"Wück, du Sau!"
Man kann ein Fußballspiel verlieren. Es ist auch kein Problem, mal gegen so einen Dorf-Retortenverein wie RW Ahlen zu verlieren. Und es ist auch möglich anzuerkennen, dass der Gegner klar besser und überlegen war. Aber eine Niederlage gegen eine Mannschaft, die von Christian Wück trainiert wird, geht mal so gar nicht.
Es war der 31. Spieltag der Saison 91/92. Borussia Dortmund ist auf dem Weg zum ersten Titel seit 29 Jahren. An einem Freitagabend um 20.11 Uhr dringt der damals gerade 18-jährige Newcomer Christian Wück in den gegnerischen Strafraum ein und erleidet einen plötzlichen Schwächeanfall. Schiri Kasper macht sich zu selbigem und zeigt auf den Punkt. Entsetzen, Wut und Fassungslosigkeit auf schwatzgelber Seite! Zarate läuft an, trifft zum 1:0, ehe Wück, die Sau, wenig später auf 2:0 erhöht. Chapuisat kann nur noch zum Anschluss treffen. Wichtige Punkte auf dem Weg zum Titel verloren, Mitschuld daran: Der 18-jährige Christian Wück, der später das Knie eines Toten eingepflanzt bekam. Sicherlich die perversesten Auswirkungen des heutigen Organhandels...
Doch man sieht sich im Leben immer zweimal, für den Fußball gilt das erst recht und allein schon aus den oben geschilderten Gründen heraus musste das von Wück trainierte Team heute eine Niederlage erleiden. Gut, auch um ihm den Aufstieg zu vermasseln und weil der BVB die Punkte für Platz 10 braucht. Aber auch weil die Sau geschlachtet werden sollte. Die von ihm aufgebotenen Ferkel hatten sogar einen Ex-Nationalspieler in ihren Reihen: Ronald Maul, der 1999 zweimal für Deutschland zum Einsatz kam. Weitere starke Spieler auf dem Ahlener Bauernhof sind in Lars Toborg (Top-Torjäger der RL Nord) sowie Kevin Großkreutz (Cousin von Marcel Großkreutz und bekennender BVB-Fan). Beim BVB spielten u.a. Höttecke, Amedick, Brzenska sowie Gordon mit. Höttecke und auch Omerbegovic spielten übrigens früher für die Ahlener. Auch die Schiris waren zu beachten: Leiter des Spiels war Marco Achmüller aus Bayern, der nicht nur wegen seiner Herkunft locker als Michael Mittermeier im "Quatsch Comedy Club" durchgehen könnte. Ein Assi war Kai Voss, der schon einmal im DFB-Pokalspiel Stuttgarter Kickers gegen Hertha von einem Becher getroffen worden war und vor einigen Wochen beim Spiel Bremen gegen Bochum die Abseits-Fehlentscheidung des Jahrhunderts getroffen hat. Der zuständige Schiri-Beobachter heute war Ex-Bundesliga-Pfeifenmann Jürgen Aust aus Köln, der hauptberuflich Klamauk-Schiri bei Raabs "TV Total" zu sein scheint.
Höttecke in Form seines Lebens
Nachdem bei schönem Wetter Wück von einigen BVB-Fans angemessen begrüßt wurde, konnte das Spiel denn auch beginnen. Ahlen wünschte sich für nach dem Spiel per Transparent "Humbagott Kevin" (hört sich an wie ein Fall für die Super-Nanny), während die BVB-Steher ihre Zaun- und Schwenkfahnen präsentierten. Die erste richtige Chance hatte sogar der BVB, als Lenz einen Omerbegovic-Schuss aus der Drehung parieren konnte (12.). Doch danach zeigte Ahlen schon seine ganze spielerische Klasse und das meistens sogar ohne Schwalben. Erst rettete der momentan sich in bestechender Form befindliche Höttecke gegen den blanken Busch (so heißen auch manche Pornos), ehe Jens Bäumer die von Stadionsprecher Uli Behle angekündigte WDR-Sendung um 23.30 Uhr zum heutigen Spiel zunichte machen wollte, als er per Freistoß einem Kameramann das Aufnahmegerät aus der Hand ballerte.
In der 24. Minute sorgte dann Busch für die vermeintliche Führung, doch Achmüller verweigerte dem Tor die Anerkennung, nachdem in der Mitte nach einer Freistoßflanke mehr Spieler gefallen sind als stehen geblieben sind. Die anschließenden Proteste der Ahlener Bank wurden von einigen BVB-Fans mit "Wück, du Sau" entsprechend gekontert. In der 36. Minute wurden dann alle Resthoffnungen Ronny Mauls auf eine EM-Teilnahme zerstört, als er von Njambe aufs Maul bekam und sich eine Rippenprellung zuzog. Muss auch irgendwie doof dann sein, verletzt ins Krankenhaus getragen zu werden und dann noch einen Freistoß gegen sich gepfiffen zu bekommen. Naja, Maul abputzen und weitermachen. Eine Minute vor dem Halbzeittee dann ein brutaler Fehler vom sonst so bärenstarken Kapitän Hünemeier, den Höttecke gegen Toborg gerade noch ausmerzen konnte. Auch den anschließenden Nachschuss aus der Ferne von Bäumer konnte der Doppelarbeiter der Woche entsprechend parieren.
Fazit nach 45 Minuten
Ein schönes Spielchen, wobei man schon sah, warum Ahlen auf Platz 1 steht. Der BVB mit einem starken Höttecke im Tor aber kämpferisch überzeugend. Auf den Rängen die BVB-Fans entweder mit "Wück, du Sau"-Rufen von der Haupttribüne oder "Allez Amateure"-Chören aus der Stehkurve. Die Ahlen-Fans mussten sich zum Teil obenrum wieder ausziehen und man dachte unweigerlich an das Wort "Notschlachtung". In der Halbzeitpause sah man übrigens auch die BVB-Profiverantwortlichen Zorc, de Beer, Teuber und Zumdick. Dass Profi-Trainer Thomas "Wer sind eigentlich diese Amateure?" Doll im "Justins" den gestrigen Sieg nachgefeiert hat, um sich dabei auch knallhart aufzustellen und neu zu sortieren, kann schwatzgelb.de bis zur Stunde nicht bestätigen.
Gordon von der Rolle
Die zweite Halbzeit begann mit klarer Ahlener Überlegenheit und ohne die Paraden Hötteckes hätte es schnell 0:2, 0:3 stehen können. Zunächst hielt er einen Chitsulo-Freistoß (Nationalspieler Malawis => ja, auch da wird Fußball gespielt), ehe er einen Kopfball von Kevin Großkreutz stark entschärfen konnte (57.). Doch nach einer von Gordon schlecht geklärten Flanke musste auch Höttecke sich geschlagen geben. Einem Strahl von di Gregorio aus 25 Metern konnte er nur noch ins Netz gucken. So einen Schuss trifft ein Fußballer wohl nur sehr selten in seiner Karriere, aber bei den Dörflern läuft momentan eben alles. In der 67. Minute der auf der ungewohnten Position des Rechtsverteidigers spielende Eggert mit einem E-Jugend-Fehler, als er einen auftickenden Ball falsch einschätzte. Der pfeilschnelle Kevin Großkreutz scheiterte noch an Höttecke, doch gegen den Nachschuss von Grover (stylisher Vorname irgendwie) Gibson war auch unser Keeper machtlos. Zum Glück ging sein Versuch aber links neben das Tor.
Der BVB war jetzt nur noch nach Standards gefährlich, doch nach einer Boztepe-Ecke kamen weder Amedick noch Hünemeier entscheidend zum Kopfball. Auch ein kurze Zeit später abgegebener Schuss von Senesie stellte keine Gefahr für Gästetorwart Lenz dar. Im direkten Gegenzug hingegen entwischte der ehemalige BVB-Jugendspieler Kevin Großkreutz wieder einmal Freund und Feind. Sein Pass in die Mitte wurde vom eingewechselten Stahlberg am Außennetz jedoch nur unzureichend untergebracht. Eine Viertelstunde vor Schluss noch einmal letzte Anfeuerungsversuche von den schwarzgelben Rängen mit einem Wechselgesang, der von den Spielern jedoch nicht mehr wirklich umgemünzt werden konnte.
Lattentreffer für den BVB
Zwar traf Eggert mit einem herrlichen Freistoß aus gut und gerne 23 Metern erst Lenz' Fingerspitzen (den hält der auch nur einmal in seinem Leben!) und von da die Latte und auch Boztepe scheiterte nach der anschließenden Hünemeier(!)-Ecke nur knapp per Seitfallzieher, aber die Niederlage konnten die aufopferungsvoll kämpfenden Amateure nicht mehr verhindern. Es kam sogar noch dicker. Der bei einem Standard wieder einmal mit nach vorne geeilte und kopfballstarke Höttecke war in der 92. Minute zu weit weg vom eigenen Gehäuse und einen Befreiungsschlag nutzte so Toborg, um gegen Eggert im Laufduell erster Sieger zu bleiben und die Kugel ins leere Tor zu schieben. 0:2. Die Entscheidung. Auch Humbagott Kevin konnte also nach dem Spiel wieder seines Amtes walten.
Ausgerechnet jetzt hat der BVB II am nächsten Spieltag Pause und kann erst in 10 Tagen bei Emden wieder Punkte sammeln. Dann geht es gegen Wolfsburg II, ehe es am letzten Spieltag nach Braunschweig zu einem Abstiegsendspiel (???) geht. Trainer Schneiders Rechnung ist denkbar einfach: Zwei Siege müssen noch her. Egal wann, egal wo, egal wie!
Fazit nach 90 Minuten
Wück, du Sau!
Auch Tiere können sprechen
Wück, die Sau: *grunz* Es war ein Kampfspiel von der ersten bis zur 90. Minute. Für beide ging es heute um sehr viel. Wir waren insgesamt überlegen und hatten sehr, sehr viele Chancen. Trotz des 0:0 zur Halbzeit waren wir uns sicher, dass wir unsere Chancen noch bekommen werden.*grunz* Auch wenn es dann ein Gewaltschuss war, fiel uns natürlich ein Stein vom Herzen. *grunz* Gegen die langen BVB-Spieler mussten wir dann noch einmal kämpfen. Aber wir standen gut und hatten einen starken Torhüter. *grunz*
Theo Schneider: Jeder hat heute gesehen, dass Ahlen zurecht Tabellenführer ist. Sie waren uns in allen Belangen überlegen. Unser Problem - wie schon in der gesamten Rückrunde - war, dass wir wieder keine Akzente nach vorne setzen konnten. In der zweiten Hälfte haben wir dann mit unserer Kopfballstärke noch einmal alles versucht und mit einem Quäntchen Glück fällt bei Eggerts Freistoß dann auch das 1:1. Wir haben noch drei Spiele, auch wenn wir jetzt am Limit sind. Aber wir können sowohl in Emden, gegen Wolfsburg und auch in Braunschweig gewinnen. Die Situation ist brisant, aber immer wenn man geglaubt hat, dass wir am Boden sind, sind wir auch wieder aufgestanden!
Saumäßige Daten zum Spiel
BVB II (4-2-2-2): Höttecke (1,5) - Eggert (4,5), Amedick (3,5), Hünemeier (3), Schmelzer (4) - Brzenska (4), Njambe (2,5) - Öztekin (4,5) (68. M. Großkreutz, - ), Gordon (5) (62. Boztepe, - )- Omerbegovic (4,5) (68. Tyrala, - ), Senesie (5)
RW Ahlen (Taktik??? Schwalben wahrscheinlich): Lenz - Busch, Miletic, Thioune (77. Wiemann, - ), Chitsulo (72. Stahlberg, - ), Toborg, Bäumer, Gibson, K. Großkreutz, Maul (39. Schaffrath, - ), di Gregorio
Tore: 0:1 di Gregorio (59., Rechtsschuss, ohne Vorarbeit), 0:2 Toborg (90.+2., RS, Befreiungsschlag)
Zuschauer: 2.148
SR: Achmüller (Freyung), 3,5. Haarfärbung sicherlich ausbaufähig. Probleme bei Luftzweikämpfen. Keine spielentscheidenden Fehler. Wir sehen uns bei Pro 7!
Gelbe Karten: Njambe (57.), Brzenska (84.) - Toborg (74.), Gibson (90.+1)
Chancen: 5:10
Ecken: 6:7
Malte, 08.05.2008