viele noch unbekannten Gegnern in der Dritten Liga befasste (zur Melodie von Jürgens' "Ich war noch niemals in New York").
Das Spiel begann mit einer Verspätung von fünf Minuten, weil noch viele BVB-Fans draußen vor dem Eingang auf ihre Karten warteten. Leider konnten trotzdem viele Anhänger nicht rechtzeitig in die Arena einlaufen. Wieder einmal erwiesen sich vier Kassen als viel zu wenig. Und man muss davon ausgehen, dass dieser Umstand sich bei den vielen attraktiven Gegnern in dieser Saison noch des Öfteren wiederholen wird. Hier muss unbedingt Abhilfe geschaffen werden für die nächsten Heimspiele gegen Top-Gegner wie Braunschweig. Personell kann folgendes berichtet werden: Beim BVB spielte erneut Mehmet Boztepe von Anfang an, der heute leider nicht überzeugen konnte und dazu noch blau-weiße Schuhe trug. Bezüglich Letzterem wurde er mehr oder weniger freundlich nach Spielschluss von BVB-Fans darauf aufmerksam gemacht, dass das beim BVB nicht unbedingt die Eintrittskarte zum Paradies der Publikumslieblinge darstellt.
Die größte personelle Überraschung stellte hingegen die Nominierung von Sven Bender im defensiven Mittelfeld dar. Vielleicht eine Art Ausgleich dafür, dass die Profis im Moment Öztekin für sich anfordern und so zumindest einen Ersatz anbieten. Im Defensivdreieck mit Hünemeier und Sobiech sollte Bender eine gute Partie machen, soviel sei verraten. Wieder auf der Bank war Daniel Ginczek, der aber laut Coach Schneider nach seiner allergischen Reaktion auf einen Wespenstich noch deutlichen Trainingsrückstand aufweist. Bei der Eintrach aus Braunschweig immehin zwei Ex-Dortmunder. Der längst vergessene, ehemalige A-Jugendliche beim BVB und heutige Kapitän, Dennis Brinkmann, sowie der letztjähgige Mittelfeldregisseur Damir Vrancic, der bei seinen Standards von den BVB-Fans mit Pfiffen bedacht wurde.
Braunschweig begann ganz stark. Nämlich mit einem Kreis an der Seitenlinie, wo alle Mitglieder des Spieler-, Trainer- und Funktionteams vor dem Spiel eine Obama-Rede hörten, um sogleich die holden drei Punkte einfahren zu wollen. Die ersten Mini-Möglichkeiten erspielten sich aber die Gastgeber durch Hille (7.) und nach einem Tyrala-Freistoß (8.). Nach zehn Minuten war dann die erste Chance für Braunschweig per Distanzschuss zu verzeichnen. Ausgerechnet Vrancic, wie Bela Reif bzw. Marcel Rethy sagen würden. Der Ball ging jedoch noch recht klar am Tor vorbei. Nach 31. Minuten dann ein Distanzschuss, der nur noch sehr, sehr, sehr knapp am Tor vorbei strich (oder aber Höttecke wollte uns allen durch seine Flugeinlage nur Angst machen). Schütze war: Ausgerechnet Vrancic, wie Reinhold Poschmann bzw. Wolf-Dieter Beckmann sagen würden.
Und da kommen wir auch schon zum Halbzeitfazit: Das 0:0 war trostlos, nur taktisch ein Leckerbissen wie Rainer Breuckmann bzw. Manni Holzschuh sagen würden. Viel interessanter das Halbzeitgespräch zwischen Rudi Assauer und Wolfgang Paul vor dem Kühlschrank: "Rudi, hier ham se kein VELTINS." "Egal, hauptsache kalt und mit Biergeschmack." "Ok, dann gibt es nur ein Clausthaler Alkoholfrei für dich." Ist der Thomalla eigentlich inzwischen aus dem Rosengebüsch aufgeholfen worden?
Die zweite Halbzeit ist wie eine US-Serien-DVD-Box in zwei Teile aufgeteilt: Vor und nach der 80. Minute. Denn bis zur 80. Minute hätte man auch genug Zeit gehabt, um mit Assauer einmal nach L.A. zum Bruce Willis-vermöbeln jetten können, so wenig passierte auf der Grünfläche. In der 48. Minute vertändelte Boztepe eine gute Konterchance, weil er einfach zu klein ist, um mal den Kopf hoch zu heben und in der 66. Minute fiel dann das Tor für Braunschweig durch Calamita. Jedenfalls dachte der das und wohl auch Höttecke selbst, der erstaunlich merkwürdig reagierte, nachdem er den Kopfball gerade noch vor/auf/hinter der Linie parieren konnte. Höttecke wirkte hernach so unschuldig wie ein Zeuge bei Barbara Salesch, der ganz plötzlich selbst zum Tatverdächtigen wurde. Wie gut, dass Staatsanwalt Dirk Margenberg an der Linie keine Anklage erhob und auf Weiterspielen entschied.
Nun begann die 80. Minute: Nach einer Ecke reagierte zunächst Höttecke sehr stark, als er einen Volleyschuss Schandas aus Nahdistanz parieren konnte (oder wurde er lediglich glücklich angeschossen?), ehe den Nachkopfball Danneberg anstatt ins leere Tor auf die Latte setzte. Frank Mill würde sich im Grabe umdrehen, wenn er tot wäre ob dieser vergebenen Torchance. Normal müsste der BVB nach diesen Ereignissen das Spiel noch gewinnen, gerade weil es so unnormal wäre nach diesem Spielverlauf. Und in der 82. Minute fast ein typisches Uwe-Tor, als einen Tyrala-Freistoß von der Mittellinie (!) per Kopf verlängerte. Aber leider in die Arme des Torwarts Petkovic.
Hui, jetzt ging es rund, wie der Hamster im Rad sagen würde. Denn weitere vier Minuten später wollte Tyrala unbedingt gegen vier Mann von der Mittellinie aus dribbelnd ein Tor machen. Allein. Der Mann wurde entscheidend bedrängt und nach der anschließenden Kombination setzte wieder Tim "Frank Mill" Danneberg einen Kopfball völlig freistehend neben das Tor. Die beste Chance des BVB dann in der 89. Minute: Der eingewechselte Ginczek steckte in seiner besten Aktion Piossek den Ball durch, doch Petkovic spekulierte richtig und nahm ihm den Ball vom Fuß. Besser wäre es gewesen sofort abzuziehen (Thomas Wark).
Der Aufreger des Tages dann in der 93. Minute. Wieder war es Piossek, der einen Angriff abfing und sich mit dem Ball nach vorne machte. Es wäre eine 2 zu 1-Situation für den BVB gewesen, als Schiri Winkmann aus Kerken sein ganzes Kreisliga C-Können zelebrierte und Piossek einfach den Ball vom Fuß nahm. Abpfiff. 0:0. Insgesamt kann, ja muss man als BVB-Fan mit diesem Punkt leben, weil die klareren Chancen bei der Eintracht lagen. Nun geht es nächste Woche Freitag nach Bremen II, ehe dannn Offenbach kommt.
Wer jedoch auf die Amateure auch am Wochenende nicht verzichten kann, dem seien folgende Möglichkeiten wärmstens empfohlen: An diesem Freitag spielt man um 19 Uhr bei der TSG Herdecke "Am Bleichstein" und am Sonntag geht es in Aplerbeck gegen den Ex-Verein vom neuen Co-Trainer Wolf. Im Waldstadion rollt der Ball ab 17 Uhr. Bei einem dieser vier Spieltermine wird man sich sicher sehen. Bis dahin!
Stimmen zum Spiel
Dennis Brinkmann: Heute hat einfach immer der letzte entscheidende Ball vorne gefehlt. Ob der Kopfball drin war, konnte ich auch von meiner Position aus nicht genau sehen. Ich sah die Spieler vorne nur alle heftig reklamieren.
Damir Vrancic: Es gab keine Wetten oder Kontakt. Vor dem Spiel sollte man sowas nicht machen, dafür hinterher dann richtig und intensiv.
Sven Bender: Es ist ja gar keine Frage, wo ich lieber spielen würde. Doch umso besser ist es, dass die zweite Mannschaft in der Dritten Liga spielt, was die Spielpraxis angeht. Wir müssen jetzt einfach sehen, was in den nächsten Tagen und Wochen so passiert.
Torsten Lieberknecht (Trainer Braunschweig): Ich musste noch auf die Toilette, deshalb der späte Beginn der PK. Nach der zweiten Hälfte sind wir natürlich extrem enttäuscht mit diesem Ergebnis. In der ersten Halbzeit haben beide Mannschaften sich taktisch neutralisiert. Später hatten wir dann in 2, 3 Situationen die Möglichkeit zum Sieg, aber mit ganz viel Pech können wir hier auch noch verlieren, wenn der Schiri nicht so eine sensationelle Grätsche gemacht hätte.
Theo Schneider: Wir haben gegen eine sehr starke Mannschaft einen Punkt geholt. Unsere Gegner standen sehr kompakt und geordnet, haben insgesamt ein sehr hohes Niveau gezeigt. Über weite Strecken bin ich mit unserer Leistung zufrieden, nur leider fehlte immer wieder der letzte Tick vor dem gegnerischen Tor. Wenn uns in der Anfangsphase ein Treffer gelungen wäre, hätten wir eine echte Chance gehabt zu gewinnen. Defensiv standen wir wieder sehr sicher und haben nur wenig aus dem Spiel heraus zugelassen. Besonders freut es mich, dass Marcel Höttecke zweimal so glänzend reagiert hat. Kämpferisch haben wir wieder einmal alles gegeben und deshalb bin ich optimistisch - auch weil wir jetzt zehn Tage Pause haben -, dass wir in Bremen einen oder sogar vielleicht drei Punkte holen können.
Daten zum Spiel
BVB II (4-1-3-2): Höttecke (3) - Koch (3,5), Hünemeier (2,5), Sobiech (2), Vrzogic (3,5) - Bender (2,5) - Piossek (3), Tyrala (3,5), Boztepe (4,5) (84. Eggert, - ) - Hille (4) (67. Sadrijaj, - ), Kullmann (4,5) (75. Ginczek, - )
Eintracht Braunschweig (4-2-2-2): Petkovic - Brinkmann, Schanda, Dogan, Theuerkauf - Danneberg, Vrancic - Kruppke, Boland - Kruppke, Calamita
Tore: Not yet
Zuschauer: 3.062
SR: Winkmann (Kerken - Assistenten: Margenberg, Thomsen), Note 5. Ist ja Bundesliga-Schiedsrichter und musste das natürlich auch jederzeit zeigen. Kann dem Schiri-Beobachter jetzt sagen: "Ich kam ohne Karten aus!" (obwohl es zweimal klar angebracht gewesen wäre!). Stoppte in der Nachspielzeit einen vielversprechenden Konter der Borussen persönlich per Tackling.
Gelbe Karten: Ich kam ohne Karten aus
Chancen: 2:4
Ecken: 3:9
Malte, 28.07.2009