Flanke, Kopfball, Tor
Die BVB-Amateure haben während der EM den Song von Oliver Pocher anscheinend rauf und runter gehört, denn beim 3:1-Sieg gegen Spitzenreiter Köln war bei allen drei Toren genau diese Taktik erfolgreich. Einfach mal schön einen Ball aus dem Halbfeld reinlöffeln und irgendjemand hält schon seine Birne hin. Läuft! Man ist wieder "mitten im Pulk dabei", wie Trainer Schneider nach dem Spiel zufrieden konstatierte.
Dabei waren die Vorzeichen nicht sehr gut. So musste neben dem rot-gesperrten Gordon auch Kapitän und Innenverteidiger Hünemeier wegen einer Gelb-Rot-Sperre aussetzen. Nach zwei verlorenen Heimspielen in Folge griff das Team von Theo Schneider ("Endlich gehen wir mal nicht als Favorit in ein Spiel.") richtig in die Trickkiste. So entschied man sich für die Auswärtstrikots und wechselte die Ersatzbank. Ach wie schön es doch ist, wenn solche psychologischen Maßnahmen dann auch noch greifen. Schneider wird jedenfalls für den Udo Lattek feat. Peter Neururer-Gedächtnispreis vorgeschlagen. Bei Köln spielte mit Michael Parensen übrigens ein langjähriger Borusse mit, während Ex-Profi Carsten Cullmann die Abwehr zusammenhalten sollte.
Auf Dortmunder Seite sollte das bulgarische Talent Alexandrov einmal Spielpraxis im Mittelfeld erhalten, während der jetzt ja schon erfahrene Marcel Schmelzer erst mal nur auf der Bank Platz nahm. Er sollte kurz vor Schluss eingewechselt werden. Ebenfalls auf der Bank nahmen aufgrund der Personalnot zwei A-Jugendliche (Marcel Kandziora und Daniel Ginczek) Platz, wovon einer für die Zukunft Hoffnung machte. Doch dazu später mehr. Um kurz vor 19 Uhr erstrahlte die Nordkurve mit Wunderkerzen unter dem Motto "Leuchte auf ...". Eine sehr schöne Choreo, die an diesem Freitagabend auf die Beine gestellt wurde und schon so etwas wie vorweihnachtliche Stimmung aufkommen ließ. Zumindest auf BVB-Seite war die Unterstützung gegeben, während Köln auf Anhänger verzichten musste, da die Profis parallel zu Hause gegen Hannover spielten. Mal wieder eine tolle Ansetzungspolitik der Verantwortlichen. So kriegt der Terminus "Heimvorteil" auf jeden Fall seine ganz eigene Bedeutung.
Vorab sei zu sagen, dass die 631 Zuschauer ein richtig schönes Spiel an einem Freitagabend sehen konnten. Beide Teams wollten gewinnen und spielten dementsprechend immer wieder nach vorne. Den Gästen aus dem Rheinland gelang das zunächst besser. Man ging dort mit dem ersten Schuss nach 13 Minuten direkt in Führung, weil der Mittelstürmer Laux schnörkellos einen Angriff abschloss. Wieder also ein früher Gegentor und dann auch noch gegen den Tabellenführer. Das ging ja gut los! Und auch in den nächsten 15, 20 Minuten bekam man als Betrachter noch nicht den Eindruck, dass der BVB hier heute gewinnen könne. Zwar wurden Ötzekins (27.) und Kullmanns (35.) Schüsse erst in letzter Sekunde abgewehrt, ansonsten standen die Kölner sehr kompakt und gingen mit teils drei Akteuren stets auf den ballführenden BVB-Angreifer drauf.
Somit musste also Tante Standardsituation mal wieder den Kuchen backen. Bei Damir Vrancic wird jeder Freistoß gefährlich, egal ob von der Strafraumgrenze, dem Halbfeld oder vom Alten Markt aus der Innenstadt. Diesmal lag der Ball irgendwo im Niemandsland im linken Halbfeld, wo auch die TV-Anstalten keine supertollen Messtechniken mehr anwenden würden. Egal, einfach mal rein damit in den Strafraum und siehe da, Kullmann hält sein Köpfchen hin und es steht plötzlich 1:1. Mit diesem Ergebnis ging es dank Lukas Kruse dann auch in die Kabine. Denn der Teufelskerl hielt in Weltklassemanier aus Nahdistanz einen Kopfball von Matuschyk. In der 45. Minute ein Gegentor zum 1:2, das wäre sicherlich sehr, sehr schwer zu verkraften gewesen.
Fazit nach 45 Minuten
Die Kölner zu Beginn und ganz am Ende im Stile eines Spitzenreiters. Dazwischen fing sich hingegen der BVB, ohne jedoch zwingend zum Abschluss zu kommen. Doch bei einem bisherigen Chancenverhältnis von 3:2 kann man von einem verdienten Remis sprechen, auch wenn man sich im Moment fragt, wie außer durch Vrancic-Freistöße noch gewonnen werden soll.
Nico Hillenbrand, der bereits mit einem Kapselanriss in der Schulter in die Partie ging, musste zur Pause endgültig ausgewechselt werden, da er bei einem Zweikampf genau auf die schmerzhafte Stelle gefallen war. Für ihn kam der erst 17-jährige Daniel Ginczek aus dem Jungjahrgang der A-Jugend und rückte für Hille in den Sturm, der wiederum auf die rechte Abwehrposition rückte. Nach 49 Minuten hatte Yasin Öztekin seine beste Aktion, als er im Valdez-Stil einen langen Befreiungsschlag an der linken Eckfahne erkämpfen konnte. Seine Ablage zurück auf Neumeister verwertete der, indem dieser eine echte Bananenflanke in die Mitte schlug, wo Kullmann sich herrlich löste und technisch hochwertig zum 2:1 einnickte. Ein richtig schöner Treffer!
Aber da das so schön war, musste als nächstes wieder ein richtig dreckiger Treffer folgen und wer sollte das anders machen als Damir Vrancic? Wieder schoss er von irgendwo einen Freistoß in Richtung Strafraum und Neumeister war mit dem Kopf zur Stelle. 3:1 nach 53 Minuten. Jetzt musste nur noch Sorge dafür getragen werden, dass es nicht wieder ein 3:3 gab. Neumeister war das noch egal, er rannte zu den sich warmmachenden Ersatzspielern und führte ein kleines Tänzchen auf. Der BVB jetzt mit richtig Zug in seinen Aktionen, der FC fand überhaupt nicht mehr statt und war richtig schwach. Wieder einmal zeigte sich die Ausgeglichenheit der Regionalliga West.
Dann der große Auftritt des jungen Ginczek, bei dem dessen Cleverness und Zielstrebigkeit direkt ins Auge stich und selbst der erfahrene Cullmann konnte sich einmal nur mit einem gelbwürdigen Foul behelfen. Richtig stark dann die Aktion eine Viertelstunde vor Schluss: Über links drang der junge Mann in den Strafraum und fädelte wie ein alter Italiener in das ausgestreckte Abwehrbein ein. Elfmeter und die Chance auf das 4:1. Damir Vrancic übernahm, aber ein Elfmeter ist eben nicht so eine große Chance wie ein Freistoß aus dem Halbfeld. Der Ball ging neben das Tor und es musste wieder ein 3:3 befürchtet werden, denn jetzt kamen die Kölner noch einmal auf. Doch weder Wunderlich, Laux oder Cullmann konnten den Anschlusstreffer erzielen, sodass die besten Chancen nach Kontern für die Heimelf entstanden. Jedoch vergaben sowohl Tyrala (86.) als auch Schmelzer (87.) nach schönen Alleingängen ein höheres Ergebnis.
Nach einer super Leistung in der zweiten Hälfte kam der BVB zu einem berechtigten Sieg gegen eine enttäuschende Gastmannschaft aus Köln. Ein wichtiger Sieg nicht nur für die Tabelle, sondern auch für das schon verschütt geglaubte Selbstbewusstsein. Darauf lässt sich aufbauen, wenn es nächsten Samstag zu Mario Baslers Team zur Eintracht nach Trier gehen wird. Und vielleicht nehmen ja einige BVB-Spieler ein paar leuchtende Sterne mit auf den Weg in die Moselstadt...
Stimmen zum Spiel
Frank Schaefer (Trainer 1. FC Köln II): Eine unterm Strich verdiente Niederlage. Vielleicht fiel das 1:0 für uns sogar zu früh. Wir haben besonders den Start in die zweite Hälfte richtig verschlafen und sind da überhaupt nicht auf dem Platz gewesen. Die beiden Gegentreffer haben dann ihre Wirkung gezeigt und ich habe ein Gesicht bei uns wie noch in diese Saison gesehen. Nach dem Elfmeter hatten wir dann noch einmal einen Schub und haben eine Reaktion gezeigt. Insgesamt also eine verdiente Niederlage gegen einen guten Gegner.
Theo Schneider (Trainer BVB II): Ich bin natürlich froh, gewonnen zu haben. Wir hatten heute auch den großen Druck des Gewinnenmüssens. Das ist uns gelungen und wir haben zum einen nicht den Anschluss nach oben verloren, andererseits war es auch psychologisch wichtig, wieder gewonnen zu haben. Die Art und Weise war toll, auch weil all unsere Umstellungen gegriffen haben. Auch bei Daniel Ginczek hat das super geklappt. In Trier wird es jetzt nicht einfacher, aber die Situation ist wieder etwas positiver und bis dahin wird sich auch personell bei uns wieder einiges entspannen. Noch einmal ein großes Kompliment an alle Spieler heute!
Damir Vrancic: Wir haben schlecht angefangen, aber Moral bewiesen. Nach dem Gegentreffer haben wir uns nicht ausgeruht, sondern weitergespielt. Denn wenn wir mal in Rückstand sind, dürfen wir nicht einfach die Köpfe hängen lassen. Wieso wir heute in diesen Trikots gespielt haben und auf der anderen Bank saßen, weiß ich nicht. Das müssen sie die Verantwortlichen fragen.
Julian Koch: Zuerst hatte ich auch ein paar Unsicherheiten, wobei ich gar nicht weiß, woher das kam. Dann kam ich gut rein ins Spiel und habe Zweikämpfe gewonnen. Der Sieg war richtig wichtig heute und wir haben ja auch super gefightet. Man hat am Ende ja gesehen, dass wir genug Chancen hatten, um noch höher hier zu gewinnen. Wir denken nur von Spiel zu Spiel und gucken jetzt erst einmal gar nicht auf die Tabelle. Wir gucken, dass wir nächste Woche gewinnen und sehen dann erst einmal weiter.
Jörn Neumeister: Die letzten Wochen waren wir nicht so erfolgreich. Umso bitterer, dass wir nach einer Viertelstunde in Rückstand geraten sind. Aber es war klar, dass es auf diesem Platz heute ein Kampfspiel gibt. Und ich denke, es haben alle mitgezogen. Auch die Tore haben wir richtig reingekämpft und wir wissen, dass das natürlich keine spielerische Glanzleistung heute war. Aber dass es auch bei mir heute auf Anhieb so gut klappt nach sechs Wochen Verletzungszeit, war natürlich so nicht zu erwarten bei mir. Wir haben uns gestern beim Training der Ersatzspieler von vor zwei Wochen überlegt, dass wenn jemand von uns reinkommt und ein Tor schießt, wir gemeinsam tanzen. Und das musste dann natürlich auch ausgeführt werden.
Daten zum Spiel
BVB II (4-1-3-2): Kruse (2,5) - Hillenbrand (3,5) (46. Ginczek, 2,5), Großkreutz (3), Koch (2,5), Neumeister (1,5) - Vrancic (2,5) - Alexandrov (4) (83. Schmelzer, - ), Tyrala (3,5), Öztekin (3) (88. Boztepe, - ) - Hille (2,5), Kullmann (2)
Köln II (4-2-1-3): Müller - Bahcecioglu (64. Zielinsky), Schwellenbach (74. Bauer), Cullmann, Parensen - Matuschyk, Niedrig - Wunderlich - Kraus, Laux, Bouallal (54. Kialka)
Tore: 0:1 Laux (13., Rechtsschuss, Vorarbeit Wunderlich), 1:1 Kullmann (39., KB, Vrancic), 2:1 Kullmann (49., KB, Neumeister), 3:1 Neumeister (53., KB, Vrancic)
Zuschauer: 631
SR: Preuß (Hamburg - Assistenten: Henze, Mayer-Lindenberg), 3,5. In der ersten Hälfte im Zweifel für Köln, in der zweiten für den BVB. Der Elfmeter wird nicht von jedem gegeben. Bei Abseitsentscheidungen auf der Höhe.
Chancen: 8:4
Ecken: 5:5
Gelbe Karten: Alexandrov (51., Foulspiel in der Luft) - Schwellenbach (41., Foulspiel), Cullmann (65., Foulspiel)
Bes. Vorkommnis: Vrancic schießt Foulelfmeter neben das Tor (75., Ginczek)
Malte, 08.11.2008