Das ungeliebte Fangeschenk
Pünktlich zur festlichen Bekanntgabe des neuen Hauptsponsornamens hat der BVB vor ziemlich genau einem Jahr seinen Fans eine riesengroße Fahne geschenkt. Doch war es wirklich der BVB? Wie jetzt bekannt wurde, wird die (neue) Fahne zukünftig de-installiert - auf Geheiß von Evonik-Vorsitz Dr. Müller.
Aber noch mal von vorn. Wir schreiben den 12.09.2007, in Essen enthüllt Dr. Müller den neuen Namen der vormaligen RAG. Zwei Tage vorher erscheint auf der BVB-Homepage eine Mitteilung, in der ein Geschenk des BVB an seine Fans beworben wird. „Über 1.000 Quadratmeter Stoff für die Süd" heißt es da. Einen Tag darauf, also ebenfalls vor der Enthüllung des neuen Sponsorennamens, hakt die Fanabteilung mit ein und unterstreicht nach ersten aufkommenden Stimmen, dass die Fahne ein Geschenk Borussias sei.
Schon damals fragte man sich zu Recht, warum diese Fahne erst am 5. Spieltag (Heimspiel gegen Werder Bremen) und damit ausgerechnet zur Namenspräsentation Evoniks installiert wurde. Der Verein beharrte auf seiner Darstellung, die Fahne sei ein Geschenk und „frei von diversen Werbebeschriftungen" - abgesehen natürlich von der überdimensionierten Hommage an den Hauptsponsor. Nach ersten Eindrücken brandet erneut Unmut auf, zuerst nur ob des Zeitpunkts (erstrahlt unsere Südtribüne doch vor allem zu „You'll never walk alone" meist in vollem Glanz), dann auch immer mehr aufgrund der Fahne an sich, wurde bei der Namensänderung des Westfalenstadions schließlich noch vollmundig verkündet, dass die Südtribüne werbefrei bliebe.
Der Protest weitet sich von diversen Internetforen sofort und konzentriert auf das Stadion aus. Neben lautstarken Pfiffen ertönen auch die berüchtigten „Die Fahne muss weg!"-Rufe, was den BVB dazu veranlasst, die Fahne nicht mehr bei „You'll never walk alone" herunterzulassen, sondern einen eigenen Platz im Vorprogramm für sie zu schaffen. Ein Teilerfolg für die Fanszene, denn die Fahne selbst ist inzwischen das eigentliche Problem. So reißt der Protest nicht ab und es kommt immer häufiger zu Spruchbändern gegen das riesige Werbeobjekt. Von hochrangigen Mitgliedern der Fanszene wird abschließend ein offener Brief an Dr. Müller verfasst, in dem das Anliegen sachlich vorgetragen wird - er bleibt bis heute unbeantwortet.
Pünktlich zur neuen Saison verlängert der BVB vorzeitig die finanziell wichtigen Verträge mit dem Namensgeber des Westfalenstadions und dem Hauptsponsor - zu deutlich niedrigeren Konditionen. Schon auf der entsprechenden Pressekonferenz zur Vertragsverlängerung im Trainingslager verkündet der Evonik-Bundesliga-Beauftragte Lutz Dreesbach, dass es zur neuen Saison auch eine neue Fahne gäbe, schließlich sei eine Fahne mit dem alten Trikot nicht realitätsgetreu. Spätestens hier räumt man also indirekt ein, die eigenen Anhänger in der Vergangenheit, unterstützt von der damaligen Abteilungsleitung der Fanabteilung, glatt belogen zu haben.
Im weiteren Gespräch vermittelt Dreesbach, dass die Fahne aus den VIP-Logen ein wunderbares und absolut beeindruckendes Bild ergäbe - dass rund ein Drittel der Stadionbesucher und fast die Hälfte der Dauerkarteninhaber des BVB allerdings jede Woche hinter dem Werbebanner steht, hat Dreesbach dabei offensichtlich nicht bedacht. Man würde zur neuen Saison „selbstverständlich" eine neue Fahne installieren, schließlich seien „nur ein bis zwei Prozent der Fans" dagegen. Selbst in Duisburg, wo Evonik zu dem Zeitpunkt gerade neuer Hauptsponsor wird (und inzwischen Auswärtstrikots in „deep purple" eingeführt hat), habe man neidisch nach Dortmund geblickt und gefragt, ob man „jetzt auch sowas bekommt".
Nun also die Kehrtwende. Nach zwei Heimspielen in der Bundesliga, bei denen jeweils auf die Fahne verzichtet wurde, obwohl klar erkennbar bereits eine neue installiert ist, hat man sich auf Rat von Neu-Trainer Jürgen Klopp darauf verständigt, es zukünftig ganz bleiben zu lassen. Der Trainer wurde in einer Gesprächsrunde mit Fanclub-Vertretern mehrfach auf das Missfallen des Werbebanners angesprochen und hat seinen Einfluss auf den noch-Vorsitzenden von Evonik wirken lassen. Dr. Müller sagt zu dem Thema, dass sich Evonik nicht querstellen wolle, wenn es zur Steigerung der Sympathie beiträgt. Wieso hat man das nicht bereits in der abgelaufenen Saison gemerkt, als bei jedem Heimspiel eine Vielzahl von Anhängern lautstark protestierte?
Auf der einen Seite ist es äußerst schade, dass unser Hauptsponsor beim Thema Fahne derart beratungsresistent scheint, dass erst der angesehene und überaus beliebte Cheftrainer einschreiten muss, bevor man sich den Wünschen der Fans stellt - obwohl diese mehrfach vorgetragen wurden. Auf der anderen Seite überwiegt jedoch die Freude, dass die Fahne offenbar endlich beseitigt ist und wir mit Jürgen Klopp einen Trainer gefunden haben, für den wir Fans nicht nur schmückendes Beiwerk auf der Tribüne, sondern erheblicher Teil des Vereins sind. Schließen wir das Kapitel nun also mit einem großen Dank an Jürgen Klopp und dem Wunsch für eine weiterhin positive Zusammenarbeit mit Evonik, immerhin erfreut das Unternehmen uns Fans des Öfteren mit amüsanten oder selbstironischen Werbeanzeigen und engagiert sich beispielsweise für das Borusseum oder die Initiative „Roter Keil". Es ist also nicht alles schlecht... und die Fahne ist weg.
NeusserJens, 17.09.2008