Minimalziel Klassenerhalt erreicht
Tja, und das mit so einer Leistung. Das ist meilenweit entfernt von Duisburg, Rostock, Cottbus und Bielefeld. Trotzdem, in diese Regionen hat sich die Mannschaft selbst gespielt.
So schön kann Fußball sein. Das hatten wir über die letzen Wochen und Monate fast vergessen. Hatten in Berlin noch der schwarzgelbe Anhang ein Feuerwerk auf den Tribünen abgebrannt, waren es an diesem Abend zwei Bundesligamannschaften auf dem Rasen, die den Zuschauern ein packendes und kribbelndes Spektakel geboten haben. Eins steht fest. Nicht einer der 64.400 Zuschauer wird seinen Besuch im Stadion an diesem Abend bereut haben. Geboten wurde das mit Abstand beste Spiel der Saison.
Schon zu Beginn der Partie einige Demonstrationen der Stuttgarter Stärke. Die Schwaben wussten in den ersten 30 Minuten durchaus mit schönem, schnellen Direktspiel und guter Raumaufteilung zu gefallen. Besonders über die rechte Seite ging es oft schnell über 2-3 Stationen. Da hatte Dede auf seiner Abwehrseite zu diesem Zeitpunkt seine liebe Mühe.
Ab der 30. Minute begann sich dann der Wind zu drehen. Borussia rackerte sich, angetrieben durch den nimmermüden Tinga und Nelson Valdez (!), ins Spiel. Die erste richtig gute Szene dann auch durch Nelson Valdez (!). Eine ganz feine Einzelleistung, mit technisch sehr gutem Abschluss aus 22 Metern. Da blitzte sein Können mal so richtig auf. Der flüssige Ablauf, die blitzschnelle Drehung, der Abschluss, quasi alles in einer Bewegung. Ganz stark. Da rieben sich schon einige Leute auf den Tribünen verwundert die Augen. Überhaupt, ganz starke kämpferische Leistung von ihm bis dahin.
Die Stuttgarter weiter sehr gefällig, aber der gepflegte Fußball der Schwaben manchmal vielleicht zu selbstverliebt und einen Tick zu langsam. Das sah über weite Strecken sehr gut aus, verpuffte aber oft wirkungslos. So stirbt man in Schönheit.
In der 35. Minute dann das 1:0 durch Tinga nach Vorarbeit von Dede und Federico. Tingas Lohn für ein immenses Laufpensum an diesem Abend. Eine nicht einmal unverdiente Führung nach einer über weite Strecken guten, ansehnlichen ersten Halbzeit.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit direkt ein Paukenschlag durch Kuba. Der Pole hatte in der 47. Minute bereits die Vorentscheidung auf dem Fuß. Das Spiel ging danach hin und her. Gomez, nach herrlichem Direktspiel der Schwaben, mit dem 1:1 in der 55. Minute. Kaum hatten die Mannen von Armin Veh das Tempo deutlich angezogen, wurden die Schwächen in der Dortmunder Innenverteidigung sichtbar. Mario Gomez ist im Moment allerdings auch der beste deutsche Stürmer. Körperliche Power, ein gutes Timing – in dieser Form dürfte Gomez bei der Europameisterschaft im Sturm gesetzt sein.
Tut mir leid wenn der Bericht etwas länger wird. Aber im gut gelaunten Westfalenstadion ging es danach hin und her. Nur 5 Minuten später die erneute Führung für Borussia Dortmund. Alex Frei, der langsam aber sicher wieder zu seiner alten Form findet, mit einem Freistoß zum 2:1 – wobei Stuttgarts Keeper Raphael Schäfer beim Verlassen der Torwartecke nicht den glücklichsten Eindruck hinterlassen hat. Der Dortmunder Führungstreffer ging wohl auf seine Kappe.
12 Minuten vor dem Ende der Partie dann der Auftritt von Nelson Valdez (!). Ein überragender Antritt, der direkte Zug zum Tor, sein Auge für den besser positionierten Mitspieler – ganz große Klasse. Alex Frei - mit seinem zweiten Treffer zum 3:1 – hatte keine große Mühe mehr.
Das Stadion war jetzt mit ohrenbetäubender Lautstärke bereit, die Feierlichkeiten konnten eigentlich beginnen. Wären da nicht die Stuttgarter mit ihrer beeindruckenden Moral gewesen. Wieder Gomez mit dem 3:2 in der 84. Minute. Mit Nachspielzeit hieß es also noch fast 10 Minuten zittern.
Fazit
Was bleibt als Fazit nach diesem Abend? Alles in allem das beste Heimspiel der Saison. Besser als das 6:1 gegen Bielefeld, dafür sorgten schon allein die Stuttgarter. Man muss sich allerdings fragen, wie es zu diesen enormen Leistungsschwankungen des Kaders kommen kann. Nehmen wir nur die folgenden Spiele: Pokalendspiel in Berlin, der Heimauftritt gegen Nürnberg und jetzt gegen den VfB. Das waren mindestens zwei Gesichter einer Mannschaft – leider innerhalb von 14 Tagen. Unverständlich und wohl nicht nur für Thomas Doll ein nicht mehr zu lösendes Rätsel.
Stimmung
Die Stuttgarter:
Die Schwaben an diesem Abend in der Woche von ca. 1.200 Anhängern begleitet. Die hatten reichlich Platz auf der Nordtribüne. Da konnte man sich die Zeit mit neckischen Laufspielchen, kleinen Rempeleien, größeren Rüpeleien und versuchten Wechselgesängen (mit wem eigentlich?) vertreiben. So ist er halt der Schwabe. Maximaler Ertrag mit minimalem Einsatz. So wird man Meister und verschafft sich ab und an Gehör in den Stadien der Bundesliga. Viel konnte man aus diesem Spieltag unter der Woche nicht machen – aber dafür haben die Ultras (auf jeden Fall standen diese Leute hinter einer Fahne mit diesem Aufdruck) noch gut dagegen gehalten. Nimmt man die Zahl der mitgereisten Fans und setzt sie in Relation zur fabrizierten Lautstärke, war das ein ganz guter Auftritt.
Stimmung im Westfalenstadion:
Als gelöst konnte man die Stimmung auf Dortmunder Seite bezeichnen. Der Abstiegskampf konnte nach diesem Sieg endgültig zu den Akten gelegt werden. Den bangen Blick auf die Bielefelder Alm kann man sich in diesem Jahr schenken. In der letzten Spielzeit noch der Tiefpunkt, kann man in diesem Jahr eine Butterfahrt nach Ostwestfalen planen. Das hat man der Stimmung gerade nach dem Spiel angemerkt. Große Gruppen zogen singend in Richtung Bahnhof, U-Bahn und Parkplätze. Das war schon so etwas wie eine Versöhnung mit Mannschaft und Trainer. Man erlebt immer wieder, dass der kleinste Funken auf dem Rasen genügt. Das Stadion zieht dann umgehend mit. Liefert die Mannschaft unten gute Arbeit ab, sind die Tribünen in Deutschland immer noch ziemlich einmalig. Über 90 Minuten ein gelungener Auftritt, mit einem ganz, ganz starken und gelösten Nachspiel.
Die Spieler in der Einzelkritik
Höttecke: Viel Licht und wenig Schatten. Ab und an mit leichten Unsicherheiten bei hohen Bällen. Tolle Reaktionen kurz vor dem Abpfiff. Eine richtig gute 3
Tinga: Wie fast immer mit einem enormen Laufpensum. Unermüdlicher Zweikämpfer, heute auch noch als Vollstrecker geglänzt. Ganz wichtiges Tor zum 1:0. Das reicht locker für eine gute 2
Federico: Nicht sonderlich auffällig. Hatte keinen leichten Stand. Wegen seinem Anteil an der Vorarbeit zum 1:0 noch eine schwache 3
Frei: Noch nicht ganz der Alte. Aber was soll man jetzt nach 2 Toren noch meckern? Ein Stürmer hat eigentlich nur eine Aufgabe. Die hat er erfüllt. Weil er sie sogar doppelt erfüllt hat, gibt es dafür eine glatte 2
Rukavina: Ab und an mit Abstimmungsschwierigkeiten auf seiner Seite. Blindes Verständnis sieht anders aus. Am ehesten eine schwache 3
Hummels: Ganz schweres Los. Eigentlich nicht viele Fehler gemacht, trotzdem trifft Gomez nach Vorarbeit durch Cacau. Einen Tick stabiler vielleicht, daher eine 3
Kovac: Siehe Hummels. Gomez ist nicht auszuschalten. Brandgefährlich der Bursche. Durchatmen – mit einer 4
Kuba: Manchmal rauft man die Haare. Schnell ist er, manchmal gedanklich nicht ganz auf der Höhe. Diesen Leichtsinn – in einigen Szene bremst er ab und spielt den Konter nicht aus – muss er abstellen. Schwache 3
Dede: Da haben wir unseren Kapitän aber schon besser gesehen. Gerade in den ersten 30 Minuten hatte er den Laden auf seiner Seite nicht sonderlich gut im Griff. Dede kann weitaus mehr. Das reicht nur zu einer schwächeren 3
Kruska: Verbissen, teilweise hart in den Zweikämpfen und frühzeitig in Halbzeit Eins verwarnt. Solide, unauffällige Partie. Eine schwache 3
Nelson Antonio Valdez: Der Mann des Spiels. Keine Frage, die Ehre hat er sich redlich verdient. Wahrscheinlich sein bester Auftritt im Dortmunder Trikot. Die Auswechslung gegen Ende der Partie mit tosendem Applaus und Standing Ovations muss ihm doch endlich den nötigen Auftrieb geben. Eine satte 2
Aufstellungen und Statistik
Borussia: Höttecke, Tinga, Federico, Valdez, Frei, Rukavina, Hummels, Kuba, Dede, Kovac, Kruska
Stuttgart: Schäfer, Beck, Tasci, Bastürk, Pardo, Boka, Delpierre, Cacau, Hilbert, da Silva, Gomez
Wechselspielchen:
18. Fernando Meira für Tasci
63. Hitzlsperger für Hilbert
80. Marica für da Silva
84. Gordon für Valdez
90. + 1 Buckley für Federico
90. + 3 Amedick für Blaszczykowski
Gelbe Kartonage:
Fernando Meira
Pardo
Gomez
Hitzlsperger
Marica
Kruska
Valdez
Hummels
Schiedsrichter: M. Kemptner (Sauldorf)
Zuschauer : 64.400
Rolf, 07.05.2008