Dede sieht Rot - Vorteil Blau
Eigentlich ein Derby wie jedes andere, das 131. seit Fußballgedenken und das gefühlte 100. seit der letzten Meisterschaft der Blauen. Es wäre wohl wie meistens unentschieden ausgegangen, wenn der Unparteiische seine Aufgabe neutral erfüllt hätte, so wurde es ein einseitiges Freistoßschiessen mit knappem Ergebnis zugunsten der falschen Mannschaft.
Die Stimmung in Vorfeld war in den Medien geprägt von den Ergebnissen der Friedensverhandlungen der Vorstände, besser gesagt von den unnötigen Versuchen unserer Geschäftsführung, die beleidigten Uschis um Tönnes und Schnusenberg gütlich zu stimmen. Man konnte es kaum glauben, aber auf dem Weg zum Stadion fielen mehrfach irgendwelche Kameraträger auf, die gezielt Fanfreundschaftsbilder mit sich umarmenden Menschen in gelben und blauen Trikots in den Sucher nahmen - von wem waren die eigentlich bezahlt ?
Ein sinnloser Versuch, eine Abneigung, die schon über ein fast ein ganzes Jahrhundert währt, durch peinliche Bilder zu neutralisieren. Ähnlich peinlich übrigens wie der Versuch unseres Aki Watzke, die legendären Vorkommnisse des Vorjahres vergessen zu machen - besser ging es nicht, wir hatten alle unseren Spaß, nichts war wirklich übertrieben, mal abgesehen vom Geheule der Uschis. Also sollten wir besser diese Stimmung neu aufleben lassen und nicht zwanghaft unterdrücken.
Vereinzelt wurde das heutige Derby auch noch zu einem Spiel der offenen Rechnungen hochstilisiert, wobei allerdings die Rechnung vom letzten Jahr glücklicherweise nicht zu begleichen sein dürfte.
Feind bleibt Feind, Blaue bleiben Blaue und sportliche Gegner sehen einfach anders aus. Vor allem geben sie sich anders, wenn sie als Gäste in einer fremden Stadt auftreten. Man kann sich auch zivilisiert benehmen, von 17 Gastmannschaften pro Saison schaffen das 16 - nur die blaue Asi-Invasion ist darauf spezialisiert, ständig ihre schlechte Erziehung zu demonstrieren. Wenn die am Bahnhof in Dortmund ankommen, ist das Rumpöbeln und das Verprügeln von Kindern, die nicht schnell genug wegkommen, an der Tagesordnung.
Die Antwort der BVB-Fans war der organisierte Derbymarsch, der wie immer von den strengsten der Grünen begleitet wurde. Fans aller Gruppierungen taten sich zusammen, um Einigkeit zu demonstrieren, vor allem Einigkeit über das, was sie von dem Gegner halten. Zahlenmäßig ein Erfolg und auch wenn sie sicher nicht gezählt werden konnten, waren genug Schwarzgelbe dabei.
Zu tätlichen Auseinandersetzungen mit dem blauen Pack kam es dabei nicht.
Alles ganz friedlich - zumindest passierte nicht mehr als üblich, wie uns die Polizei mitteilte.
Insgesamt war das Niveau der Stimmung im Vorfeld für echte Derby-Fans allerdings etwas unbefriedigend, kaum wirklich treffende Kommentare mit Klasse, heiße Fußballschlachten sind anders vorbereitet.
Das Spiel begann dann ähnlich unspektakulär wie die Vorbereitung, aber nach sechs Minuten zögerlichem Abwarten, zeigte unser Sturm plötzlichen Offensivdrang, der für Klimowicz in der Strumspitze mit einem Zusammenprall mit Schlacke-Torsteher Neuer schmerzhaft endete. Weite Teile des Stadions forderten Strafstoß, ohne zu ahnen dass diese Forderung bei diesem Schiedsrichter sinnlos war, aber es sollten noch bessere Gelegenheiten kommen, sich aufzuregen.
Danach aber erst einmal haarsträubende Szenen in der BVB-Abwehr, die das Spiel für die Schlacker unverhofft in Gang brachten. Zweimal ging's noch knapp gut, in der 10. Minute war der Ball zwar im Netz, es war aber glücklicherweise noch passives Abseits, in der 15. schoss man knapp über's Tor, aber in der 19. dann ein unverzeihlicher Dreifachfehler, der einem in Zeitlupe rollendem Ball den ungehinderten Weg ins Tor ermöglichte: Amedick (ganz schlechter Tag für ihn) verlor einen Zweikampf an der Außenlinie, der Ball kommt zu Asamoah, Ziegler verlässt viel zu früh das Tor und lässt sich 5 m vor dem Strafraum von dem dunkel-blauen Sympathieträger ausspielen, aber Kovac läuft erst vom Mann weg und dann dem Ball wie eine Schnecke hinterher, nur um die Kugel kurz vor dem Netz einzuholen - leider aber hinter der Linie : 0:1
Jetzt kommt Alex!
Des einen Pech , des anderen lang ersehnte Freude: Alex Frei feierte sein Heimspiel-Comeback und wurde für den an der Schulter verletzten Klimowicz ins Spiel gebracht. Zumindest von Alex wissen wir ja, dass er die nötige Derby-Einstellung mitbringt und wir sollten auch nicht enttäuscht werden, war er doch zumindest in Halbzeit zwei bester Mann auf dem Platz.
Kurz darauf dann auch das Comeback des BVB ins Spiel: 20. Minute - Frei schlägt einen Ball nach vorne, der Gegner verteilt im eigenen Strafraum die Bälle fast noch gekonnter als unsere Abwehr., Ein Blauer legt Giovanni Federico den Ball an der Strafraumgrenze vor und dieser zieht mit einem halbhohen Kunstschuss ab. Manuel Neuer wird auf dem falschen Fuß erwischt und kann nur die Leistung seines Gegners bewundern: 1:1.
Danach geht's munter weiter, das Spiel wirkt ausgeglichen, bis dann Schiri G. wieder etwas pfeift, was niemand versteht. Die nachfolgende Vorlage verwandelt Amedick mit einem Kopfballtorpedo in Kniehöhe ins eigene Tor, eine artistische Meisterleistung, die als Eigentor unerreicht sein dürfte: 1:2
Auch nicht so ganz unschuldig daran: Keeper Ziegler, der den Ball eigentlich längst vorher hätte abfischen müssen. Ziegler zeigte insgesamt große Unsicherheiten, das 0:1 hing ihm wohl lange nach, so dass es sich in der Folgezeit selten traute, die Torlinie rechtzeitig zu verlassen.
Schlacke scheint in den folgenden Minuten stärker zu sein, aber es war eine Überlegenheit, die überwiegend auf die Bevorzugung durch den Parteiischen beruhte, eine Beispiel hierfür, die Verzweiflung des Sebastian Kehl: In der 37. Minute wird der BVB-Kapitän für ein nicht erkennbares Foul an irgendeinem unbekannten Blauen verwarnt, genau vier Minuten später wird ihm von Herrn G. eine klarer Strafstoss verwehrt, als ein im 16er von Bordon gefoult wird. Für berechtigte Reklamationen gab es nur höhnisches Gelächter der Unparteiischen. so ging es dann mit einem 1:2 Rückstand in die Kabine und wir ahnten nur noch Schlechtes für zweite Hälfte.
In der Pause durfte sich Ersatztorhüter Bade warm machen und mit der Rückkehr der Mannschaft aus der Kabine den Platz von Ziegler einnehmen, der sich bei einer Rettungsaktion kurz vor der Pause ebenfalls an der Schulter verletzte.
Und genau in dem Augenblick, als der neben mir sitzende Spottbild-Reporter bekennender Uschi-Fan zu mir meinte, dass ja wohl aus der Klasse des BVB mehr rauszuholen sein müsse, zeigte der BVB, welches Potential in ihm steckt:
49. Minute - Tinga erkämpft sich den Ball in der Mitte der eigenen Hälfte, läuft ein paar Meter mit dem Ball, ohne das ihm ein Gegner in die Nähe kommen kann, dann schickt er Frei steil, der zieht auf den Linken Flügel und bedient Petric mit einer wunderbaren Flanke, dieser köpft dankend zum 2: 2 ein - Neuer erneut ohne Chance. Ein Klasse-Strumduo: Petric und Frei, wenn sie doch nur öfter mal solche Bälle aus dem Mittelfeld bekämen. Der BVB war zurück im Spiel. Danach endlich volle Derbystimmung, die Spielszenen wurden hektischer, das Spiel schneller und die Fans lauter, vor allem die des BVB.
Aber wer jetzt meinte das Spiel würde sich aufgrund der optischen Überlegenheit zugunsten des BVB entwickeln, hatte die Rechnung ohne den (Un)parteiischen gemacht. Es häuften sich nun wieder die Spielunterbrechungen, die dem BVB den Rhythmus nahmen, meistens verursacht durch einseitige Freistossentscheidungen gegen den BVB. Tinga am Boden liegend getreten - kein Foul, Tinga im Strafraum von Neuer gewürgt, kein Foul.
In der 60. Minute bekam dann erst einmal Frei seine gelbe Karte für sanfte Kritik an der Schiedsrichterleistung, während gelbwürdige Fouls der Blauen in der Regel ungeahndet blieben.
In der 76. Minute dann der denkwürdige Höhepunkt: Dede steigt bei einem Zweikampf gegen Rakitic zwar etwas härter ein, als im Kindergarten zulässig, aber es war klar ein Spiel auf den Ball, den er übrigens auch traf. Gut ,er traf dabei auch Rakitic , diesen aber weder von Hinten noch als letzter Mann - ein regelkonformer Anlass für einen Platzverweis fehlt also. Auch wenn die Spottbild-Assel neben mir meinte: "Für uns war das eine klare rote Karte!" , lege ich mich da nach der Livebeobachtung mit bester Sicht und nach mehreren Zeitlupen auch mal fest: Für mich war sie es nicht.
Aber letztlich entschied die Willkür des Schiedsrichters im Spiel und die Spottbild über die Meinung Deutschlands und so musste Dede gehen. Und wie wir die Abhängigkeit der DFL von "Bild dir deine Meinung" kennen, wird es für ihn auch sicher die längstmögliche Sperre geben. Dafür wird die Meinung Deutschlands - frisch gebildet durch den nachweislich parteiischen Redakteur neben mir wohl sorgen.
Ein viel eher rotwürdiger Ellenbogencheck von Rafinha gegen die Nase von Frei (aber der durfte sich ja nicht mehr beschweren, ohne Gelb-Rot zu kassieren) blieb in der 78. Minute völlig ungeahndet - aber eigentlich klar, 10 gegen 10, das hätte nicht ins Konzept von Gagelmann gepasst. Viel mehr passte dann das hier: 79. Minute - Asamoah darf mal wieder an allen Abwehrspielern vorbei marschieren und von der Grundlinie aus für den völlig frei stehenden Ernst zurücklegen, der volley aus 15 Metern den Ball in die Maschen haut. Der Spotter neben mir fragte nur, wo denn sein Gegenspieler sei - sehr witzig. Aus der Kabine heraus ist nun mal schlecht Mann decken.
Damit war das Spiel fast gelaufen, der FC Schlacke musste nur noch seine Überzahl nutzen und das Spiel über die Zeit retten. Akustischer Höhepunkt dann noch Abgang von Asamoah, der mit einem satten Pfeifkonzert verabschiedet wurde. Pfeifen ist ja gottseidank noch erlaubt, alle anderen Arten von Beschimpfungen wären wohl grundsätzlich politisch inkorrekt, dafür schützt die Hautfarbe. Der letzte Treffer des BVB - Frei in der 90. Minute - fand wegen Abseits keine Anerkennung. Aber damit hatte wohl auch niemand mehr gerechnet .
Stimmen zum Spiel:
Thomas Doll:
Herzlichen Glückwunsch, Mirko, zum Sieg. Ich denke, dass wir ganz ordentlich in die Partie rein gekommen sind. Aber nach 10-15 Minuten gab es wieder die individuellen Fehler, die uns die ganze Saison unterlaufen. Wir haben in der letzten Zeit viele Gegentore bekommen. Zwei, drei, Gegentore - so viele Tore kannst du fast gar nicht mehr schießen um das aufzufangen. Wir haben uns immer wieder ins Spiel zurück gekämpft, hatten allerdings in der ersten Halbzeit auch eine Phase wo wir nur zugeschaut haben.
Ich denke in der zweiten Halbzeit haben wir viel mehr Leidenschaft und Niveau im Spiel gehabt.
Wir verlieren dann in 76. Minute Dede und wir verlieren dadurch dieses Spiel - ganz klar. Ich denke der sollte sich ganz einfach mal hinterfragen, was er heute für eine Leistung abgeliefert hat (erst dachte ich, er meinte Dede, aber bald wird klar, es geht um Gagelmann, red.) Das hat mir überhaupt nicht gefallen und dafür habe ich überhaupt kein Verständnis, meine Spieler wurden gar nicht ernst genommen, es wurde über sie gelacht, wenn sie auch mal mit ihn ins Gespräch kommen wollten. Jede - jede Aktion ist gegen uns gepfiffen worden, das hat nichts damit zu tun, dass Schalke gewonnen hat. Das sind Situationen gewesen, die man einfach nicht akzeptieren kann und das hat mich sehr, sehr geärgert. Ich weiß nicht, ob ein Derby dann auch so enden muss, dass man 14 Minuten vor Schluss eine rote Karte da gibt und wenn man sich die Bilder anschaut, kann sich jeder seine Meinung da bilden.
Für uns wäre es heute wichtig gewesen zu punkten und das haben wir nicht geschafft.
Deshalb bin ich natürlich enttäuscht, enttäuscht über unsere individuellen Fehler, über die Abwehrfehler und enttäuscht über das, was der Gagelmann gemacht hat.
Mirko Slomka:
Es waren sehr viele Emotionen und Klasse in dem Spiel, mit individuellen Stärken auf beiden Seiten. Wir haben sehr viel Spannung gesehen mit fünf sehr schönen Toren, jedes ein bisschen mit Fehlern behaftet. Unsere Taktik ist aufgegangen. Wir wollten frühzeitig attackieren mit vielen Ballgewinnen im Zentrum. Das ist oftmals gelungen, allerdings nicht immer. Dadurch haben wir den Druck ein bisschen weggenommen, da die Dortmunder offensiv sehr sehr stark sind, jeder Stürmer hat eine Qualität. Sie produzieren ständig Gefahr vor dem Tor, aber wir haben heute die entscheidenden Schwächen und Fehler ausgenutzt.
So spielten wir:
Marc Ziegler: Extrem schwach in der Strafraumbeherrschung, hat das 0:1 maßgeblich verschuldet und hätte das 1:2 verhindern müssen, war nicht sein Spiel, schied in der Pause verletzt aus.
Alexander Bade: Bekam praktisch nur zwei gefährliche Schüsse aufs Tor, einen parierte er ordentlich, den anderen könnte er nicht halten und kassierte das 2:3
Antonio Rukavina: Eine solide defensive Partie auf der rechten Seite, war jedoch beim 0:1 nicht anwesend. Offensiv mit vielen guten Aktionen jedoch ohne das Spiel entscheidend beeinflussen zu können.
Martin Amedick: Er hatte einen rabenschwarzen Tag, war völlig überfordert und in der Folge auch hypernervös. Das 0:1 leitete er durch einen verlorenen Zweikampf ein, das 1:2 machte er selbst mit einem Eigentor, beim 2:3 nur Statist, schaute zu, wie Asamoah bis zur Grundlinie durchkam. Schlimmer geht's nimmer.
Robert Kovac: Ständig unsicher, hätte mit seiner Erfahrung ein Vorbild in der IV sein müssen. Stattdessen viele Irrwege und wenn er dann doch an den Ball kam, drosch er ihn gerne ins Aus.
Dede: Derby-Spezialist und Hassfigur der Blauen, bis zum Platzverweis eine solide und engagierte Leistung ohne jedoch in der Offensive druckvoll zu sein.
Sebastian Kehl: Defensiv ganz gut und oft in Ballbesitz. Offensiv jedoch zu unkontrolliert, hätte viele Szenen mit etwas mehr Übersicht gefährlicher gestalten können - in der Form kein Antreiber.
Florian Kringe: Anfangs ein paar gute Versuche ins Spiel zu kommen, hat sich dann mehr und mehr ausgeklinkt, wurde dann logischerweise herausgenommen.
Tinga: In der ersten Hälfte unauffällig, kaum gute Szenen, viele Abspielfehler. Mit fortdauerndem Spiel immer besser, eröffnete mit einem genialen Steilpass auf Frei den Spielzug zum 2:2., zum Schluß ein unermüdlicher Kämpfer.
Giovanni Federico: Bei ihm fragt man sich immer ob es reicht, was er tut. Er hat den absoluten Torinstinkt und einen guten letzten Pass, aber er kann auch lange Zeit untertauchen, so auch heute wieder. Er hat immerhin ein technisch sauberes Tor nach einer Überraschungsvorlage geschossen, da hätte so manch anderer übers Tor gedroschen.
Mladen Petric: Hing etwas in der Luft, als zweite Spitze neben Frei aber ein guter Mann. Ein schönes Kopfballtor, das aber noch schöner vorbereitet war.
Alex Frei: Seine Leistung hätte allein gereicht, dieses Spiel zu gewinnen, hätten nur Abwehr und Schiedsrichter mitgespielt, so nur der verhinderte Matchwinner, aber sehr stark.
Delron Buckley: Kam zu spät und konnte nichts mehr ausrichten, weil er hinten aufhelfen musste.
Diego Klimowicz: Pechvogel mit schwerer Verletzung - alles Gute Diego
So die:
Neuer, Westermann, Kobiashvili, Bordon, Ernst, Rakitic, Jones, Asamoah, Rafinha, Altintop, Krstajic
Das Schiedsrichtersortiment: Gagelmann (5) - zu dem haben wir genug gesagt ... Anklam, Thielert, Dr. Dress (4. Mann)
Tore :
0:1 Asamoah (19.)
1:1 Federico (21.)
1:2 Amedick (31. ET)
2:2 Petric (49.)
2:3 Ernst (82.)
Klopfer - 11.02.2008