Halb besoffen ist wie Halbfinale
So als Frührentner sollte man sich seine Zeit gut einteilen. Issen knappes Gut, datt kann ich euch sagen. Watt war datt früher schön, heute zuppt dir andauernd eina am Ärmel rum: Mach doch ma eben, du hast doch Zeit. Jau, ganz bestimmt. Ständig irgendwelche Kühlschrankflüchter bei de Diskaunter jagen. Heute hatt ich mir aber schön 2-3 Stündchen gepuffert. Den Herrgott mal nen guten Mann sein lassen. 2-3 Segelschiffchen später is mir dann die Vorschlussrunde wieder eingefallen. Da bin ich ja ein Mann der Tat, bevor ich mittags um 12:00 Uhr schon datt halbe Morsealphabet voll hab.
Also hab ich mich auf dem Weg zur Geschäftsstelle gemacht. Ticket fürs Halbfinale abholen. Is ja doch schon watt her, datt wa unter den letzten vier Auserwählten waren. Dann auch noch nen Heimspiel gegen den Letzten der 2. Liga. Jena, von Carl Zeiss die Betriebsmannschaft. Wie die wohl ins Halbfinale gekommen sind? Das wissen auf diesem Planeten wohl nur zwei Menschen: Armin Veh und Jan Simak. Da sollte man doch glatt Borussia-Aktien kaufen.
Jena? Da war doch mal watt mit Horst. Genau, mit meinem alten Kumpel Horst vonne Metzer Straße. 1981 war datt. Ne Ewigkeit her. Wir beide noch so richtig frisch und voller Tatendrang. Beim Derby konnten wa datt damals nich so richtig ausleben, der Horst hatte in der Saison Stadionverbot. Kinderkram, ne kleine Kegelei anne Nordtribüne. Aber wie datt dann so is, eine Saison durfteste dich nich blicken lassen bei den falschen Ordnern.
Wir krichten dann spitz, datt Jena im Europacup der Pokalsieger datt
Endspiel erreicht hatte. Gegen Dinamo Tiflis. Datt waren damals noch
magische Namen für uns Jungspunde. Mit einem Ohr am
Mittelwellenempfänger hängend, wurden solche Namen nur flüsternd
weitergegeben, und das auch nur an wirklich gute Freunde. Tiflis, der
wilde Osten. Das war Weite, endlose Steppen, unbekannte Stadien, Wodka
aus Wassergläsern, Oleg Blochin und schöne Frauen. Also haben wir beide
unsere letzte Kohle genommen und bei der Bahn innen Interrail-Ticket
umgetauscht. Den Fahrplan hatten wa auch schon, 73 Stunden die einfache
Fahrt, umsteigen in Gütersloh, Berlin Zoologischer Garten und Warschau.
Watt machen die Arschgeigen vonne UEFA? Dieser Schweizer Club seniler
Steuerflüchtlinge? Die legen datt Endspiel nach Düsseldorf. Datt hätten
wa auch mitte Puch von Horst geschafft. Standen wa da wie die Doofen.
Einfache Fahrt nach Düsseldorf für 135 Mark. Jena hat dann das Endspiel
1:2 verloren. Seit diesem Tag kann ich datt doofe Gelaber von dem Hans
Meyer nicht mehr hören. Der war nämlich damals in Jena für Training,
Alkoholverbot und Westkontakte zuständig. Danach ham wa Jena für lange,
lange Zeit aus den Augen verloren. Einmal ham se uns noch in Dortmund
geärgert und gegen den RWE kamen se ma im Fernsehen. War nen wichtiges
Spiel, auch nen Halbfinale. Haben se natürlich auch wieder vergeigt. Is
aber auch alles schon wieder 15 Jahre her. Ham alle schon bessere
Zeiten gesehen. Jena, die vonne Hafenstraße, der Horst ganz bestimmt -
und meine Borussia auch. Schwenken wa lieber wieder um auf 2008.
Unterwegs auffe Lindemannstraße dachte ich noch, in Dortmund wär
Feiertach. Strahlende Gesichter, geschmückte Fenster, wehende Fahnen, und alles auffem Weg zur Geschäftsstelle. Überall nur ein Thema: Das
Endspiel gegen Bayern, die aus München. Fehlte noch, dattse sich schon
vor der Geschäftsstelle freudentrunken in den Armen liegen. Irgendwatt
war hier faul. Auch inne Geschäftsstelle nur ein Thema. Wie komme ich
an ein Finalticket? Der junge Mann am Schalter leiert schon seit einer
halben Stunde die gleiche Platte runter: "Tickets für das Endspiel
schickt uns der DFB erst Anfang April". Als sich die Reihe vor mir
aufgelöst hat, fängt der wieder mit seiner Litanei an. "Tickets für das
Endspie..." Da is mir der Kragen geplatzt.
Hörma, mein Junge. Schnüffel ma weniger an deiner Druckertinte und mach mir mein Halbfinalticket. Ich hab Jena schon gesehen, da haben se deinen Papa noch im Kinderhort unter der Süd abgegeben. Wechsel mal die Lautsprecherdurchsage und mach mir den Passierschein fertig.
Da guckta baff. An Jena hatte der wahrscheinlich garnich mehr gedacht. Während der Feierlichkeiten ham se wohl vergessen, ihm datt auf den Wochenplan zu schreiben. Manche darfse nicht allein anne Bahnsteigkante lassen.
Ich hab datt schon vor dem Spiel gegen die Traditionsmannschaft aus der Nähe von Heidelberg auffe Tribüne gesacht: Pass auf, wenn die heute gegen datt Rhein-Neckar-Chelsea gewinnen, drehen die alle wieder durch. Träumen die alle hier von 1989. Achte drauf, dann legt sich die Hälfte der Haupttribünen-Geheimratsecken wieder ne Vokuhila zu.
Kam natürlich auch wie es kommen musste. Die Bananen aussen Keller geschleppt, hoch die goldgelben Tassen, heute lassen wa die Liga einfach Liga sein. So kann man dann auch den Auftritt anne Weser zusammenfassen. Die hatten wa doch schon im Achtelfinale, da reicht dann die zweite Mannschaft. Kricht auffe Ränge garantiert keiner mit, träumen doch eh alle von Berlin. Dazu noch der August vonne Zahnarztkammer Kurpfalz mit seine Tröte am Hals. So einer krakeelt jetzt nachen Videobeweis. Der hat ja nicht einmal sein manuelles Signal im Griff, den kannse doch nicht an sonne komplizierte Videokamera lassen. Die hängta sich aus Gewohnheit wahrscheinlich auch um Hals und filmt 90 Minuten seine Noppenschuhe.
Überhaupt, die Liga. Datt wird in diesem Jahr wieder nix. Im Konzert der Großen könnense einfach nicht mitgeigen. Reicht nich. Da muss man jetzt nicht böse sein, aber bissken mehr hätten wa schon erwartet. Son Zieleinlauf zwischen 12-14 is doch reichlich viel Magerkost, oder? Gott sei Dank haben se die Belegschaft inne Abteilung der Fußinvaliden vor Jahresfrist ordentlich aufgestockt. So Kassenpatienten wie Cottbus, Duisburch, Nürnberg, Bielefeld und Rostock. Wohl dem, der solche Feinde hat. Da kannste den Abstieg ruhig von langer Hand und bis ins letzte Detail planen, datt schaffste nich. Sieht so aus, als würden wa noch nen Jahr ohne Gladbach und Köln schaffen. Datt is fast besser also son Trophäenschrank mit den ganzen Staubfängern. Von so Schränke mit Kostbarkeiten können se dir in Gelsenkirchen watt erzählen, datt glaub ma. Da brauchen se nur ne Putzfrau, wenn der Olaf auffe jährlichen Butterfahrt ma wieder mitte Gläser um sich wirft. Da hatta sich mit dem Chef aber schwer vertan. Der hat ihn doch glatt den erstbesten Pokal anne Murmel gehauen. Nen ganz gepflegter Löschvorgang war datt, die 3 Punkte Regel is seitdem weg. 12 Jahre Abendschule mit Thorsten Legat - auf einen Schlach vernichtet. Der Pokal sah danach aber auch nicht viel besser aus.
So, jetzt muss ich abba los. Wir kriegen heute nen Computer. Mit sonne DFL Leitung und dem ganzen Gedöns. Is ja nicht so, datt wir hier nich mitte Zeit gehen. Kann ich den ganzen Derbymaschierern ma watt von Halbfinale erzählen. Dieter Schatzschneider noch nen Begriff? Son Kalb von Fortuna Köln. Der war chronisch erfolglos. An den Tresen der Kölner Südstadt genauso wie in den Strafräumen der 2. Liga. Datt war wie "Zeit des Erwachens". Für 20 Minuten ist der Troll damals aus seinem Dämmerzustand erwacht, quasi son Robert De Niro für Arme. Dann wieder 25 Jahre Tiefschlaf. Nicht einmal im Dschungelcamp wollten se den haben. Kennt ihr garnich mehr, wa? Fortuna Köln mein ich. Den Dieter muss man auch nich unbedingt kennen, aber Fortuna war damals schon ne Hausnummer, datt kann ich euch sagen. Aber datt is jetzt ne andere Geschichte - und außerdem haben wir es ihnen nen paar Jahre später ja ordentlich heimgezahlt.
Karl Choleri, 04.03.2008