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Weidi und der Alm-Aki
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Von der freundlichen Stadt Dortmund führt ein Fußweg durch grüne, baumreiche Flure bis zum Fuße der Höhen, die von dieser Seite groß und ernst auf das Tal herniederschauen. Wo der Fußweg anfängt, beginnt bald Heideland. Von dort duften dem Wanderer kräftige Bergkräuter entgegen. Der Weg geht steil und direkt zur Alm hinauf. Hier ist die Heimat von Arminia Bielefeld. Auf diesem schmalen Bergpfade stieg am eisig kalten, verschneiten Dezembermorgen ein großer, kräftig aussehender Jüngling dieses Berglandes hinauf – der Weidi. Hinter ihm eine Horde junger Männer, fest entschlossen, die Alm zu erklimmen.
Sechs Jahre zuvor lebte Weidi noch unter der Obhut von Onkel Gerry. Doch der Junge mochte das Leben bei dem auf Muskelkraft versessenen Verwandten nicht. Er wollte lieber zurück zu seinem Großvater, dem Alm-Aki. Der weise Mann ist in seiner Heimatstadt Dortmund sehr beliebt. Eines Tages macht sich Weidi zu ihm auf. Unterwegs nach Dortmund trifft Weidi auf einen Jungen mit blondem Haar. „Ich bin der Ziegen-Flori“, sagt er. „Ich hüte die Ziegen aller Menschen, die hier wohnen.“ Weidi ist beeindruckt, wie der Junge links wie rechts mit dem Wanderstock jonglieren kann. Außerdem hat Ziegen-Flori ganz viele Bälle, mit denen er immer wieder gegen eine Wand schießt.
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„Was machst Du da?“, fragt Weidi. „Es ist ein Spiel. Ich nenne es Fußball.“ Flori nimmt Maß und schießt den Ball scharf Richtung Waldlichtung. Aus der Ferne ist eine große Hütte zu sehen. „Da oben wohnt der Alm-Aki, der hat mir das Spiel beigebracht“, sagt er. Weidi nickt: „Ja, das ist mein Großvater. Da will ich hin.“
Nach einiger Zeit ist er beim Alm-Aki angekommen. Der schießt ihm zur Begrüßung einen Ball zu. Alm-Aki merkt schnell, dass Weidi ein talentiertes Kind ist. Der Junge ist von allem begeistert, freut sich über die zwei Wäschestangen, die als Tor dienen und quietscht vor Vergnügen über die BVB-Bettwäsche. Auch Alm-Aki ist begeistert. Es ist, als ob in das Leben des Großvaters endlich wieder ein Lichtstrahl gekommen sei. „Wieso nennt man Dich Alm-Aki?“ will Weidi wissen. „Weil ich gegen Bielefeld auf der Alm immer besonders gerne getroffen habe“, antwortet der Großvater.
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Die nächsten Monate verlebt Weidi unbeschwert mit dem Alm-Aki in Dortmund. Er überredet den Ziegen-Flori, in einen Fußballverein einzutreten. Der blonde Junge möchte erst nicht, er ist die Einsamkeit des Spiels gewohnt. „Ich weiß nicht, ob ich mit vielen anderen Jungen zusammen spielen kann“, fragt er. Weidi bestärkt ihn. „Doch, Du kannst das. Das macht viel mehr Spaß, als in der Einsamkeit Bälle zu schießen.“ Flori willigt ein und beide treten einem Dortmunder Verein bei. In den nächsten Monaten schließen die beiden viele neue Freundschaften. Da ist Mats, der großgewachsene Westfale, der aber in Bayern aufgewachsen ist und vor einem Jahr wie Weidi allein nach Dortmund wanderte. Neven, ein frecher, lustiger Junge mit Haarband. Neven kann viele Sprachen, weil er mit seinen Eltern die Welt bereiste. Außerdem lernen sie Kuba kennen. Der flinke Junge kam aus Polen nach Dortmund. Und Alex, den Schweizer mit dem Torriecher. Doch der ist momentan eine verstopfte Nase.
Eines Tages macht sich der böse Bürgermeister vom hässlichen Dörfli Gelsenkirchen auf den Weg zum Alm-Aki. Er versucht ihn, zu überreden, Weidi zum S04 zu schicken. Großvater lehnt ärgerlich ab. Er will Weidi in der schönen Dortmunder Natur trainieren. Und ihn so zu einem Weltklasse-Torhüter machen. Doch eines Tages kommt Onkel Gerry, um Weidi zurück zu holen. Der Großvater ist natürlich damit überhaupt nicht einverstanden. Weidi selbst will auch nicht so recht und Ziegen-Flori gefällt der Gedanke schon gar nicht.
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Onkel Gerry lebt im Haus des reichen Geschäftsmannes Rodolfo do Nascimento. Dessen Sohn Leonardo muss seit einem Sportunfall an Krücken laufen. Die beiden freunden sich an. Auch Leonardo mag Fußball. Weidi erzählt ihm von Dortmund, von der tollen Kameradschaft in der Mannschaft. Der kranke Junge bekommt leuchtende Augen. „Wenn ich doch nur mitspielen könnte. Aber ich muss mit diesen Krücken laufen“, sagt er traurig. Weidi stellt sich vor seinen Freund und sagt: „Ich werde Dich nach Dortmund holen und dort wirst Du auch wieder ganz gesund.“ Leonardos Miene hellt sofort wieder auf.
Weidi bekommt Heimweh nach Dortmund. Der junge Torwart wird ganz krank. Er vermisst den Alm-Aki. Herr do Nascimento ruft den Arzt. Der sagt, dass Weidi auf der Stelle wieder nach Dortmund zurückkehren müsse, um dort zu gesunden. Weidi ist hin und her gerissen. Er freut sich auf den Alm-Aki und seine Freunde. Aber der Abschied von Leonardo fällt ihm schwer. „Komm mich bald besuchen“, sagt Weidi. „Darf ich?“, fragt Leonardo seinen Vater. Der nickt.
Weidi ist wieder in Dortmund. Als er in sein altes Torwarttrikot schlüpfen möchte, kann er es nicht mehr tragen, er ist größer geworden. Weidi trifft Ziegen-Flori und alle anderen Freunde wieder, Mats, Neven, den kleinen Panflötenspieler Nelson, den ägyptischen Diplomatensohn Mohamed, Kuba, Kehli, der neben Fußball auch noch super Tischtennis spielen kann. Außerdem noch Robert, den Sohn eines kroatischen Bauern, Tingel-Tinga, den lustigen Sambatänzer, Bruce Lee, Carlos Santana und Tamas vom Stamm der Magyaren. Die Jungen spielen nun alle beim BVB. Auch Weidi tritt dem Verein bei. Ein guter Torwart hat ihnen noch gefehlt.
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Eines Tages flattert ein Brief ins Haus von Alm-Aki. Er ist für Weidi. Von Leonardo. „Er will mich besuchen“, ruft Weidi erfreut. Er richtet das Haus her, steckt das Fußballfeld im Garten neu ab und besorgt Leonardo ein Trikot vom BVB. Eine Woche später steigt der Junge an den Krücken aus dem Zug. Die Wiedersehensfreude ist groß. In den nächsten Tagen lernt Leonardo Weidis Freunde kennen. „Eines Tages möchte ich mit euch allen in einer Mannschaft spielen“, sagt er. „Das wirst Du sicher“, sagt Weidi. „Aber vorher werde erst mal gesund.“
Und nun steht also das Spiel auf der Alm an. Mit ihrem väterlichen Freund Kotsch-Kloppo machen sich die Jungen auf den Weg dorthin. „Spielt Fußball“, sagt Kloppo immer wieder. „Alles andere ist unwichtig, habt einfach Spaß.“ Die Jungs wissen, was auf dem Spiel steht. Ein Sieg wäre der vorletzte Schritt in Richtung gemütliches, frohes Weihnachtsfest. Als sie auf der Alm angekommen sind, dreht sich Weidi noch einmal um und schaut hinunter auf die entfernt liegende Stadt Dortmund. Er denkt an seinen Großvater Alm-Aki, der ihn trainierte. Er denkt an den BVB. „Was habe ich für ein Glück“, sagt der Torwart leise. „Hey, Weidi“, ruft Leonardo. „Beeil Dich. Die anderen sind schon umgezogen.“ Weidi dreht sich um, klatscht mit seinem Freund ab, rennt zur Kabine und ruft: „Ich will hier heute gewinnen.“ Wir werden hier gewinnen, denkt Leonardo und humpelt mit seinen Krücken zur BVB-Bank.
geschrieben von DvB
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