Baustellen, Baustellen, Baustellen
Um diesen Nachmittag in einen Spielbericht zu packen, bräuchte schwatzgelb.de eigentlich mindestens noch einen Samstag.
Die erste Baustelle schon bei der Anreise - ab Hamm. Der untere Anreiseweg, über Unna, Schwerte, Hagen, Wuppertal, Düsseldorf, war ab Holzwickede nicht mehr nutzbar. Eine Baustelle mit Schienenersatzverkehr verhindert eine Anreise mit dieser Alternative (bis Düsseldorf). So sah sich der BVB-Anhang gezwungen, den Weg durch das Ruhrgebiet zu wählen. Wie sich noch herausstellen sollte, eine nicht gerade glückliche Entscheidung.
Ab Hamm quälten sich dann der BVB-Tross, Fans in Blau-Weiß und Rot-Schwarz (Gelsenkirchen hatte ein Heimspiel gegen Hannover 96 - und wurde bis Essen mehr oder weniger im Zug geduldet), 2.000 schlecht gekühlte Partyfäßer, 1.613 Reisekoffer, gefühlte 400 Kinderwagen und 156 Trekkingbikes durch das Ruhrgebiet. Einen Entlastungszug der Bahn gab es nicht, bis Düsseldorf mussten sich so viele Reisende auf den Bahnsteigen entlang der Strecke nach einer weiteren Reiseroute umschauen. Unglaublich - eine so überfüllte Reisestrecke habe ich seit Jahren nicht gesehen. Die Fans aus Richtung Ostwestfalen und Norddeutschland (Grüsse nach Herford, Bielefeld, Oelde und Ahlen) hatten dabei noch Glück. Zu Beginn der Reise konnte man sich noch in den Bäuchen der Regionalbahn einrichten, später kam man kaum noch über die Eingänge hinaus. Ab Kamen wurde es bereits richtig eng im Zug bzw. man musste einen Zug später fahren.
Zum sportlichen Teil der Reise:
Bereits auf der Anreise gab es nur ein Thema. Die Gerüchte über die Wechsel von Mladen Petric (verlässt den BVB nach einer persönlich eher unglücklichen Zeit und geht zum HSV) und M. Zidan (verlässt den HSV in Richtung Dortmund) verbreiteten sich in Windeseile. Auf der Baustelle Borussia Dortmund wird also auch zu Saisonbeginn noch mit Hochdruck gearbeitet.
Der Sportpark Leverkusen entpuppte sich rund ums Stadion ebenfalls als eine einzige Großbaustelle. Das Stadion in Leverkusen wird umgebaut und auf Haupt- bzw. Gegentribüne mit Oberrängen ausgestattet.
Das Spiel war noch keine vier Minuten alt, da konnte man die nächste Baustelle ausmachen: Die linke Abwehrseite der Leverkusener Werkself. Kuba machte dort zu Beginn mit seinem Gegenspieler (Djakpa) was er wollte. Bei seiner Vorarbeit zum 0:1 (durch Nelson Valdez) hatte er seinen Gegenspieler bereits mehrfach überlaufen. Die Saison war noch keine 240 Sekunden alt, da hatte Nelson Valdez (!) getroffen. Die Gästekurve wähnte sich bereits nach wenigen Minuten, gemeinsam mit Nelson, lautstark auf dem Weg in die Champions League. Fortan entwickelte sich in Leverkusen ein richtig spannender Schlagabtausch. Nicht immer hochklassig, aber wahnsinnig aufreibend über die gesamten 90 Minuten.
Bereits nach 20 Minuten der Ausgleich (1:1) durch den bärenstarken Helmes. Da hat man den Kölnern wohl einen richtig guten Stürmer abspenstig gemacht. Leverkusen erhöhte jetzt deutlich den Druck. Bayer dominierte mit spielerischer Überlegenheit. Einer weiteren Riesenchance durch Helmes (grandios geklärt von Subotic) folgte dann jedoch die kalte Dusche in Form von Florian Kringe. Nach sehr starker Vorarbeit über rechts (wieder mit dem läuferisch starken Gespann Kuba / Valdez) vollendet Florian Kringe trocken und schmerzlos zum 1:2. Gespielt waren 36 Minuten und das Auf und Ab auf dem Rasen sollte bis zum Pausenpfiff noch für reichlich Gesprächsstoff sorgen. In der 44. Minute verletzte sich Roman Weidenfeller offenbar ohne gegnerische Einwirkung. Er musste mit einer Fleischwunde vom Platz getragen werden.
Ein schöne Begebenheit am Rande eines verrückten Spiels: Roman wurde mit Standing Ovations der Leverkusener Haupt- bzw. Hintertortribüne verabschiedet. Eine sehr schöne und nicht alltägliche Geste. Das wird der DFB ganz sicher mit einer satten Gutschrift in der Fairplay-Tabelle honorieren.
Die zweite Halbzeit knüpfte nahtlos an den turbulenten Vorgänger an. Nach einer Standardsituation köpft N. Subotic zum 1:3 ein. Die Leverkusener Innenverteidigung wähnte sich offenbar noch am Pausenbuffet. Für eine kurze Zeitspanne schien das Spiel gelaufen. Der Dortmunder Anhang jetzt ganz klar tonangebend, wenn auch nicht so laut wie in den Vorjahren. Ohne die Dachkonstruktion leidet die Stimmung in Leverkusen doch merklich. Allein die Stehplatzblöcke auf beiden Seiten konnten ab und an für richtig Krach sorgen. Macht Nelson aus seiner Riesenchance das 1:4, wäre das Spiel bereits nach 65 Minuten entschieden gewesen. So kämpfte und spielte sich Bayer zurück in die Partie. Dortmund zog sich nach dem tragischen Aus von Dede (dazu dann an anderer Stelle mehr) weit in die eigene Hälfte zurück. Nach dem (2:3) Anschlusstreffer durch Kießling warteten noch fünfzehn nervtötende Minuten auf den BVB-Anhang. Allein in der Nachspielzeit hatte Bayer 2-3 Riesenchancen. Der Ausgleich wollte aber nicht mehr fallen.
War das jetzt ein Saisonstart nach Maß? Eher ein verrücktes Spiel mit tragischen Momenten - auch wenn man sich über den Dreier zum Saisonstart in Dortmund freuen wird, die schwere Verletzung von Dede überschattet das Wochenende. So ein Start in die Spielzeit ist wichtig, aber der erzwungene Umbau der nächsten Wochen lässt auch Jürgen Klopp nicht ohne Baustelle davonkommen.
Das Chaos der Anreise fand dann seinen Höhepunkt auf der Rückreise. Viele BVB-Fans hatten die ersten Reisemöglichkeiten in Richtung Ruhrgebiet am Leverkusener Bahnhof erwischt und glaubten sich auf der schönen Seite der Rückreise. Aber so schnell gibt die Bahn nicht auf. Die Gleismanager hatten noch einige Überraschungen im Köcher. So konnte die erste Reisewelle in Schwarzgelb die Dortmunder Nachhut bereits am Duisburger Hauptbahnhof wieder in Empfang nehmen. Man hatte dort die S-Bahn Richtung Essen / Dortmund verpasst. Gute Freunde kann so schnell niemand trennen. Schwitzend ging es also gemeinsam Richtung Dortmund. Dort angekommen, konnte man die Sportsfreunde aus Hannover wieder begrüßen. Die mussten Gelsenkirchen schmollend und offenbar in Unfrieden verlassen, hatten ab Essen einen ICE besetzt und mussten ihn in Dortmund (!) wieder verlassen. Ganz famos. So konnte diese Reisegruppe, streng bewacht von der mitreisenden Polizei, noch ihren abendlichen Ausklang in Ostwestfalen planen. („....vielleicht erwischen wir ja die Bremer noch in Bielefeld.")
Spieler in der Einzelkritik:
Weidenfeller
Bis zu seiner Auswechslung ohne Fehler. Konnte sich nur eine Halbzeit beweisen. Alles Gute - komm wieder auf die Beine. (3)
Ziegler
Kam ab der 44. Minute. Hatte viel Arbeit im Leverkusener Dauerdruck. Hat seine Sache als Ersatzmann gut gemacht. (3)
Subotic
Ein Tor verhindert, ein Tor geköpft. Mit viel, viel Arbeit.
Nicht immer sicher, aber auch keine groben Patzer. Mit seinen Großtaten
verdient er sich eine (2)
Kehl
Der Kapitän wirkte nicht immer sattelfest. Manche Situationen wirkten überhastet. Man konnte mehre Fehler im Aufbauspiel ausmachen. Kämpferisch aber wie immer über jeden Zweifel erhaben. (3,5)
Kringe
Bis auf das trockene 1:2 doch ziemlich unauffällig. Ein hohes Tempo bei
hohen Temperaturen kommt seinem Spiel nicht immer entgegen. Der Treffer
garantiert aber eine (3,5)
Valdez
Läuferischer Einsatz top. Nelson hat erst nach etwas mehr als einer
Stunde abgebaut. Da musste er Tempo & Hitze Tribut zollen. Vorher
immer wieder ein Unruheherd im Leverkusener Defensivblock. Als Torjäger
und Vorbereiter (zum 1:2) eine glatte (2)
Rukavina
Unauffällig. Verlor bei der Schwerstarbeit in der zweiten
Hälfte manchmal die Übersicht. Aber da war er nicht allein. Konnte die
Ordnung auch nicht aufrecht erhalten. (3,5)
Hummels
Ähnlich wie Subotic. Mit viel, viel Arbeit. Nicht immer sicher, aber
auch keine groben Patzer. Die Leverkusener Offensivabteilung hat es in
sich. Da ist viel Qualität im Spiel. Wenn die Druck entfacht, wird es
oft brenzlig. (3,5)
Kuba
Ganz starke erste Halbzeit. Spielte seinen Gegner teilweise schwindelig.
Der arme Djakpa wusste teilweise kaum wo ihm der Kopf stand. Zwei Tore
vorbereitet. In der zweiten Halbzeit auch mit guter Defensivarbeit.
Allerdings ließ die Zielstrebigkeit nach. Trotzdem (2)
Dede
Gute Besserung. Komm bald wieder - Borussia braucht Dich. (Aus verständlichen Gründen ohne Note)
Klimo
Bis zu seiner Auswechslung recht unauffällig. Der läuferische Einsatz
stimmte, ein Stürmer wird aber leider nicht nur nach Laufweg bezahlt.
(4)
Hajnal
Mit dem Eckball das 1:3 durch Subotic vorbereitet. Stand überraschend
defensiv. In Leverkusen vielleicht kein schlechtes Mittel. Es liefen
noch nicht alle Fäden zusammen, aber für den Start bei einem so
ambitionierten und spielstarken Gegner war das mehr als ordentlich (3)
Kruska
Kam in der zweiten Halbzeit für Klimo und hatte nur ein Ziel.
Die Räume mussten enger gemacht werden. Als zusätzliche Stütze im
Defensivverbund eine (3,5)
Schmelzer
Sein Kurzauftritt verhindert eine Benotung.
Stimmen zum Spiel:
Jürgen Klopp (den die Personalie Dede sichtlich mitgenommen hatte)
Durch die schwere Verletzung Dedes rückt unser Sieg hier in den Hintergrund. Bei Roman ist es offenbar nicht schlimm. Eine Risswunde, die bekommen wir wieder hin. Wir haben in den ersten 20 Minuten sehr gut ins Spiel gefunden. Ich glaube, für die Zuschauer war es ein sehr spektakuläres Spiel. Leverkusen hat eine sehr gute
Mannschaft und hat streckenweise einen sehr guten Fußball gespielt. Wir haben dann leider die Ordnung etwas verloren. Diese Ordnung wollte wir zu Beginn der zweiten Hälfte wieder herstellen. Die Auswechslung von Diego hatte nichts mit seiner Leistung zu tun. Diego hat mir läuferisch gut gefallen. Wir haben dann in der Leverkusener Drangperiode leidenschaftlich verteidigt. Eigene Akzente konnten wir dabei aber kaum noch setzten. Insgesamt ein tolles Spiel.
Gefragt zu Mladen Petric: Wir wussten von den Absichten seit einigen Tagen. Ich gehe damit professionell um. Wir sind Profis, da gehört so etwas zum Geschäft. Wir haben entschieden: Kommt ein passendes Angebot, kann er gehen. So läuft das Geschäft. Aber warten wir ab. Da müssen noch einige Sachen gecheckt werden.
Bruno Labbadia
Wir sind natürlich riesig enttäuscht. Wir haben gut gespielt. Aber da fragt nächste Woche kein Mensch nach. Fußball ist nun einmal ergebnisorientiert. Da steht: Wir haben 0 Punkte. Wir haben über weite Strecken die richtigen Mittel gewählt, aber die sich bietenden Chancen nicht genutzt. Auch das Mittel der Brechstange hat mir ganz gut gefallen, Dortmund stand in der Mitte sehr massiv. Wir haben es dann mit langen Bällen versucht. Wir sind sehr enttäuscht, müssen uns aber auch wieder aufrichten. Leider stehen mir in der nächsten Woche nicht alle Spieler zur Verfügung. Man muss einmal den Sinn von Länderspielen hinterfragen, die an einem so frühen Zeitpunkt der Saison terminiert werden. Nach einer kräftezehrenden Europameisterschaft. Ich finde das etwas unglücklich. Ich könnte meine Spieler in der nächsten Woche gut in Leverkusen gebrauchen.
Statistik
Tore:
0 : 1 Nelson Valdez 4. / Rechtsschuss (Jakub Błaszczykowski)
1 : 1 Patrick Helmes 21. / Rechtsschuss (Stefan Kießling)
1 : 2 Florian Kringe 36. / Rechtsschuss (Nelson Valdez)
1 : 3 Neven Subotić 49. / Kopfball (Tamás Hajnal)
2 : 3 Stefan Kießling 83. / Kopfball (Sascha Dum)
Teams:
BVB: Roman Weidenfeller - Neven Subotić, Antonio Rukavina, Mats Hummels, Dédé, Sebastian Kehl, Florian Kringe, Jakub Błaszczykowski, Tamás Hajnal, Nelson Valdez, Diego Klimowicz
Dortmunder auf der Bank:
R. Kovac
Federico
N. Sahin
Sadrijaj
Wechsel auf Dortmunder Seite:
45. + 2 Marc Ziegler für Weidenfeller
46. Kruska für Klimowicz
72. Schmelzer für Dede
Gelbe Karten auf Dortmunder Seite:
Subotic
Kehl
Schiedsrichter:
Peter Gagelmann, Assistenten: Matthias Anklam, Sascha Thielert
Zuschauer:
21.000 (ausverkauft)
geschrieben von Rolf