Von einem der auszog, Kröten zu schlucken und zu versöhnen
In der Bundesliga haben fast alle Stadien ihren Geburtsnamen verloren. Wenn man ehrlich ist, haben das 80% aller erwachsenen Frauen auch. Das ein oder andere Stadion, idyllisch an den Ufern mittelgroßer Bundeswasserstraßen gelegen, hat seinen Namen zwar (noch) behalten, erinnert aber sonst mit keiner einzigen Stehplatzterrasse an die alte Spielfeldumrandung.
Spielfeldumrandung? Richtig, so ein Stadion ist in erster Linie Spielfeldumrandung. Mal laut und lustig, mal leise und luftig. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Früher wurden Zäune gezogen, damit man Eintrittsgelder kassieren konnte. Heute werden meistens Zäune abgebaut, damit man noch mehr Eintrittsgelder kassieren kann. Eingebettet in diese verquere Logik der Spielfeldumrandungen, wird momentan eine Diskussion über Namen geführt. Findige Geschäftsleute haben nämlich herausgefunden, dass man abseits von auf- oder abgebauten Zäunen, sehr viel mehr Geld mit den Namen dieser Spielfeldumrandungen verdienen kann. Da man schon die Zäune zu einem falschen Zeitpunkt abgebaut hat - nimmt man die heutigen Altmetallkurse, hätte man erst nach der WM 2006 mit dem Abbau der Zäune beginnen sollen - wittert man jetzt ein langfristiges Geschäft im Handel mit Namen.
Jetzt haben wir aber ein Problem. Wir haben zwar eine Spielfeldumrandung mit weitestgehend abgebauten Zäunen, haben aber nicht den richtigen Namen für diese Spielfeldumrandung.
Natürlich hatte diese Spiel....(nein, ab jetzt Stadion) dieses Stadion seit seiner Grundsteinlegung einen Namen. Wo kämen wir in Deutschland denn hin, wenn der Name nicht bereits vor der Einweihung existiert hätte? Eigentlich konnten so alle zufrieden sein. Man hatte ein schönes Stadion, eingebettet in eine liebliche Parklandschaft [sic~]] und einen wundersch&oouml;nen Namen. Über diesen Namen wurde wenig gestritten - und wenn über diesen Namen gestritten wurde, dann nur von Leuten, die sich auch 38 Jahre später noch über Bochum und Wattenscheid streiten.
Eigentlich hat dieses Stadion heute auch einen Namen, dieser Name gefällt aber den Leuten nicht, denen früher auch die Zäune nicht gefallen haben. Man hat also ein noch schöneres Stadion, immer noch eingebettet in eine liebliche Parklandschaft (ab jetzt werden parkähnliche Landschaften gefährlich) und einen Namen, über den seit geraumer Zeit erbittert gestritten wird. Womit wir eigentlich wieder bei Bochum und Wattenscheid wären - aber dazu an anderer Stelle mehr.
Soll ich ehrlich sein? Mir gefällt dieser Name auch nicht. Aber wisst Ihr was mir noch viel weniger gefällt? Stadien mit Zäunen. Die findet man nämlich in der Oberliga (siehe: Wattenscheid).
Das sind die Stadien, für deren Namen sich (fast) niemand mehr interessiert. Lohrheide, Grotenburg, Hafenstraße und Stadion an der Hammer Straße. Alles Stadien, die ihre besten Zeiten seit Jahrzehnten hinter sich haben, die heute nur noch Groundhoppern, Zaunliebhabern und Oberligisten ein Begriff sind.
Natürlich, ich bin Fußballfan. Wankelmütig in meiner Natur. Eine hitzige Pokalschlacht an der Hafenstraße macht mir auch nach 25 Spielzeiten noch feuchte Augen. Damit bin ich aufgewachsen, da schlägt mein Herz immer noch einen Tick schneller - und ab und an gönne ich mir auch noch einen Zaun, der mir dann ruhig über 90 Minuten die Sicht versperren darf.
Der Rest ist Borussia Dortmund und Bundesliga. Dort stehe ich in meinem Stadion und unterstütze meine Borussia. In diesem Stadion ist mir nicht nur die Berechtigung für eine Jugenddauerkarte abhanden gekommen, auch die ein oder andere Illusion ist im Laufe der Jahre verloren gegangen. Heute weiß ich, dass man Kröten auch schlucken kann. Ich weiß aber auch, dass ich den Nato-Stacheldraht und die Zäune von Stuttgart, Hamburg, Frankfurt, Brügge, Brüssel und Hillsborough nie wieder sehen möchte. Die Punkte Geld, lebensrettender Komfort (ja, auch das ist eine Frage der finanziellen Mittel) und Konkurrenzfähigkeit sind für mich heute nun einmal untrennbar miteinander verbunden.
Ob ich das schön finde? Darum geht es nicht. Die Geschichtsbücher vergessen Spieler, Trainer, Präsidenten und Funktionäre. Stadien vergessen sie nicht - egal welchen Namen sie tragen. Arsenal und Manchester City haben ihre Heimat verloren, Liverpool wird sie in absehbarer Zeit verlieren. Denkt in der ganzen Diskussion eigentlich jemand an die Borussen, die ihre „Rote Erde" verloren haben? So gesehen reden wir über einen Schriftzug auf der Rückseite der Haupttribüne. 15 illuminierte Buchstaben, für die ein Unternehmen aus der Region ein paar Sekunden in der Sportschau bekommt. Die ganze Bandbreite dieser Diskussionen entzweit uns vollkommen unnötig.
Es ist und bleibt mein (unser) Stadion. Es lebt. Sein Pulsschlag sind die gemeinsamen Erinnerungen, unsere Gesänge, die sportlichen Beinahe-Tragödien und die unzähligen Momente, die man noch nie kaufen konnte. Für kein Geld der Welt.
Für immer.........
Schwatzgelbe Grüße