Im Gespräch mit...

...Wilfried Becker: Vandalismus at its best

27.02.2008, 13:00 Uhr von:  Tommy
...Wilfried Becker: Vandalismus at its best

So ähnlich konnte man wohl die Zustände in der Hinrunde auf der Stadtbahnlinie U45 vom Hauptbahnhof zum Westfalenstadion bezeichnen.

Zum Pokalspiel gegen Werder Bremen zogen die DSW21 die Reißleine und kündigten Konsequenzen aus den jüngsten Vorfällen an. schwatzgelb.de sprach mit Wilfried Becker, Leiter der Verkehrssteuerung bei den DSW21, über Sachbeschädigungen auf den Fahrten zum Stadion, Stadionverbote für überführte Täter und Lösungsansätze.

schwatzgelb.de: Seit wann mussten Sie eine Zunahme von Vandalismus bedingten Schäden beobachten und um welche Art von Schäden handelt es sich hierbei?

Becker: Der Vandalismus in unseren Bahnen fing Anfang der letzten Saison an. Am Anfang wurden hin und wieder nur einige Beleuchtungsröhren herausgedreht. Zu diesem Zeitpunkt haben wir gedacht, dass es nicht so gravierend sei. Wir hatten zunächst Mitarbeiter im Einsatz, die diese Röhren wieder rein gedreht haben. Dies nahm aber in der Folge zu. Später war es dann so, dass die Fans am Hauptbahnhof in die Bahn einstiegen, dann rief einer „Dunkelkammer" und der ganze Wagen war dunkel. Das heißt, es wurden alle Röhren herausgedreht. Doch dabei blieb es nicht. So wurden Dachluken abgerissen (Abdeckungen über den Türen). Damit wurde Elektronik freigelegt, Kabel wurden abgerissen, Sitze wurden herausgerissen und durch das Fenster hinausbefördert. Wir haben diese Sitze im Stadtbahn-Tunnel aufsammeln müssen. Ein weiteres Problem waren Glasschäden. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Schäden umso höher waren, desto dunkler der Wagen wurde.

schwatzgelb.de: Konnte man bei den Sachbeschädigungen eine gewisse Regelmäßigkeit beobachten?

Becker: Leider waren es immer BVB-Fans. Es waren keine auswärtigen Fans, das konnten wir eindeutig nachvollziehen. Die größten Schäden traten immer bei der Fahrt zum Stadion auf, so dass wir schon teilweise arge Probleme hatten, ausreichend Bahnen für die Rückfahrt zu stellen. Wir waren sogar kurz davor, die Rückfahrt vom Stadion auszudünnen. Bei der Rückfahrt gab es dann auch Beschädigungen, aber nicht in dem Ausmaß.

schwatzgelb.de: Können Sie uns wohl einen Überblick über die entstandenen Kosten geben?

Wilfried Becker, Leiter der Verkehrssteuerung bei den DSW21

Becker: Zu den Kosten kann ich grundsätzlich nicht viel sagen. Allerdings kann ich ein Beispiel geben: Bei den oftmals abgerissenen Lampenrastern kostet eine Reparatur inklusive Röhre und Werkstattkosten etwa 500-700€. Diese Kosten werden selbstverständlich auch an die Verursacher weitergegeben.

schwatzgelb.de: Was für Konsequenzen haben Sie aus diesen Vorfällen gezogen?

Becker: Wir haben schnell erkannt, dass dies so nicht weitergehen kann. Hinzu kommt ja noch, dass wir linienübergreifend fahren. Denn die Bahnen kommen ja irgendwann auch mal von ihren E-Wagen-Einsätzen zurück und müssen dann beispielsweise zum Clarenberg fahren. Wir hatten mal ein Fall, da waren alle Sitze aus der Bahn gerissen. Dies hat der Fahrer aber nicht mitbekommen, weil es im zweiten oder dritten Wagen passiert ist. Den Wagen konnten wir nicht weiter einsetzen. So musste die Fahrt Clarenberg-Brambauer ausfallen. Dies betraf dann Fahrgäste, die mit dem BVB gar nichts zu tun haben. Unsere normalen Kunden müssen unter diesen Situationen leiden. Dies kann man unseren Fahrgästen auf Dauer einfach nicht mehr bieten.

Unsere Servicekräfte sind daher auf die Fans zugegangen und haben gesagt, dass sie es sein lassen sollten. Hier haben wir uns dann auch entschlossen, mit dem BVB zu kooperieren. Darüber hinaus standen wir bereits mit der Polizei im engen Kontakt. Wir haben dann eine Arbeitsgruppe eingerichtet, wo der BVB, die Polizei und wir an einem gemeinsamen Tisch saßen und über weitere Maßnahmen beraten haben. Wir sind so auch an die Öffentlichkeit gegangen, um klar zu sagen, dass es so nicht weitergeht. Der BVB hat uns dabei vorbildlich unterstützt und hat in Person von Herrn Dr. Hockenjos bekannt gegeben, dass alle diejenigen, die bei Sachbeschädigungen ertappt werden, mit einem Stadionverbot zu rechnen haben - ganz abgesehen von den strafrechtlichen Dingen, die von der Polizei eh eingeleitet werden.

schwatzgelb.de: In den Medien war in den letzten Tagen immer wieder von zivilen Ermittlern die Rede. Könnten Sie dies wohl näher erläutern?

Abgerissene Beleuchtung

Becker: Das ist richtig. Wir setzen diese seit dem Pokalspiel gegen Werder Bremen ein. Diese steigen in der Regel am Hauptbahnhof mit ein, können aber auch ab jeder anderen Haltestelle mitfahren. Das sind ganz unauffällige Leute wie du und ich, die einsteigen und die Situation beobachten und dann an einer vorher definierten Stelle den Zugriff zusammen mit der Polizei vorbereiten. Die Ermittler haben dann einfach nur die Aufgabe zu sagen: "Wir haben dies und das beobachtet", damit es dann auch die entsprechenden Zeugen gibt.

Dazu haben wir auch noch zivile Mitarbeiter auf dem Bahnsteig verteilt. Diese beobachten die Fahrzeuge und sobald die Beleuchtung in den Bahnen ausgeht, haben sie die Polizei zum Remydamm geschickt damit diese dort die Personen feststellt.

schwatzgelb.de: Nach dem Spiel gegen Bremen war die Rede von acht Stadionverboten für BVB-Fans. Wie läuft hier das Prozedere genau ab?

Becker: Das Prozedere läuft dann zwischen Polizei und BVB ab. Gegen Bremen war die Polizei am Remydamm präsent. Dies war vorher so vereinbart. Sofern ein Wagen beschädigt wurde, wurde am Remydamm der Zugriff gemacht. Hier wurden dann die Personalien festgestellt und das Anzeigeverfahren in die Wege geleitet. Uns wurde aber auch auf der Rückfahrt vom Stadion zum Hauptbahnhof ein Fall von Sachbeschädigung bekannt, so dass wir hier nachträglich noch ein Strafverfahren in die Wege geleitet haben. Grundsätzlich konnte man schon zum Spiel gegen Bremen eine Verbesserung feststellen, was aber auch an technischen Neuerungen unsererseits lag. So wurden die Lampen umgebaut, so dass man nicht mehr ohne weiteres die Röhren herausdrehen konnte.

schwatzgelb.de: Für wie lange wurden die Stadionverbote bei den entsprechenden Fans ausgesprochen?

Becker: Dazu kann ich leider nichts sagen. Es wurde mit Dr. Hockenjos vereinbart, dass die Länge des Verbots von der Schwere der Beschädigungen abhängig gemacht wird. Hier entscheiden dann Polizei und Borussia Dortmund ohne Rücksprache mit uns. Uns war einfach wichtig, dass der BVB auch hier die Verantwortung mit übernimmt.

schwatzgelb.de: Können Sie den Fans die Angst vor willkürlich ausgesprochenen Stadionverboten nehmen?

Fan-Abfahrt U 45

Becker: Es wurde eine ganz klare Vereinbarung mit Herrn Dr. Hockenjos getroffen, dass nur dann ein Stadionverbot ausgesprochen wird, wenn für die Polizei ganz klar ist, dass es sich um den oder die Täter handelt. Dies umfasst auch, dass strafrechtliche oder zivilrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden. Es muss eindeutig feststehen, dass es derjenige auch war. Wir wollen einfach ausschließen, dass es unbeteiligte Fans trifft. Dies wäre auch einfach nicht fair - das muss man einfach so sagen. Letztendlich kann ich mir auch die Videoaufzeichnungen anschauen. Denn eins muss man auch ganz klar sagen: 99% der Fahrgäste machen einfach gar nichts - im Gegenteil: Viele ziehen sich ja noch zurück, wenn es in einem Wagenteil losgeht. Wir reden hier über einen sehr kleinen Teil von Fans.

schwatzgelb.de: Können Sie schon etwas zu möglichen Vorkommnissen beim Derby am vergangenen Sonntag sagen?

Becker: Am Sonntag gab es fast keine weiteren Beschädigungen. Lediglich bei einem Fahrzeug wurden Röhren herausgedreht, bei einem anderen wurden „nur" die Sitze herausgezogen. Hier muss ich den Fans auch mal ein Lob aussprechen. Ich glaube, es ist angekommen - man hat erkannt, wo das Problem liegt. Wir wissen von unseren zivilen Beobachtern, dass dieses Thema auch Gesprächsthema in den Fahrzeugen war. Nach dem Motto „Passt auf, hier sind Personen in der Bahn, die beobachten uns" und es war auch dieses Stadionverbot bekannt. Es ist schon angekommen, was wir machen.

Dennoch ist für mich das letzte Spiel noch kein wirklicher Maßstab. Wir hatten am Sonntag eine riesengroße Marschsäule vom Friedensplatz zum Stadion gehabt, die Polizei sprach von etwa 3.500 Fans. Diese sind dann auch bei diesem tollen Wetter zu Fuß zum Stadion gegangen. Dies haben wir auch in den Bahnen gemerkt, die nicht so stark ausgelastet waren wie in den vergangenen Spielen. Somit müssen wir abwarten, wie es beim nächsten Spiel gegen Rostock aussieht.

zerstoerte Sitze in der U-Bahn

schwatzgelb.de: Also würden Sie nach jetzigem Stand keine Entwarnung geben?

Becker: Nein, auf keinen Fall. Wir führen auch weiterhin bis auf Weiteres diese Maßnahmen durch.

schwatzgelb.de: Bei den letzten beiden Heimspielen wurde der Zugang zum Bahnsteig der Linie U45 reguliert. Hat sich diese Maßnahme als Erfolg herausgestellt?

Becker: Ja, wir haben dies erfolgreich praktiziert und werden diese Maßnahmen auch weiterhin durchführen. Hierbei machen wir den Südeingang komplett zu und leiten die Leute über den Nordeingang zu den Bahnen. Wir wollen damit keinen ärgern, sondern wir benötigen einfach die Staufläche an der Königspassage. Würden wir den Südeingang nehmen, so würde sich die Masse bereits auf der Treppe zu den Gleisen stauen.

Der grundsätzliche Vorteil ist hierbei, dass die Fahrzeuge am Hauptbahnhof nicht mehr so voll werden. So haben wir mehr Transparenz im Fahrzeug und können auch von außen die Bahnen besser einsehen, wenn Vandalismus betrieben wird. Dazu kommt der betriebliche Vorteil, denn nun können auch Fahrgäste an anderen Haltepunkten mitfahren. Für die Fahrgäste hat es zudem den Vorteil, dass sie einen leeren Bahnsteig vorfinden und sich über dem gesamten Bahnsteig verteilen können. Das ist deutlich angenehmer als bei den Fahrten zuvor.

Natürlich gab es anfangs auch Unmutsäußerungen, dies ist aber sicherlich darauf zurückzuführen, dass diese Maßnahme einem Großteil der Fans nicht bekannt gewesen ist. Beim Spiel gegen Gelsenkirchen war es schon sehr moderat. Es gab nur einen Vorfall, der mir jetzt bekannt ist, nämlich als eine Bierflasche durch die Luft flog.

schwatzgelb.de: Gibt es denn noch Kapazitäten, so dass noch mehr Bahnen eingesetzt werden könnten?

Becker: Nein, wir haben keine Bahnen mehr. Sie können davon ausgehen, dass bei einem Heimspiel keine Bahn mehr steht - da fahren wir mit allem, was wir haben. Wenn alles planmäßig läuft, fahren wir auf der Linie U45 einen Fünfminutentakt, die Linien U42 und U46 fahren nach normalem Fahrplan. Hier fahren wir aber mit großen Wageneinheiten, also mindestens zwei Wagen.

schwatzgelb.de: Sind denn für die nächsten Heimspiele im Westfalenstadion Werbemaßnahmen wie beispielsweise bei der Bogestra geplant?

Bild vom Derbymarsch

Becker: Wir hatten am 13. Februar einen Termin in der BVB-Geschäftsstelle und haben dort über Maßnahmen gesprochen, wie wir dieses Wir-Gefühl stärken können. Es gibt dazu bereits erste Vorstellungen. Die beiden Kommunikationsabteilungen wollen kurzfristig eine Kampagne vorbereiten. Ein Vorgehen wie bei der Bogestra (hier wurden Straßenbahnen nach Spielern benannt) ist aber nicht geplant, da Dortmund einen ganz anderen Streckeneinsatz als Bochum oder Gelsenkirchen hat. Zum anderen halten wir es nicht für zweckdienlich, die Idee einfach nur auf Dortmund zu übertragen.

schwatzgelb.de: Vielen Dank für das Gespräch.

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