Spielbericht Profis

Standardisierter 2-Punkte-Verlust

24.08.2008, 18:05 Uhr von:  Redaktion
Standardisierter 2-Punkte-Verlust
Westfalenstadion

Was im Titel ein wenig pessimistisch anmuten mag, ist eher als positive Erkenntnis aus dem Bayernspiel mitzunehmen: Nur in der zweiten Halbzeit, und dort vor allem bei Standards, wackelten freche und agile Dortmunder so stark, dass Ihnen von kämpfenden (!) Bayern zwei Punkte abgeluchst werden konnten.

Und damit zu den wirklich Pessimistischen an diesem Nachmittag, den Gegnern. Selten entnahm man derart nervöse und siegesunlustige Schwach-Semantiker aus dem Süden. Man sei „bange, zum BVB zu fahren“ oder glaube „so nichts da oben holen zu können“. Mit einem Punkt sei man zufrieden, verlautete es gar aus dem Mund des Metzger-Managers nach dem Spiel. Verkehrte Welt oder unprofessionelles Understatement? Total egal; Fakt ist, dass die Gäste die Hosen so sehr voll hatten, dass sie zum einen weniger als erwartet waren und zum anderen nur durch eine gut 30-Mann starke Nackedei-Fraktion im Block 61 zu sehen und stellenweise zu hören waren.

Auf der Süd hingegen Spruchbänder gegen die Verlängerung des Verkaufs der Namensrechte des Westfalenstadions und beste Wünsche für den verletzte Dédé. Aber vor allem kam eines von Beginn an: Support mit Vollgas, was sich schnell auf die Mannschaft übertragen hatte.

Halbzeit 1

Nach zwei Minuten tankt sich der hochmotivierte und von Zeljko Buvac noch kurz vor Anpfiff geherzte Zidan auf rechts durch, doch der Versuch wird noch abgewehrt. Überhaupt waren Zidan und Valdez, im Grunde ähnliche Spielertypen, durch das engagierte Pressing und konsequente Rochieren ständige Unruheherde. Und eben diese Tugenden wurden in der zehnten Minute belohnt: Der bärenstarke Kuba spielte auf halbrechts Valdez an, der das Leder mehr oder weniger freiwillig zurück auf Kuba ablegte. Der fasste sich endlich ein Herz und ballerte von der Strafraumgrenze mit dem rechten Außenrist in den linken Winkel. Wahnsinn dieser Kuba, der bisher nicht wieder zu erkennen ist. Endlich auch mal willig, den Abschluss selbst zu suchen, und spritziger als in der Saison zuvor. Außerdem scheint ihm der ständig marschierende Rukavina gut zu tun. Jedenfalls wird er den grinsenden P. Degen nicht allzu sehr im Rücken vermissen. Infolgedessen bebte die Süd, der Gästebereich hingegen völlig konsterniert – und auch insgesamt leiser als sonst im Westfalenstadion.

van Bommel, Platzverweis

Nach dem Tor ließ sich der BVB allerdings zurückfallen – und machte die Bayern stark. Erst prüfte Ottl Ziegler mit einem abgefälschten Fernschuss, dann flog Ziegler gefährlich an einer Ecke vorbei. Man könnte natürlich – zu Recht – sagen, dass die Standards der Bayern starksind. Andererseits hat sich die schwatzgelbe Defensive bei Ecken und Freistößen nicht mit Ruhm bekleckert, wenn es darum ging, das Runde aus dem Gefahrenbereich zu befördern. Immer wieder wurden Standards gefährlich verlängert oder Abwehrversuche scheiterten kläglich – ein Missstand, der bis zum Gegentor konsequent beibehalten werde sollte.

Weil die Bauern spielerisch nichts auf die Kette bekamen und das Spiel drohte, vor sich hinzuplätschern, fasste sich Mark Van Bommel ein Herz und überzeugte die rund 80000 Zuschauer von seinem fragwürdigen Naturell. Erst legte er Kehl übermäßig hart wie unnötig an der Mittellinie, dann verpasste er wenige Minuten später Hajnal beim Vorbeilaufen einen Schlag auf den Hinterkopf. Das hat der Schiri-Assi gesehen und Fandel schickte ihn mit Gelb-Rot vom Platz. Wieso es nach dieser Tätlichkeit kein klares Rot gibt, bleibt das Geheimnis des Schiedsrichtergespanns. Ansonsten machte Herr Fandel allerdings einen ungewöhnlich unaufgeregten Eindruck und leitete das Geschehen recht souverän.

Aus der Überzahl ab Minute 22 konnte der Ballspielverein aber kein zusätzliches Kapital schlagen. Im Gegenteil: Über ihre linke Seite machten die Bayern viel Druck, dem Schmelzer und Kringe nicht in jeder Situation standhalten konnten. Dies soll „Schmelles“ Leistung aber nicht schmälern: Abgebrüht und clever klärte er gegen Lahm und erreichte den Bestwert in der Zweikampfstatistik (67% gewonnen). Ein gelungener Einstand, der die Frage nach einem sechsmonatigen Ersatz zumindest prüfbar machen lassen könnte. Viel kam in Halbzeit Eins nicht mehr – bis auf eine gute Chance zum Ausbau der Führung. Nachdem Valdez die Kugel auf links erkämpft, kreuzen Zidan und der Paraguayer wunderbar die Wege. Zidan legt dann erneut ab, doch Valdez’ Schuss wird von Lucio gerade noch zur Ecke abgefälscht. Das wär’s wohl gewesen, eine 2:0 Führung zur Halbzeit.

Die Mannschaft konnte sich gegen Ende des ersten Durchgangs an viel Szenenapplaus erfreuen. Zu recht und sehr wohl verdient spiegelte sich das Ergebnis in der guten Stimmung beim Dortmunder Support wider.

Halbzeit 2

Klopp, Schmelzer

Adrenalin haben die Schwatzgelben wohl in der Kabine drastisch abgebaut. Bayern kam nun insbesondere durch Borowski, für den sich Kehl zunächst nicht verantwortlich fühlte. Der Altbremer kam einige Male gefährlich vor Zieglers Kiste, auch weil die Hintermannschaft des BVB plötzlich unkonzentrierter wirkte. Wie bereits oben erwähnt, brachten Standards viel Gefahr: Van Buyten köpft das Leder zwei Mal knapp drüber. Dann aber postwendend zwei Szenen, die zur Entscheidung hätten führen können. Erst explodiert Kuba erneut auf rechts und stellt Rensing vor Probleme. Die darauf folgende Ecke in Minute 62 brachte Kringe aus 3 Metern nicht über die Linie, da Schweinsteiger auf der Linie rettete. Für kurzzeitige Aufregung sorgte das Duell zwischen Neven Subotic und Luca Toni in der 72. Minute, als ersterer letzteren zu Fall gebracht haben soll. Elfmeter? Nun, wäre das Spiel vom Gespann von vor 8 Tagen in München geleitet worden, so wäre ein Pfiff wahrscheinlich gewesen. Daher Glück für den BVB, zumal Toni damit auch gelb für eine (vermeintliche) Schwalbe erhielt. Weil sich vergebene Chancen und übermäßiges Glück meist rächen, musste zwölf Minuten später für die sonst eher mittellosen Bayern eine Standardsituation, getreten von Kroos, her, die nach einem Gewühl von Borowski aus kurzer Distanz ins Borussenherz zum Tor vollendet wurde. Wirklich ärgerlich, allerdings deutete sich der Ausgleich, gerade durch eine Standardsituation, förmlich an.

Wer nun meinte, die Bayernblocks würden aktiver, der wurde erneut genarrt. Kaum eine hörbare Reaktion war zu vernehmen, jedenfalls keine, die einem Ausgleich in einem Hexenkessel gerecht werden könnte.

Die Gäste wurden kurzzeitig nun noch stärker, weil von der BVB-Offensive nicht mehr viel kam. Insbesondere nach den Auswechselungen Zidans und Kubas, den Stärksten in der Abteilung „Angriff“, blieben Valdez und der eingewechselte Sadrijaj eher blass. Allerdings schien zumindest die Auswechselung Kubas nachvollziehbar, da dieser eine ordentliche Kilometerzahl zurückgelegt hatte und deshalb recht erschöpft wirkte.

In den letzten fünf Minuten gaben sich beide Mannschaften offenbar mit dem Remis zufrieden, so dass nicht mehr allzu viel geschah. Pünktlich setzte auch noch Regen ein und Fandel pfiff zeitig ab.

Letztlich kann man aufgrund einer deutlich schwächeren Halbzeit mit einem Punkt wohl leben. Aber angesichts der Überlegenheit im ersten Durchgang mag man eher zwei Punkte verloren als einen gewonnen haben. Aber gerade dieser gute erste Durchgang gibt berechtige Hoffnung für die kommenden nationalen und internationalen Aufgaben. Nächster Halt: Cottbus.

Die Einzelkritik:

Dede

Ziegler: Auf der Linie stark, in der Luft mäßig sicher. Hat bei einigen Standards den kurzen Pfosten unbewacht gelassen. Beim Gegentor aber machtlos, daher insgesamt (3)

Subotic
: Agil im Zweikampf, antizipiert gegnerisches Angriffsspiel äußerst sicher und fährt saubere Tacklings. Hatte dennoch gegen Toni einen schweren Stand, welcher sich u.a. in der Elfmetersituation widerspiegelte und zeigte – wie die gesamte Abwehr – Schwächen beim Rausschlagen des Balls nach Standards (2,5)

Kehl: Wurde zu Beginn stark in die Mangel genommen, hat sich aber mit passablen Seitenwechseln gut aus der Affäre gezogen. In der zweiten Halbzeit dann schwächer, nicht zuletzt weil er mit Borowski gegen einen ständigen Unruheherd zu spielen hatte (3)

Kringe: Hatte viel Offensiv zu arbeiten, da Schmelzer sich auf die Defensive beschränkte. Machte offensiv weniger Dampf als Kuba auf der rechten Seite, holte aber gegen gute Bayern auf Links einige Bälle zurück. (3)

Valdez: Anspielstation in der offensive; war sich für die wichtige Abwehrarbeit nicht zu schade und konnte dennoch gefährlich in der Spitze aufspielen. Nach Zidans Auswechslung als einzige echte Spitze dann schwächer (3)

Zidan: Ordentlicher Einstand. Hat einige Male seine Dribbelstärke und sein Durchsetzungsvermögen aufblitzen lassen. Gleichsam überzeugte er auch in der Defensivarbeit und in der uneigennützigen Vorbereitung von Torchancen. (2,5)

Rukavina: Teil 1 des heutigen Prunkstückes auf der rechten Seiten. Ergänzte sich sehr gut mit Kuba, gab offensiv Akzente ohne defensiv minder stark zu sein. In Halbzeit zwei blieb der Offensivdrang auf einer Linie mit Owomoyela allerdings aus (2,5)

Hummels: Hatte in Klose den schwächeren Gegenspieler, gewann viele Luftduelle. Auch hier ist die Reaktion nach Standards verbesserungswürdig; doch klar ist, dass wir auch hier, zumindest in dieser Spielzeit, einen sehr begabten Manndecker haben (2,5)

Kuba: Der zweite Part der Schokoladenseite. Immer aktiv, schnell und ballsicher. Außerdem mit mehr Selbstvertrauen ausgestattet, was ihn öfter selbst zum Abschluss kommen lässt. Krönte seine Leistung mit einem schönen Bums, konnte das Tempo im zweiten Durchgang nicht halten, insgesamt (2)

Schmelzer: Ein couragiertes Debut. Zwar gab es keine Dédé ähnlichen Rettungsakionen per Fallrückzieher und Flankenläufe blieben größtenteils aus. Aber war mit 67% gewonnener Zweikämpfe (bester Borusse) hinten stark und wirkte teilweise sehr abgeklärt. (3)

Hajnal: War überall präsent, ließ aber vor allem zwei Dinge heute vermissen: Gute Standards (bis auf die Kringe-Chance) und gefährliche Pässe in die Tiefe. Agierte heute aber auch aufgrund des massierten Bayern-Mittelfelds oftmals defensiv, meisterte seine Aufgaben aber sehr ordentlich (3)

Owomoyela: Ordentliche Vorstellung auf Rechts, konnte aber nicht an die Explosivität Kubas anknüpfen. Aufgrund der kurzen Spielzeit keine Bewertung möglich.

Sadrijaj: Wirkte in der kurzen Zeit und bei den wenigen Szenen etwas unglücklich. Schien recht nervös beim ersten echten Auftritt im Westfalenstadion. (3,5)

Fandel: Insgesamt recht souverän. Gab einen vertretbaren Elfmeter gegen uns nicht. (2,5)

Stimmen zum Spiel:

Kringe über…

…Mohamed Zidan:

„Er hat einen sehr guten Eindruck gemacht. Er hat den Bayern in der Offensive Probleme bereitet und war sich nicht zu schade, in der Defensive auszuhelfen. Er hat insgeasamt eine sehr gute Partie gespielt“

…Marcel Schmelzer:

„Auf der linken Seite mit Schmelle ging einiges. Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht, gerade gegen Bayern Müchen. Ich finde, er hat seine Sache sehr gut gemacht“.

Statistik:

Aufstellungen:

BVB: Marc Ziegler - Rukavina, Subotic, Hummels, Schmelzer - Hajnal, Kehl - Blaszczykowski (77. Owomoyela) , Kringe - Valdez, Zidan (64. Sadrijaj)

Bauern: Rensing - Lell, Lucio, van Buyten, Lahm - van Bommel - Hamit Altintop (64. Kroos), Ottl, Schweinsteiger - Klose (46. Borowski), Toni (77. Podolski)

Gelb: Rukavina, Hummels

Zuschauer: 80552 (Westfalenstadion, ausverkauft)

geschrieben von domi

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