Ein torkelnder Riese im Porzellanladen
Um es gleich vorweg zu nehmen. Dabei ging einiges zu Bruch. Die Aufbauarbeit der letzten Wochen, das nach Udine angeschlagene Selbstbewusstsein bekam einen weiteren Knacks und auf den Rängen hat man ab der 50. Minute den eigenen Support auch in Scherben gelegt.
Dabei hatte die Auswärtsfahrt recht lieblich begonnen. Rund ums das mit 26.000 Zuschauern ausverkaufte Carl-Benz-Stadion in Mannheim war eine Art Volksfest zu spüren. Schönes Wetter, einige nette Lokale in direkter Nachbarschaft des Stadions. Es schien als hätte Hoffenheim & die Stadt Mannheim auf Borussia Dortmund gewartet. Dieser Einladung waren knapp 5.000 BVB-Fans nach Mannheim gefolgt. In der Nähe des Luiseparks, unweit der Autobahn, liegt das Stadion direkt am alten Bundesgartenschaugelände „Luisepark". Das Stadion selbst versprüht in etwa den Charme einer Hafenstraße. Es pendelt zwischen Oberliga (Waldhof Mannheim) und Bundesliga (Hoffenheim). Kuriosität am Rande. Das Stadion des ruhmreichen Ortsrivalen VfR Mannheim (Deutscher Meister 1949 - im Endspiel gegen Borussia Dortmund (!). Die legendäre Hitzeschlacht von Stuttgart / 3:2 nach Verlängerung vor über 90.000 Zuschauern) liegt nur 30 Meter hinter Gästetribüne. Dort fristet der VfR Mannheim im Rhein-Neckar-Stadion ein eher beschaulich-tristes Dasein.
Sportlich passte an diesem Bundesliga-Sonntag in Mannheim nichts - aber überhaupt nichts. Beängstigend sicherer Systemfußball der Marke Hoffenheim ist auf eine junge, völlig umgebaute Dortmunder Mannschaft getroffen. Der BVB präsentierte sich dabei gleich auf fünf Positionen umgebaut. Lee, Kehl und Kuba auf der Bank, Alex Frei und Mats Hummels nicht einmal im Kader.
Dafür sollten Felipe Santana, Schmelzer, Federico, Sahin und Klimowicz das Dortmunder Spiel kontrollieren und antreiben. Ein Plan, der bereits ab Spielminute 5 (1:0, 05. Minute / Ibisevic nach Vorarbeit des bärenstarken Tobias Weis) in alle Einzelteile zerlegt wurde. Streckenweise war es eine Demontage. Das Urteil klingt hart, aber anders lässt es sich nicht beschreiben. Eine Leistung, die auch die Startaufstellung in einem fragwürdigen Licht erscheinen lässt.
Das 4:1 nach 90 Minuten muss man sogar als schmeichelhaft bezeichnen. Hoffenheim war in allen Belangen überlegen. Läuferisch, taktisch, in Sachen Ballsicherheit, in der Raumaufteilung, beim Verschieben der Mannschaftsteile. Was Gelsenkirchen im Derby nur über 60 Minuten abrufen konnte, hat Hoffenheim über 90 Minuten demonstriert. Fußball modernster Prägung, gepaart mit herausragenden Einzelspielern. Dortmund dagegen erschreckend schwach. So einen Einbruch hat rund um Dortmund wohl niemand für möglich gehalten. Mit Bundesliganiveau kann man diese Leistung nicht beschreiben. Manchmal fehlten den Fans auf den Rängen auch einfach die Worte.
Zu den Dortmunder Fans: Nach dem deprimierenden 0:3 direkt zu Beginn der zweiten Halbzeit (3:0, 46. Minute / Ibisevic nach feiner Vorarbeit von Ba) schlug das Bild auf den Rängen um. Hatte der farbenfrohe BVB-Anhang vor dem Spiel und über weite Strecken der ersten Halbzeit im Stadion dominiert, wurde die Stimmung nach diesem frühen Knackpunkt der Partie zunehmend aggressiver. Der hohe Rückstand lies den Support der eigenen Mannschaft einschlafen. Neue Feindbilder waren schnell gefunden. Ohne da jetzt ins letzte Detail gehen zu wollen, der Auftritt war ab Minute 50 nur noch schwer zugänglich und noch schwerer vermittelbar. Da hat sich der Dortmunder Anhang über Jahrzehnte - gerade auswärts - schon weitaus besser präsentiert. Was dabei ganz klar auf der Strecke geblieben ist, ist der Support der eigenen Mannschaft. Das Problem dabei ist eigentlich ziemlich klar. Man erreicht damit fast niemanden - und ganz bestimmt nicht sein eigenes Team. Da wurde eine richtig gute Aktion (die farbenfrohen gelben T-Shirts, der gute Spruch, der lautstarke Support der ersten Halbzeit) zu einem recht unschönen Spektakel.
Die (ziemlich leichte) Bewertung
Weidenfeller
Der Freistoß sah nicht unhaltbar aus. Sonst oft allein auf weiter Flur.
Hatte hinter dieser Abwehr nicht gerade wenig Arbeit. Eine gute 4
Subotic
Sein Tor in der 90. Minute erspart ihm eine schlechtere Note. Der
Überflieger ist auch auf dem harten Boden der Bundesliga gelandet. 4
Rukavina
Ständige Fehlerquelle auf seiner Seite. Unsicher in den Zweikämpfen. Überhaupt nicht sein Tag. Glatte 5
Santana
Wenn man so will, der zerschossene Turm in der Schlacht. Hat wenigstens
ab und an ein Kopfballduell gewonnen. Trotz seines mangelhaften
Aufbauspiels noch eine 4
Schmelzer
Das war überhaupt nichts. Da musste der Junge wirklich Lehrgeld
bezahlen. Ganz schwacher Auftritt. An ihm sollte man die
Mannschaftsleistung aber nun wirklich nicht festmachen. Glatte 5
Florian Kringe
Ohne Glück, ohne Zweikampfstärke, ohne die läuferischen Mittel. Der
Kapitän von Mannheim wird diesen Auftritt am liebsten ganz schnell
wieder vergessen. Glatte 5
Tinga
Fleißige Arbeitsbiene mit einem quälend langsamen Aufbauspiel. Hat ganz
gut angefangen, aber nach knapp 20 Minuten auch völlig den Überblick
verloren. Wenn man so will - eine bessere 5
Federico
Nicht existent. War gegen die spiel- und laufstarken Hoffenheimer völlig überfordert. Eine glatte 5
Sahin
Identisch. Nicht existent. War gegen die spiel- und laufstarken Hoffenheimer völlig überfordert. Eine glatte 5
Valdez
Laufen allein reicht dann halt doch nicht. Zerfahren und ungeordnet sein Spiel. So wird das in fremden Stadien nichts. Glatte 5
Klimowicz
Noch schlimmer als Nelson. Kann in dieser Form keine Ansprüche stellen. Unglaublich. Eine satte 5
Sadrijaj
Kam in der zweiten Halbzeit für Klimowicz. Knüpfte auch gleich nahtlos an dessen Leistung an. Ging einfach mit unter. Glatte 5
Kuba
Wurde in der zweiten Halbzeit für Federico gebracht. Zwar schneller und
lauffreudiger, aber dem Spiel konnte er auch keine Impulse mehr
verleihen. Glatte 5
Kehl
Konnte das Heft in den letzten 25 Minuten auch nicht mehr in die Hand
nehmen. Da war das Spiel aber auch längst gelaufen. Für diese 25 Minuten
daher ohne Benotung.
Trainerstimmen
Jürgen Klopp
Ja, das war heute mehr als deutlich. So haben wir uns das ganz sicher
nicht vorgestellt. Herzlichen Glückwunsch an Ralf Rangnick. Das war
richtig guter Systemfußball den Hoffenheim da gespielt hat. So stellt
man sich das als Trainer vor. Natürlich sind die Gegentreffer für uns
etwas unglücklich gefallen. Zu Beginn des Spiels und unmittelbar nach
der Pause. Aber trotzdem - Hoffenheim war deutlich überlegen. Wir haben
schwarze Tage, eine schwarze Woche hinter uns. Uns ist seit Montag nicht
viel gelungen. Aber eine Sache ist auch klar. Wir brauchen Zeit, wir
kennen unsere Problemzonen, die müssen wir dringend aufarbeiten. Dafür
aber benötigen wir Zeit, aber daran arbeiten wir auch tagtäglich.
Ralf Rangnick
Das war ein richtig guter Auftritt. Wir haben aber auch schon gegen
Stuttgart gut gespielt. Heute haben wir die Tore gemacht. Das hat uns
gegen den VfB noch gefehlt. So haben wir uns das heute vorgestellt. Die
Zuschauer waren zufrieden. Wir können das aber auch richtig einschätzen.
Das war sehr viel Laufarbeit, die Jungs haben schwere Beine. Heute
dürfen sich die Jungs freuen. Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Unser
Augenmerk liegt aber schon auf Mittwoch. Dann wartet der SC Freiburg im
Pokal. Das wird ein ganz schweres Spiel. Wie gesagt, heute darf sich die
Mannschaft noch ausruhen. Ab morgen bereiten wir uns dann sehr genau
auf das Spiel in Freiburg vor.
Zum Kleingedruckten
1:0 05. Min. Ibisevic
2:0 25. Min. Salihovic
3:0 46. Min. Ibisevic
4:0 67. Min. Eduardo
4:1 90. Min. Santana
Zuschauer: 26.300 (ausverkauft / ca. 5.000 Dortmunder im Stadion)
Gelbe Karten Nelson Valdez (42. Min.)
geschrieben von Rolf