Comeback
In einem kuriosen Spiel trennen sich der BVB und die Blauen aus Gelsenkirchen mit einem 3:3-Unentschieden. Und wieder einmal haben wir ein besonderes Derby erlebt. Eins das hielt, was es versprach. Lange Zeit hatte es nicht nach einem glücklichen Ende für den BVB ausgesehen, doch dann war es Zeit zur Rückkehr. In vielerlei Hinsicht.
Alles war angerichtet, für das 132. Derby der Geschichte. Der Tag hatte friedlich begonnen. Bis zum Anpfiff war es kaum zu Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gekommen. Die Vereinsvertreter hatten im Voraus schon versucht, etwas Schärfe herauszunehmen. Das war ihnen gelungen. Ordentliches Fußballwetter bei leichtem Sonnenschein rundete das ganze ab. Die Choreo der Westtribüne aber, die im Zuge der Aktion „Gemeinsam sind wir stark" initiiert wurde, war verbesserungswürdig. An vielen Stellen wurden die Pappen einfach nicht hochgehalten, was leider üble Flecken in das „Borussia" riss. Ansonsten war die Stimmung im Tempel natürlicherweise wieder mehr als ordentlich, wie man es von einem Derby erwarten kann. Die Fans leisteten sich vor der Partie einen netten Schlagabtausch, bei dem die Dortmunder die Nase vorne hatten.
Lee ersetzt Schmelzer
Jürgen Klopp vertraute bei dem Spiel gegen den großen Rivalen fast gänzlich der Startelf, die Cottbus mit 1:0 besiegt hatte. Nur Shootingstar Marcel Schmelzer musste weichen, auf dem Posten des Linksverteidigers kam Neuzugang Young Pyo-Lee zu seinem ersten Einsatz. Subotic und Hummels bildeten wieder einmal den „Kinderriegel", während Rukavina die Abwehrkette vor Rückkehrer Nummer eins, Roman Weidenfeller, komplettierte. Im Mittelfeld durften die üblichen Verdächtigen ran, dem rekonvaleszenten Rückkehrer Nummer zwei, Tinga, blieb zuerst nur ein Platz auf der Bank. Kuba, Hajnal, Kehl und Kringe bildeten demnach die eingespielte Mittelfeldreihe.
Die vier sollten die Angreifer Zidan und Valdez mit Bällen füttern. Rückkehrer Nummer drei, der Schweizer Alex Frei war auch wieder im Kader. Er sollte aber aus Fitness-Gründen erst in der zweiten Hälfte wirbeln. Bei den Blauen musste der unerfahrene Torwart Ralf Fährmann für die verletzten Neuer und Schober einspringen, Überraschungen bei der Aufstellung gab es nicht. Rutten zog Westermann vorsorglich ins Mittelfeld, um Gegentore wie bei der Nationalmannschaft zu vermeiden. Nutella-Kevin und Lieblingsfeind Asamoah (kommt nur noch in Derbys zum Einsatz) sollten neben dem Peruaner Farfan für die Tore sorgen.
Die erste Halbzeit
Ähnlich wie schon in den Spielen zuvor startete die Borussia furios in die Partie. Dabei lief in der Anfangsphase viel über die Außen Kringe und Kuba, die Angriff um Angriff initiierten. Hinten brannte zunächst nicht viel an, die Abwehr hatte ihre blauen Gegenspieler gut im Griff. Genauigkeit und Zielstrebigkeit in der Offensive fehlten allerdings noch. Besonders Mohamed Zidan tat sich dabei hervor, Bälle in vielversprechenden Situationen zu vertändeln. Nelson Valdez war anzumerken, dass ihm die Länderspielreise in weiter Ferne noch in den Knochen steckte. Paradebeispiel für die unglücklichen Angriffsbemühungen war die fünfte Spielminute. Kuba dribbelte Funky-Pander Knoten in die Beine und bediente mustergültig den freistehenden Zidan. Dem allerdings fehlte der Mumm, um direkt abzuschließen. Den Ball verlor er nach dem dritten Haken schließlich an Bordon. Der Ägypter präsentierte sich im ganzen Spiel viel zu nervös und hing förmlich in der Luft. Positiv anzumerken war lediglich, dass er nicht aufsteckte und immer wieder anrannte. Die Pfiffe von der Südtribüne werden ihm sicherlich nicht gut getan haben.
Nach und nach wurde die Partie immer offener, weil auch die Elf von Fred Rutten sicherer und zielstrebiger agierte. Bei den Dortmundern riss der Faden parallel zum ersten Rückschlag, dem Elfmeter. Subotic spielte den Ball im Strafraum-Gerangel mit Kuranyi mit der Hand.
Nutella-Kevins gestenreicher Protest fand schließlich bei Lutz Wagner Gehör. Farfan verwandelte sicher gegen Weidenfeller (20. Minute). Nach dem ordentlichen Beginn also ein herber Rückschlag für den BVB, der plötzlich aufhörte, Fußball zu spielen. Stattdessen wurden die meisten Pässe blind nach vorne geschlagen, die wichtigen Zweikämpfe im Mittelfeld verloren und leichtfertig Bälle vertändelt. Die BVB-Spieler waren nervös. Der Kapitän Sebastian Kehl fand wieder einmal überhaupt nicht in die Partie und leistete sich einige Ballverluste. Folgerichtig fiel dann auch das 0:2 durch Rafinha, der einen schnellen Konter nur noch abschließen musste (39.). Der unsympathische Brasilianer hätte zu dem Zeitpunkt allerdings schon längst nicht mehr auf dem Platz stehen dürfen. Doch einen Ellenbogenschlag gegen Valdez hatte Lutz Wagner fälschlicherweise nur mit einer gelben Karte bestraft.
Mit diesem deprimierendem Rückstand ging es schließlich in die Kabine - begleitet von Pfiffen. Die blauen Fans feierten unterdessen ausgelassen.
Die zweite Halbzeit
Und auch der Beginn der zweiten Hälfte gab ihnen Anlass dazu. Einen Fehler von Weidenfeller, bis auf die Gegentore beinahe unbeschäftigt und unauffällig, faustete eine Flanke von Rafinha unzureichend Richtung Westermann. Der setzte sich im Luftkampf gegen Subotic durch und nickte ein (52.). Eine Demontage drohte.
Wer also eine schwarz-gelbe Aufholjagd erwartet hatte wurde bitter enttäuscht. Auch die Einwechslung von Alexander Frei, der sein Comeback nach Verletzung feierte, hatte zunächst nicht die erhoffte Wirkung gebracht. Und die Sch*lker schienen den BVB jetzt auseinandernehmen zu wollen. Doch ihre arrogante Spielweise wurde ihnen zum Verhängnis.
Die Zeit für das Comeback des BVBs war gekommen. Konnte der unglückliche Mohamed Zidan in der 57. Minute allein vor Fährmann noch nicht vollstrecken, sah es neun Minuten später schon anders aus. Die Blauen hatte kurz zuvor eine Doppelchance durch Kuranyi vergeben und sahen sich jetzt in die eigene Hälfte gedrängt. Tinga war gerade nach langer Verletzungspause eingewechselt worden, als Subotic seine Defensivfehler korrigierte und den Ball nach einer Frei-Ecke ins gegnerische Tor köpfte. Nur ein Ehrentreffer oder hoffnungsgebender Anschlusstreffer? Kurz darauf war man klüger. Alex Frei wurde von Tinga aus leichter Abseitsposition angespielt und beförderte den Ball aus einer unglaublichen Entfernung in den Winkel (71.). Der Be-frei-ungsschlag!
Die Südtribüne explodierte. Kaum einen hielt es jetzt noch, das unglaubliche schien greifbar. Anstatt sich abschlachten zu lassen, war der BVB zurück. Die Sprechchöre aus dem Auswärtsblock hingegen wurden immer zurückhaltender, ja ängstlich.
Die blaue Arroganz wurde zur Nervenschwäche, aus der unkontrollierte Tritte und Grätschen resultierten. Pander (Gelb-rote Karte, 73.) und Ernst (Rote Karte, 76.) entdeckten neben ihrer Haarpracht nun eine weitere Gemeinsamkeit. Unsportlichkeiten hatten es ihnen angetan. Nur Innerhalb von 180 Sekunden hatte der BVB zwei Mann mehr auf dem Feld. Doch das war noch nicht alles. Rafinha wollte seinen Teamkameraden in nichts nachstehen und bettelte förmlich um den Platzverweis. Doch Wagner ignorierte die Versuche des Brasilianers weiterhin.
Nun rannte Dortmund natürlich an. Vor allem Kuba und Tinga trieben die Angriffe voran. Klimowicz war inzwischen eingewechselt worden und hatte auch bald darauf eine erste Chance (87.). Kurz darauf ertönte dann der nächste Laut aus der Pfeife des sehr agilen Wagners. Elfmeter für die Borussia. Wieder soll ein Handspiel im Sch*lker Strafraum (Krstajic) dafür ausschlaggebend gewesen sein. Wie auch immer, Alex Frei war der Grund egal. Er zimmerte den Ball in die Maschen (88.) und krönte damit seine tolle Rückkehr.
Eine lange Nachspielzeit hielt der Schiedsrichter daraufhin nicht mehr für nötig und pfiff beinahe zeitig ab. Eigentlich ein Skandal: Denn die Blauen hatten gerade nach den Platzverweisen mächtig Zeit geschunden.
Insgesamt aber geht das Team von Jürgen Klopp deutlich als moralischer Sieger aus der Partie hervor. Wer einen 0:3-Rückstand noch aufholt, hat viel Respekt verdient. Die fußballerische Unterlegenheit gegen den ungeliebten Nachbarn wurde schließlich noch mit Kampf und Einsatzwillen ausgeglichen. Etwas Glück und die Dummheit der Blauen, die sich selbst schwächten, sorgen schließlich für das Unentschieden.
Statistiken
Aufstellungen
BVB: Weidenfeller (4) - Rukavina (3,5), Subotic (3,5),
Hummels (4), Lee (3,5) - Kuba (3), Hajnal (3,5) (66.Tinga (2,5)), Kehl
(4,5), Kringe (3)- Valdez (4) (46. Frei (1,5)), Zidan (5) (64.Klimowicz
(3))
Sch*lke: Fährmann - Rafinha, Krstajic, Bordon, Pander - Westermann, Jones, Ernst - Asamoah, Kuranyi, Farfan
Tore: 0:1 Farfan (20.), 0:2 Rafinha (39.), 0:3 Westermann (52.), 1:3 Subotic (66.), 2:3, 3:3 Alex Frei (71., 89.)
Schiedsrichter: Wagner (Note 6) - rabenschwarzer Tag für den Unparteiischen. Fehlentscheidungen auf beiden Seiten, zudem ließ er eine klare Linie über die gesamten 90 Minuten vermissen.
Gelbe Karten: Hajnal - Rafinha
Gelb-Rote Karte: Pander (73.)
Rote Karte: Ernst (76.)
Zuschauer: 80.552 (ausverkauft)
geschrieben von Daniel R.