Amas verlieren im Kuhdorf und die Tabellenführung
Unendliche weite Wiesen, der Geruch von frischem Dung auf den grünen Feldern, menschenleere Straßen. Richtig, von Lotte ist hier die Rede, wo die Welt noch in Ordnung ist und so stockkonservativ, dass die CDU Lotte sogar im Stadion Werbung machen darf. Leider führte dieser abenteuerliche Trip ins westfälisch-niedersächsische Grenzland nicht zu den erhofften Punkten: 1:2 hieß es nach 90 Minuten und wieder einmal zeigte sich, dass die Abstellung von vier Korsettstangen (Hünemeier, Vrancic, Öztekin, Kullmann) an die Profis nicht so einfach zu kompensieren ist.
Man kennt es aus dem Radio, das legendäre Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück. Die Verkehrsanbindung scheint also ganz gut zu sein, doch ist das nicht auch irgendwie langweilig? Wofür hat man denn ein NRW-Semesterticket, um es nicht mal vollends ausnutzen (schließlich gehört selbst Osnabrück noch in den Geltungsbereich!)? Und besonders die Strecke von Münster nach Osnabrück hat es einfach in sich. Ortsnamen, die eher nach Herkunftsdörfern von Triebtätern klangen als nach real existierenden Orten. Und erst die Busfahrt durch Osnabrück, dieser stetige Wechsel zwischen NRW und Niedersachsen (die Abkürzung NS wähle ich bewusst nicht...). Im Grunde war das Spiel nebensächlich. Vergesst Groundhopping in Kasachstan oder Armenien, fahrt nach Lotte!
Das Stadion in Lotte, die PGW-Arena, war dann eher eine Mischung aus Playmobil-Baukasten und QVC-Betriebsausflug. Denn die Osttribüne war nichts anderes als eine überdimensionierte Werbewand, auf der man vom Feinkosthandel bis zum örtlichen Autohaus jedwedes Angebot offeriert bekam. Unglaublich lächerlich bei diesem apathischen und verwöhnten, gutbürgerlichen Dorfpublikum dann die Tatsache, dass die Akteure zum "Fluch der Karibik"-Soundtrack einmarschierten. Bei dem Altersschnitt auf der Haupttribüne ist eher anzunehmen, dass die Gäste an ihre nächste Seniorenkreuzfahrt auf der Lahn dachten. Heizdeckenverkauf inklusive. Natürlich gab es auch wieder Cheerleading, wobei sich schon bemerkbar machte, dass bei 12.000 Seelen in einem Dorf die Auswahl an ansehnlichen Damen nicht mehr so groß ist. Und eins fiel ebenfalls auf. Drei kleine Jugend-Mannschaften begleiteten die Spieler aufs Feld. Forschungsaufgabe an alle schwatzgelb.de-Leser: Warum werden in dieser Altersklasse immer nur Torhüter eingesetzt, die bereits dreimal eine Therapie gegen Adipositas abbrechen mussten? Antworten erwünscht.
Wiedersehen mit Bugri
Kommen wir nun zum Spiel bzw. zum Training von Standardsituationen unter Wettkampfbedingungen, denn mehr war es nicht. Bei Lotte ein alter Bekannter auf der Bank: Francis Bugri, einst eingewechselt in der Champions League gegen den FC Liverpool. Doch was ist ein Steven Gerrard gegen einen Stefen Zepanski oder einen Ulrich Kockmann? Der BVB mit einer personell problematischen Lage: Da Hünemeier, Vrancic, Öztekin und Kullmann fehlten, musste unter anderem der junge Hornschuh im defensiven Mittelfeld aushelfen, der, genau wie Stürmer Ginczek, noch zum Jungjahrgang in der A-Jugend gehört.
Die ersten zehn Minuten erinnerten an Deutschland gegen Liechtenstein, denn Lotte kam kaum über die Mittellinie. Aber entweder konnte Keeper Poggenborg die Hereingaben abfangen oder aber ein Abwehrbein blockte so gerade noch die Angriffe der BVB-Stürmer ab (Tyrala). Insgesamt jedoch war das Spiel spröde und eines Dorfs angemessen. Nur der starke Beyer brachte durch Standards immer wieder viel Gefahr in die Partie (17., 25.) und auch Großkreutz (nach Tyrala-Flanke und Gordon-Ablage, 30.) und Vrzogic (32.) scheiterten mit ihren Versuchen nur knapp. So bleibt die Zeit für einen Blick auf Menschlichkeit: In Lotte hält man noch zusammen, wie diese Durchsage des Stadionsprechers bewies: "Achtung, der Fahrer des Autos mit dem Kennzeichen XX-XX XXX möge bitte zu seinem Fahrzeug kommen. Ihr Licht brennt noch."
Gegen Überschneidungen
Die zweite Halbzeit begann mit dem Zeigen eines Spruchbands im BVB-Fanblock, wo trotz des parallelen Profi-Spiels ca. 150 BVB-Fans waren: "Gähnende Leere statt Leidenschaft im Block? Gegen Spieltagsüberschneidungen!" Hier wird auf die Ansetzungspolitik des Verbands angespielt, der grundsätzlich Amas und Profis gleichzeitig spielen lässt (siehe unten). Ein Skandal, ohne Zweifel! Warum da vom Verein nicht auch mal öffentlich formulierter Protest kommt, wissen wohl nur die Verantwortlichen.
Ansonsten war die Geschichte dieses Spiels relativ schnell erzählt. Zunächst zeigte der Lotter "Volksheld" Philipp Böwing-Schmalenbrock ("Bösch") seine Kaltschnäuzigkeit, als er von der rechten Strafraumecke nicht flankte, sondern plötzlich auf die kurze Ecke zielte, wo unser Torwart Focher mit dem Fuß nur schwerfällig hinkam. Den Abpraller nutzte Tore (Nomen est omen) Gersch zur Führung (55.).
Fünf Minuten später auf der Gegenseite Tyrala mit Gefühl, doch sein Freistoß aus 23 Metern drehte sich um den Pfosten. 60 Sekunden später dann bei Tyrala die Einsicht, dass Gewalt manchmal die bessere Lösung ist. Aus identischer Position packte er den Hammer aus und schoss in den langen Winkel. Geiles Mopped!
Doch sollte es heute einfach nicht sein, die erfahreneren Lotter letztlich zu clever gegen eine bessere A-Jugend in schwarz und gelb. Wieder mal war es nämlich Beyer von hablinks mit einem Freistoß, der unzureichend geklärt wurde und Dondorf die Chance aus zehn Metern ermöglichte (67.). 2:1, der Endstand. Daran konnte auch ein schöner Volleyschuss von Ginczek nichts mehr ändern (70.).
Fazit nach 90 Minuten
Im Spiel der Standards Lotte etwas konsequenter und glücklicher. Beim BVB war vor allem spielerisch nichts von den letzten Kantersiegen mehr übrig geblieben, auch weil das beste Quartett abstinent war. "Der letzte Pass fehlte oft", wie Trainer Schneider zu Recht bemerkte. Doch da die Kontrahenten aus Lautern nur 1:1 zu Hause gegen Elversberg spielten, beträgt der Abstand lediglich einen Punkt, sodass noch nichts verloren ist. Avanti Amateure!
Und dann war da noch...
... der Schock für Theo Schneider nach dem Spiel. Regelrecht erzürnt zeigte sich der sympathische Coach über die Ansetzungen der nächsten Wochen, da so immer wieder viele Leistungsträger aufgrund der Überschneidungen eher bei den Profis auf der Bank sitzen, als dass sie bei den Amas zum Einsatz kommen könnten. Und zum nächsten Heimspiel in zwei Wochen gegen die Blauen, welches parallel zu den Profis, die an diesem Samstag auswärts in Bochum spielen, stattfinden wird, "werden wahrscheinlich viele Gästefans mitkommen, weil die Schalker Profis nicht an dem Samstag spielen. Das wäre das I-Tüpfelchen!" so Schneider sarkastisch. Doch sein Galgenhumor verging im Nu, als der schwatzgelb-Redakteur den Bundesliga-Spielplan zückte und Schneider mitteilte, dass das Bundesliga-Spiel zwischen dem Pack und Cottbus tatsächlich am Freitag vorher stattfinden wird. Damit können nicht nur die Gäste mit starken Spielern kommen, sondern auch deren Anhänger die Rote Erde bevölkern. Ekelhafte Vorstellung und wieder einmal ein Zeichen, dass der BVB nicht sehr wohlgelitten zu sein scheint. Doch warum? Will der Verband, dass Lautern II in die Dritte Liga aufsteigt? Welche Zweitvertetung bringt in Deutschland denn auch auswärts die meisten Fans mit? Liebe Leute, wenn ihr keine Karte für Bochum haben solltet, dann kommt in die Rote Erde und schreit das Pack aus der Roten Erde und guckt anschließend in der Stadionkneipe das Profispiel. Sonst kann es ganz bitter werden!!
Die Trainerstimmen zum Spiel
Theo Schneider: Ich wusste, was uns hier erwartet. Lotte stand hier sehr kompakt und setzte auf Standards und Konter. Bei uns fehlte nur der letzte Pass, deshalb bin ich auch gar nicht so unzufrieden. Wir spielten hier nämlich mit 4 A-Jugendlichen, wovon zwei noch zum Jungjahrgang gehören. Nur die Gegentore haben mich wirklich geärgert, da war Lotte einfach zu clever für uns. Aber Kopf hoch und gegen Schalke gewinnen, denn auch Lautern hat heute ja nur einen Punkt geholt. Von daher ist gar nicht so viel passiert.
Klar waren heute vier Spieler nicht da, aber das soll keine Entschuldigung sein. Die Jungs haben das heute versucht zu kompensieren, und mit etwas Glück kann man hier auch einen Punkt mitnehmen, aber heute hat es eben nicht sein sollen.
Maik Walpurgis: Wir waren taktisch sehr diszipliniert, auch wenn wir schon mal besser nach vorne gespielt haben. Aber ich möchte mich nicht beschweren, denn schließlich haben wir in einem hochklassigen Spiel gegen den Ersten gewonnen. Der BVB ist spielerisch überdurchschnittlich stark und in dieser Hinsicht das beste Team der Liga. Aus diesem Grund wollten wir kompakt stehen, das ist uns gelungen und deshalb bin ich insgesamt auch zufrieden.
Die Daten zum Spiel
SF Lotte (4-2-3-1): Poggenborg - Brinker, Leimbrink, Schiersand (77. Zepanski), Lodter - Gersch, Kreuzheck - Beyer, Gorschlüter, Dondorf (90.+2 Birdir) - Böwing-Schmalenbrock (87. Bugri)
BVB II (4-2-2-2 mit offensiven Außen im Mittelfeld): Focher (4,5) - Koch (4), Großkreutz (3,5), Gordon (3), Vrzogic (4) (78. Schneider, - )- Hornschuh (5) (72. Oscislawski, - ), Hillenbrand (4,5) - Piossek (4,5), Hille (5) (58. Omerbegovic, 5) - Tyrala (3,5), Ginczek (4)
Tore: 1:0 Gersch (55., Rechtsschuss, Vorarbeit Böwing-Schmalenbrock), 1:1 Tyrala (61., RS, direkter Freistoß), 2:1 Dondorf (67., LS, ohne Vorarbeit)
Zuschauer: 1.334
SR: Martin Thomsen (Materborn, Assistenten: Guzijan, Peters), 3,5. Keine krassen Fehlentscheidungen, wollte aber wohl mal Schauspieler werden...
Chancen: 4:4
Ecken: 4:5
Gelbe Karten: Gorschlüter (35., Halten), Gersch (61., Foulspiel) - Tyrala (73., Foulspiel), Großkreutz (85., Foulspiel)
Malte, 05.04.2009