Unsa Senf

Die Kartenfrage, Lille und die Folgen

19.02.2002, 00:00 Uhr von:  Redaktion
Die Kartenfrage, Lille und die Folgen
Sind sehr begehrt: Die Karten für das UEFA-Cup Auswärtsspiel am Donnerstag in Lille

Riesenaufregung unter den Fans von Borussia Dortmund vor dem Hinspiel des UEFA-Cup-Achtelfinales in der französischen Industriestadt Lille. Rund 2.000 BVB Anhänger hatten sich für eine Eintrittskarte beworben, doch wohl nur knapp die Hälfte bekam den Zuschlag. Schwatzgelb.de versucht Licht in die verwirrende Situation um die Kartenverteilung zu bringen.

Als das Los Lille aus dem Hut gezogen wurde, begann die zu erwartende große Kartennachfrage beim BVB. Kurz zuvor, in Kopenhagen, waren es noch ca. 600 Fans, die sich um ein Ticket bemühten. Doch schnell wurde klar, dass die Franzosen nicht bereit waren, den Kartenwünschen des BVB Folge zu leisten. Was folgte war eine Ansammlung von Gerüchten, die durch das Internet und über die Tribünen schnell verbreitet wurden. So hieß es unter anderem, dass der OSC Lille nur ganze 400 Karten an den BVB weitergeben wollte, obwohl das Stadion bei internationalen Spielen 16.000 Zuschauer fasst.

Auf Nachfrage erklärte uns Dr. Christian Hockenjos, Geschäftsführer der Westfalenstadion Gmbh & Co. KG: „Ein 10%-Regelung wie in der Bundesliga gibt es international leider nicht, hier gilt seit kurzem erst eine 5%-Regelung. Zuvor war man auf den gastgebenden Verein angewiesen, der allein entschied, wie viel Karten der Gast bekommt.“ Also machte sich Dr. Hockenjos selbst auf dem Weg nach Lille um ein größeres Kartenkontingent von den Franzosen zu erhalten. Da Lens dem OSC Lille sein Stadion für die Begegnung gegen den BVB nicht zur Verfügung stellen wollte, blieb es bei der 5% Regelung. Borussia erhielt also ca. 800 Karten, bei 2.000 Vorbestellungen ein Unding alle zu befriedigen. Der Frust und Ärger der Fans blieb somit vor allem an Frau Stüker, ihres Zeichens in der Fanbetreuung des BVB tätig, hängen.

Borussia entschied sich, alle Fanclubs mit Karten zu versorgen, die auch in Kopenhagen waren. Also hätten für die rund 600 Kopenhagenfahrer die Karten ausreichen müssen. Doch weit gefehlt: viele Fanclubs bekamen nur einen Bruchteil der Karten, die sie bestellt hatten. Wie man mit 20 Eintrittskarten und einem bereits vor Wochen bestellten 50er Bus nun eine verlustfreie Fahrt gestalten sollte, blieb da völlig offen. Aus der Not schlossen sich viele Fans zusammen und machten flugs aus 2 oder gar 3 Bussen einen gemeinsamen Bus nach Lille. Bitter bleibt für viele Fanclubs, dass der eine oder andere von Ihnen auf hohen Stornogebühren (bis zu 20 % der Kosten) sitzen bleibt. Die Busunternehmer zeigten jedenfalls wenig Verständnis für eine so späte Kartenzuweisung.

Für diese Misere sind in erster Linie die Verantwortlichen beim OSC Lille zu suchen, die nicht in der Lage oder gar willens waren, die Karten rechtzeitig zuzustellen. Unter diesen Umständen hätte man sicherlich noch einiges professioneller regeln können. Augenscheinlich ist es aber wirklich so, dass die Franzosen Angst vor einer Horde gewaltbereiter Deutscher haben. Die Ereignisse der WM 1998 in Lens sind in den Erinnerungen der Verantwortlichen in Lille haften geblieben, immerhin liegt Lens bekanntlich in ummittelbarer Nachbarschaft zu Lille.

Womit wir wieder beim Kartenproblem wären: ursprünglich sollte das Spiel in Lens stattfinden. Damit wären alle Kartenprobleme gelöst gewesen. Doch die Stadt Lens weigerte sich, einen deutschen Verein hier spielen zu lassen. Ob man mit dieser Politik nun aber etwaige Aggressionen aus dem Spiel genommen hat oder nur geschürt hat, bleibt dahin gestellt. Das Spiel wird nun in Lille mit einem hohen Sicherheitsaufgebot stattfinden, die Franzosen zeigten sich entsetzt, dass die Masse der Fans bereits frühzeitig in Lille anreist, um zuvor die Stadt zu besuchen. Wie unbegründet solche Ängste sind, hat gerade Dortmund in den letzten Jahren immer wieder bewiesen. Die von der Stadt und dem BVB organisierten Fantreffen auf dem Friedensplatz haben mehr als einmal bewiesen, wie friedlich Fans miteinander umgehen, wenn man sie nicht schon vor dem Spiel wie potentielle Straftäter behandelt. Wir hoffen mit der französischen Polizei, das alles friedlich bleibt und wir trotzdem eine nette Party machen können, ohne von der Polizei grundlos schikaniert zu werden.

Überall dabei - die Borussen Bulldogs
Überall dabei - die Borussen Bulldogs

Doch kommen wir nun zum BVB und seinem Teil der Schuldigkeit. Bis heute hat es der BVB nicht geschafft, öffentlich zu erklären, warum die Kartenverteilung so läuft und nicht anders. Man hat die Augen verschlossen, zugelassen, dass Gerüchte die Runde machten, ohne einmal den Grund der Verzögerung öffentlichkeitswirksam zu erklären. Niemand hat sich die Mühe gemacht den Fans zu erklären, dass unter den mutmaßlichen 800 (auch diese Zahl wurde vom BVB weder bestätigt noch dementiert) Karten auch teure Karten (angeblich 60,- EURO) enthalten sind, die an die Busunternehmen gegangen sein sollen. Demnach hätten also die günstigen Karten allesamt die Fanclubs bekommen. Ganz sicher wären auch wohl nur die wenigsten bereit gewesen, diesen Preis für eine Karte zu bezahlen. Doch anstatt aufzuklären, ließ man es beim BVB zu, dass viele Fans in Rage gerieten, als sie hörten, dass Busunternehmen wie „TRD“ Karten für das Spiel bekommen hätten. Eine offene und offensivere Öffentlichkeits- und Fanarbeit wäre hier sicherlich mehr als nur wünschenswert! Das bei einer begrenzten Anzahl Karten, nicht jeder vollauf befriedigt werden kann, steht völlig außer Zweifel. Das kann auch niemand verlangen, es geht hier auch nicht um uns, sind wir mit unseren Fahrten doch selbst „nur“ Rosinenpicker und freuen uns im Nachhinein wenigstens über unsere 20 Karten.

Doch vieles bleibt unverständlich. Wie kann es z.B. sein, dass für eine Gruppe, die nach Kiew gefahren ist, keine Karten reserviert wurden, während aber jeder Kopenhagen-Fahrer Karten bekommen sollte!? Zwar konnte das Problem nachträglich geklärt werden, aber die Frage bleibt trotzdem im Raum. Gerade bei diesen Spielen, wo nur eine Handvoll Fans vor Ort ist, müssten die Fanbeauftragten des BVB doch wissen, um wen es sich handelt und die Jungs belohnen. Solche Fahrten machen doch nur wirklich BVB-Verrückte.

Genauso sind es im Moment ganze 2 Fanclubs, die wirklich jedes Spiel einen Bus einsetzen: die „AwaySupsWerdohl“ und die „Borussen-Bulldogs“. Beide sollten doch bei solchen Karten-Verknappungen außen vor bleiben und ihr Engagement belohnt wissen. Auch hier wäre eine andere Kartenverteilung wünschenswert. Stellt sich nur die Frage, ob irgend jemand beim BVB weiß, wer immer und überall hinfährt!?

So sei hier noch einmal positiv Frau Stüker erwähnt, denn ohne ihre tolle Arbeit wäre sicher das Chaos unter den Fans ausgebrochen. Über das bisweilen haarsträubende „Ticketing“ in der Geschäftsstelle im August-Lenz-Haus dagegen könnte man ein ganzes Wochenendreferat halten. Hier zählen Absprachen und Versprechen anscheinend rein gar nichts. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte:

Eigentlich sollten an alle Besitzer einer Auswärtsdauerkarte (bislang etwa 35 Personen) Karten für das Spiel in Lille gehen, am Ende waren es nur 20. Herr Naversnik hatte das Versprechen Michael Meiers, alle ADK-Besitzer zu versorgen, schlicht nicht in die Tat umgesetzt. Leider nicht das erste mal, dass es Probleme mit der Ausgabe der Karten für die ADK-Besitzer gab. So wurden die Tickets schon mal vergessen und bei penetrantem Nachfragen wird kurz behauptet, dass man Fax oder e-mail einfach nicht bekommen habe. Ob Herr Naversnik wohl auch Herrn Meier die gleiche Antwort gibt, wenn er eine e-mail Meiers einfach nicht beantwortet?

Es könnte so oft ausverkauft sein - Unser wunderschönes Westfalenstadion
Es könnte so oft ausverkauft sein - Unser wunderschönes Westfalenstadion

Interessierten an einer ADK wurde dagegen erzählt, so etwas gäbe es nicht und das sei sein Internet-Gespenst. Am Ende bekamen also nur die Mitglieder der „Supporters-Dortmund" ADK, weil sich deren Schatzmeisterin Verena aufopferungsvoll darum kümmerte und immer wieder in der Geschäftsstelle erschien, bis das ganze wirklich klappte. Eigentlich ein Treppenwitz, dass man am Ende nochmals Manager Meier bemühen musste, bis es dann wirklich umgesetzt wurde.

Das man in der Geschäftsstelle bei Vorverkaufsbeginn niemanden telefonisch erreichen kann, ist eine Katastrophe aber leider schon Gewohnheit geworden. Warum ist es nicht möglich, ein externes Callcenter einzuschalten, wie das andere Vereine auch tun? Bestellt ein Fanclub Karten für ein Auswärtsspiel bekommt er nicht automatisch die bestellten Karten, noch verrückter, er bekommt noch nicht einmal eine kurze Nachricht, wenn er keine erhält. So bleibt dem einfachen Fan nur die Möglichkeit die „kundenfreundlichen“ Öffnungszeiten auszunutzen und zur Geschäftsstelle zu fahren.

Hier hinkt der BVB seiner Entwicklung von Verein zum Wirtschaftsunternehmen hinterher. Ein modernes Unternehmen kann es sich auf Dauer gar nicht leisten so mit seinem wichtigsten Gut, dem Fan, umzugehen. Wir leben heute in einer Dienstleistungsgesellschaft und der Fan/Kunde verlangt gute Leistungen. Doch anstatt diese Situation merklich zu verbessern, ruht man sich auf seinem Monopol (das Stadion ist ja ausverkauft) aus und der Fan/Kunde schiebt weiterhin Frust. Solange bis er die Schnauze voll hat und dem BVB den Rücken kehrt und lieber zuhause bleibt. Manch einer versucht sich dann mit der Bestellung über das Internet. Wer aber nun glaubt, dass die Bestellungen Online problemlos möglich ist, sieht sich getäuscht, diese funktioniert einzig bei einer Kartenvorverkaufstelle vorbildlich, bei Borussia leider immer noch nicht.

Übrigens, „ausverkauftes Stadion“ stimmt ja nicht immer. Fast zu jedem Heimspiel ist Pressesprecher Josef Schneck darum bemüht mitzuteilen, dass noch Karten (außer natürlich bei den Topspielen) zu haben sind. Vielleicht sollten die Entscheidungsträger beim BVB mal drüber nachdenken, wie sinnvoll es wäre diese Informationen näher an den Fan zu tragen. Den Medien ist eine solche Information kaum eine Zeile wert. Somit bleiben zusätzliche Einnahmen auf der Strecke.

Das „Ticketing“ bleibt ein leidliches Themen, dass viele Fans bewegt und schon seit langem unter der Oberfläche brodelt. Hier ist dringendes Handeln angesagt! Wir bleiben für euch am Ball, versprochen.

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