Pokalfinale? So interessant ist das auch nicht!
Zumindest rede ich mir das wie ein Mantra ein. Der ein oder andere hat ja vielleicht mitbekommen, dass ich Dank eigener Dämlichkeit am Finaltag ein paar tausend Kilometer von Berlin entfernt bin. So hänge ich meine Hoffnungen an ein Hotelzimmer mit ARD- und ZDF-Empfang und an ein Funktionieren des Mantras. Bis jetzt hat zumindest Letzteres noch gar keinen Erfolg.
So faszinierend und unfassbar toll es auch ist, zuzusehen, wie alles wild und unkoordiniert rumwuselt, um Anfahrt, Aufenthalt und - am allerwichtigsten - Finaltickets zu organisieren, es schmerzt. Es schmerzt, nicht ein Teil dessen zu sein und zu wissen, dass man am 19. April rein gar nichts dazu beitragen kann, dass wir dieses überdimensionale, goldene Bierglas nach Dortmund holen. Es schmerzt, an diesem Tag nicht bei seinen Freunden sein und ein tief in Schwatzgelb getauchtes Berlin erleben zu können. Schon der Gedanke daran, bei diesem Spiel nur am TV mit zu fiebern, verursacht Magenkrämpfe.
Aber vielleicht hilft diese Distanz - ohne die Nebengeräusche des überhaupt-dahin-Kommens - auch ein wenig dabei, das Unfassbare zu begreifen. Leute, habt ihr überhaupt alle schon richtig registriert, was uns da vor der Tür steht? Wir stehen im Pokalfinale. Wir spielen in Berlin. Von den 64 gestarteten Mannschaften sind nur noch zwei übrig geblieben und wir sind eine davon. Seit unserem letzten Pokalerfolg 89 war der BVB in diesem Wettbewerb fast ein Synonym für Peinlichkeiten und Pleiten. Wir haben nach dem Sieg gegen Frankfurt ja schon gejubelt, dass wir in diesem Wettbewerb überhaupt mal wieder ein Spiel nach der Winterpause bestreiten durften. An diesem einen Abend schaut ganz Fußballdeutschland nur auf uns. Nicht nur das, auch in vielen anderen Ländern wird man zusehen, wie wir den übermächtigen Bayern eine heiße Pokalschlacht liefern werden. Von neiderfüllten Blauen, die in die Tischkante beißen und hilflos zusehen müssen, wie wir den von ihrem Ex-Manager schändlich beschädigten Pokal in den Himmel heben, mal ganz zu schweigen.
Über 20.000 Borussen werden vor Ort sein und unsere Mannschaft anfeuern. Noch viel mehr werden ohne Karten die Straßen der Hauptstadt säumen und sie schwatzgelb einfärben. Elektrisiert, aufgekratzt und im Anschluss siegestrunken. Wenn das jemand zu Saisonbeginn vorausgesagt hätte, wäre derjenige wahrscheinlich maximal mitleidig belächelt und ausgelacht worden. Aber wir sind dabei und haben die Chance, eine ziemlich missratene Saison zu einer legendären zu machen. Gewinnen wir den Pokal, wird nach einiger Zeit niemand mehr über Platz 13, peinliche Pleiten im Derby und einem Platz 5 in Fernglasweite reden. Es wird die Rede sein von diesem einen Spiel, von neuen Pokalhelden und einer gigantischen Party. Wie nah Flächenbrand und Glückseligkeit doch beieinander liegen können.
Dieses Spiel wird etwas ganz Besonderes. Völlig egal, ob wir sicher im UEFA-Cup sind oder nicht. Genießt das Spiel und die Tatsache, dass der BVB einmal wieder die (national) große Fußballbühne betritt. An diesem Abend brechen wir aus der tristen Bundesligagegenwart im Niemandsland aus und treten ins Rampenlicht. Seien wir mal ehrlich: Egal wie sehr man sich in der Post-Niebaum-Ära mit einem fußballerischen Schattendasein abgefunden hat, es tut gut mal wieder auf der Sonnenseite zu stehen. Das haben sich unsere ehrwürdige Borussia und ihre Fans verdient. Könnte man ihr ein schöneres Geschenk zum letzten zweistelligen Geburtstag machen?
War da noch etwas? Ach ja, die anscheinend übermächtigen Gegner aus München. Klar, wir sind definitiv nicht der Favorit, aber was heißt das im Pokal schon? Vertraut mir: Irgendwann im November, nach einem Blick auf die Spielansetzung und dem darauf folgendem Magengrummeln, habe ich scherzhaft gedacht: "Ausgerechnet dieses Jahr kommen wir mal wieder ins Finale". Mit jeder weiteren Runde wurde aus dem Scherz mehr und mehr schmerzhafte Gewissheit. Und jetzt ist es Realität. Der Halbfinaltipp gegen Jena war dann auch folgerichtig ein 3:0. Der nächste Treffer. Vor dem zweiten Halbfinalspiel war mein Tipp, dass wir ein mögliches Finale gegen Wolfsburg verlieren, eins gegen die Bayern aber gewinnen werden. Es kann also eigentlich nichts mehr schiefgehen. Wir werden gewinnen. Ich will euch nicht die Spannung verderben, aber wir gewinnen 2:1 - das erlösende und entscheidende Tor wird um die 85. Minute herum nach einem Eckball fallen. Und warum? Weil Ziegler wieder zu seiner unglaublichen Pokalform aufläuft. Weil Tinga auf die rechte Seite wechselt und mit seiner urwestfälischen Wadenbeißermentalität den französischen Lenker auf bayrischer Seite aus dem Spiel nimmt. Und weil wir vorne die wenigen Chancen eiskalt nutzen werden. Das ist mein fester Glaube und der versetzt bekanntlich Berge.
Der Pokal bekommt seinen verdienten und würdigen Sieger, der ihn auch zu schätzen weiß. Mal ehrlich, wer will schon siegende Bayern sehen, die pflichtschuldig eine Ehrenrunde drehen und im Gedanken schon bei ihrer langweiligen Meisterfeier auf dem Marienplatz sind? In Dortmund wird er zelebriert und mit einer gigantischen Party geehrt. Der Fußballgott wird uns also wohl gesonnen sein.
Und ich werde dann den Fernseher ausschalten und über den Verlauf des restlichen Abends mein All-inclusive-Mäntelchen des Schweigens legen. Viel Spaß in Berlin und kommt mir bloß nicht ohne Trophäe nach Hause.
Sascha, 26.03.2008