Der Topjoker
Borussia Dortmund gegen Hertha BSC Berlin. Verlängerung, es läuft die 104. Minute. Linksfuß Nuri Sahin schlägt einen Freistoß gekonnt in den Strafraum, wo Klimowicz den Ball mit dem Fuß durch die Beine von Hertha-Keeper Drobny spitzelt. Es ist das entscheidende 2:1 des nur drei Minuten zuvor eingewechselten Stürmers. Ein ungemein wichtiger Treffer, bringt er die krisengeschüttelte Mannschaft von Jürgen Klopp doch ins Achtelfinale. Die Szene vom DFB-Pokalspiel gegen die Berliner steht repräsentativ für den Stürmer Diego Klimowicz. Nicht zum ersten Mal, erzielte der Argentinier ein wertvolles Tor für die Borussia.
Der BVB kann sich glücklich schätzen, neben Frei einen solch eiskalten Torjäger in seinen Reihen zu haben. Doch um ein Haar wäre es nie zu einem Engagement im Profifußball gekommen. Nach einiger Zeit bei Instituto AC Cordoba, wo er im Alter von zehn Jahren mit dem Fußball begonnen hatte, stand er vor einer schwierigen Entscheidung. Studieren oder trainieren? Er hatte gerade ein Studium der Betriebswirtschaftslehre begonnen, entschied sich dann aber doch für den Sport. Und das mit Erfolg. Der damals 22-jährige wechselte 1996 zu Rayo Vallecano in Spanien. Nach eher kurzen Gastspielen bei Real Valladolid und CA Lanus siedelte der in Buenos Aires geborene Klimowicz schließlich im Winter 2000 nach Deutschland über. Für ungefähr drei Millionen Euro sicherte sich der VfL Wolfsburg die Rechte an dem Torjäger.
Ein guter Transfer. Die Erfolgsgeschichte des Mannes mit polnischen Wurzeln, einem italienischen Vater und einem spanischen Pass begann. Bei den eher kühlen Niedersachsen wurde er dank seiner Spielweise und den vielen Toren sofort zu einem Publikumsliebling. Schon in der ersten Halbserie netzte er in 17 Spielen beachtliche zehn Mal ein. Für einen Südamerikaner, der im Winter nach Deutschland kommt, ein sagenhafter Einstand. Die folgenden Spielzeiten gestalteten sich ähnlich erfolgreich. 2004/2005 erzielter sogar 15 Tore in 33 Spielen. Insgesamt sechseinhalb Jahre begeistert der Argentinier die Fans und wird mit insgesamt 57 Toren in 149 Bundesligaspielen sogar zum alleinigen Rekordtorschützen des VfL.
Klimowicz heuert beim BVB an
Keine Frage, dass viele Klubs in der Bundesliga aber auch international auf den 1,91 Meter-Hünen aufmerksam werden. Borussia Dortmund bekundet schon im Sommer 2006 sein Interesse an dem Angreifer, doch Wolfsburg sperrt sich. Der Vertrag von Klimowicz wird noch einmal verlängert, ein Jahr später aber finden die beiden Parteien dann doch zueinander. Der 33-jährige Argentinier wechselt 2007 für eine Millionen Euro zum BVB. Fast ein Schnäppchen für den Mann, der in Wolfsburg so überzeugte.
Klarer Vorteil: Mit Dédé, Tinga und Valdez stehen zu diesem Zeitpunkt bereits drei Südamerikaner beim BVB unter Vertrag. Die Eingewöhnung wird Klimowicz somit erleichtert. Doch beim langsam gealterten Spieler macht sich ein Kräfteverschleiß bemerkbar. Schnell wird deutlich, dass Klimowicz kaum einmal mehr über neunzig Minuten gehen kann. Seine Einsätze lassen deshalb besonders zu Beginn der Saison noch zu wünschen übrig. Als beginnender Stoßstürmer weiß er nicht zu überzeugen. Auch weil ihm mehrere Verletzungen die Fitness rauben. Eine Sprengung des Schultereckgelenks beispielsweise, die er sich zu Rückrundenbeginn im Derby gegen den herauseilenden Manuel Neuer zuzog, hindert ihn am regelmäßigen Training. Besonders ärgerlich, weil der Argentinier gerade gegen Duisburg (Doppelpack) und im Pokal gegen Bremen angekommen zu sein schien. Seinen Trainingsrhythmus nach der Verletzung beschrieb der Stürmer einmal folgendermaßen. „Bis Donnerstag arbeite ich für mich alleine, Freitags trainiere ich dann mit der Mannschaft." Nur Spritzen gegen den Schmerz retteten ihn über die Spielzeit. Die Begründung für seine Trefferquote liegt für den Ex-Wolfsburger dennoch auf der Hand. Klimowicz sei bei seinen Einwechslungen so motiviert, weil er das Vertrauen der Fan spüre. „Ich bin zufrieden hier, die Fans sind unglaublich."
So kommt der 34-jährige Torjäger in seiner ersten Bundesliga-Spielzeit gerade einmal auf 1.303 Einsatzminuten, verteilt auf 28 Spiele. Ihm gelangen dabei sechs Tore, fünf davon nach seiner Einwechslung als Joker. Und diese Rolle füllte er auch im Pokal mehr als zufriedenstellend aus. Zwei seiner vier Treffer gelangen ihm auch hier als eingewechselter Edelreservist. Alle 163 Minuten traf er ins gegnerische Tor, eine beachtliche Quote. Nach Mladen Petric war er damit sogar der beste Schütze in Reihen des BVB.
Auch in dieser Saison ist für Diego Klimowicz trotz des Weggangs von Mladen Petric wieder die Jokerrolle vorgesehen. Wie im Pokal gegen Berlin, wo er nach drei Minuten traf. Einsätze von Anfang an wie gegen Hoffenheim verlaufen aber ebenso unerfolgreich wie in der letzten Spielzeit.
Der Argentinier, der in seiner Freizeit gerne angelt, ist eben der perfekte Einwechselspieler. Mit seiner körperlichen Präsenz vermag er, die Abwehr durcheinander zu wirbeln. Zudem ist der oft pomadig und unmotiviert wirkende Angreifer immer für den ein oder anderen Treffer gut. Denn gerade die ihm als negativ angekreideten Eigenschaften wie Nervenstärke und gelassene Spielweise helfen ihm immer wieder dabei, gefährlich vor dem gegnerischen Torwart aufzutauchen. Auch in dieser Saison wird das noch das ein oder andere Mal der Fall sein. Dann heißt es wieder: Klimowicz, der Topjoker, hat zugeschlagen.
DanielR, 29.09.2008