Finanzkrise und der Fußball mitten drin
Die Finanzkrise zieht immer weitere Kreise. Das einstige Vorzeigeland Island hängt mittlerweile am internationalen Geldtropf. Die Immobilienmärkte in den USA, Großbritannien und Spanien sind eingebrochen. Mehrere europäische Ländern stehen kurz vor einer Rezession oder stecken schon drin. Mittlerweile hat sich die Kreditkrise auf die Realwirtschaft ausgeweitet. Die ersten Industriekonzerne setzen die Produktion aus, erweitern die Weihnachtsferien und die mittelständischen Unternehmen beklagen sich über den Kreditmangel für Investitionen. Das alles verunsichert die Konsumenten und die Konsumzurückhaltung steigt. Private Ausgaben werden verschoben oder ganz neu überdacht, und nach Analystenmeinung hat sich die Talsohle noch nicht mal gebildet.
Aus Amerika schwappt die Nachricht über den Atlantik, dass sie sich die ersten Kultureinrichtungen unsicheren Zeiten gegenüber sehen. Dieser Bereich ist dort stark vom Sponsoring durch Firmen abhängig. In den letzten Wochen meldet sich nun auch die Finanzkrise im europäischen Fußball zu Wort. In Spanien straucheln die von Immobilienhaien abhängigen Klubs gewaltig. Ungeheure Schuldenmeldungen kommen währenddessen aus England, dem Mutterland des Fußballs. Hier haben sich Mäzene und Investoren massiv eingekauft. Beide trifft die Finanzkrise nun. Der isländische Besitzer von West Ham United, Bjorgolfur Gudmundsson, war gleichzeitig Großaktionär bei der zweitgrößten isländischen Bank, der Landsbanki. Nun verkündete der Klub, vorerst kein Geld für neue Spieler mehr zu haben. Der Liverpool FC gab an, den Stadionneubau zu verschieben. Die Trikotsponsoren von Manchester United und Newcastle United hören auf so klangvolle Namen wie AIG und Northern Rock, beides Unternehmen die im Zuge der Finanzkrise (teil-)verstaatlicht werden mussten. Erste Investoren haben schon ihre Angebote für englische Fußballklubs zurückgezogen.
Doch auch bei Vereinen von Mäzenen macht sich Unruhe breit. So soll Roman Abramowitsch zwölf Milliarden Pfund im Verlauf der Finanzkrise verloren haben. Bei Chelsea gibt man mittlerweile zu, dass man die Folgen der Finanzkrise sehr wohl spüren wird.
Und die deutschen Klubs? Christian Seifert hat keine Sorgen in dieser Richtung und auch Bernd Hoffmann rechnet nicht mit Einbußen. Sollte die Bundesliga also ungeschoren davon kommen? Immer wieder wird in diesem Zusammenhang gerne auf die 50+1 Regel verwiesen, die als Begründung herhalten muss, dass die deutschen Klubs besser aufgestellt sind.
Dabei werden gerne die zahlreichen Sponsoren aus der Finanzwelt ausgeblendet. Neben Fällen wie Energie Cottbus, dass scheinbar ohne die hiesige Sparkasse nicht auf dem aktuellen Niveau überlebensfähig wäre, sind eine ganze Reihe von Finanzinstituten als Sponsoren in den Bundesligen aktiv. Allein das Westfalenstadion, das Niedersachsenstadion, das Volksparkstadion, das neue Münchner Stadion, das Frankenstadion, das Ostseestadion, das Frankfurter Waldstadion und das Stadion am Bornheimer Hang hören mittlerweile offiziell auf Namen von Firmen, die direkt in den Finanzmarkt involviert sind. Es lässt sich generell kaum ein Fußballverein finden, der nicht irgendwelche Banken zu seinem Sponsorenpool zählen kann. Klubs wie Hansa Rostock sollen schon nervös werden, denn die DKB ist ein Tochterunternehmen der BayernLB, die voll von der Finanzkrise getroffen wurde. In der jetzigen Zeit sind neue oder ausgeweitete Sponsoringengagements wohl kaum vermittelbar. Verträge laufen dennoch aus. Insofern hat der BVB gut daran getan, die entscheidenden Verträge zeitig verlängert zu haben. Gerade die Ablösung von Morgan Stanley mag sich als Glücksfall erweisen.
Doch auch die Industriekonzerne beginnen, reell unter der Krise zu leiden. Die Zukunft wird zeigen, ob Konzerne weiterhin so großzügig beim Verteilen der Sponsoringgelder sind. Gerade die geplante erhöhte Exklusivität für das Bezahlfernsehen könnte noch zusätzlich hemmend auf die Erlöse aus Trikot und Bandenwerbung drücken. Selbst die Unternehmensklubs wie Wolfsburg und Leverkusen bekommen es zu spüren, wenn ihre potenten Geldgeber kriseln.
Aber zurück zum Fernsehen: Dort erhofft man sich nun zumindest stabile Einnahmen. Das soll durch mehr unterschiedliche Spielzeiten und mehr Exklusivität erreicht werden. Damit kommt man Premiere entgegen, immerhin dem Konzern, der vor einigen Wochen die Bombe bei den Abonnentenzahlen platzen ließ und seit dem als Sorgenkind gilt. Die öffentlich rechtlichen Sender haben schon angekündigt, ihre Angebote zu senken, wenn sie in ihrem Rechtepaket eine Verschlechterung sehen. Dank der Untätigkeit der Liga hat das Kartellamt nun auch grundsätzlich klargestellt, dass die Liga nicht um eine frei empfangbare Spieltagszusammenfassung herum kommt. Damit ging der DFL ein gewichtiges Verhandlungsargument mit den öffentlich rechtlichen Sendern verloren; dass man im Notfall auch aus der Übertragung aussteigt, haben hingegen ARD und ZDF gerade bei der Tour de France bewiesen. Die DFL scheint da allerdings auf das angebliche Interesse von der ProSiebenSat1 Media AG zu setzen. Ein Unternehmen, das nach der durch seine Eigentümer KKR und Premira erzwungenen Übernahme von SBS eine bedrohlichen Schuldenberg angehäuft hat und einen Tanz auf des Messers Schneide aufführt. Das alles zu Zeiten, in denen die Fernsehsender mit sinkenden Werbeerlösen rechnen müssen.
Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die DFL samt Bundesligabosse wieder auf die häufig angewandte "Augen zu und durch"-Taktik setzen. Wie schon bei der Auseinandersetzung mit dem Kartellamt wird so getan, als wäre das Problem eigentlich nicht von Belang für den Fußball. Dies war und ist umso erstaunlicher, da man ansonsten nicht müde wird zu betonen, dass die Klubs wie mittelständische Unternehmen geführt werden. Es scheint wieder der Reflex ein zu setzen, die Augen vor der Realität zu schließen, sobald sie einem nicht passt. Man sehe das Problem, sei aber selber gut aufgestellt, verlautet es von Klubs, DFL und UEFA. Leider wurde das im Verlaufe der Finanzkrise schon oft verkündet, um sich später als inhaltslose Luftblase heraus zu stellen.
Die Bundesliga scheint besser aufgestellt zu sein als die Ligen in Spanien, England und Italien, doch die Sicherheit, die verbreitet wird, mag trügerisch sein. Gerade für die kleineren und finanzschwachen Klubs könnte es in der nächsten Zeit ungemütlich werden. Für die Fans steht zu befürchten, dass die Einnahmeverluste durch steigende Eintrittspreise kompensiert werden sollen.
Hoeneß' warnende Worte in der Sportschau lassen jedenfalls Schlimmeres befürchten, denn am Ende behielt der Bayernmanager meist recht.