Unsa Senf

Der Ordnungsdienst, oder wer hat die Macht im Haus!?

18.02.2002, 00:00 Uhr von:  Jens

Die wenigsten von Euch werden in der Vergangenheit einmal keinen Kontakt zum Ordnungsdienst des BVB gehabt haben. Sei es positiv, sei es negativ. Seit geraumer Zeit schwelt jedoch ein Konflikt zwischen den BVB-Fans und diesem Ordnungsdienst, den der Leiter dieses Ordnungsdienstes offensichtlich nicht lösen kann oder will.

Dortmunds Südtribüne
Dortmunds Südtribüne

Anfangs war es im Grunde genommen nur ein Problem einer kleinen Gruppe BVB-Fans, die der Ansicht waren, daß zündeln zum Fußball dazu gehöre. Diese hat der Ordnungsdienst im Sinne der Mehrheit der Fans – auch um deren Gesundheit zu schützen – bekämpft. Leider kam es damals noch vor, daß die sogenannten Doppelhalter benutzt wurden, um dahinter zu zündeln (sie eigneten sich als Sichtschutz, der Übeltäter konnte so nur schwer oder gar nicht identifiziert werden). Anfang des vergangenen Jahres erklärten dann bspw. die „Supporters Dortmund“ ihre Abneigung gegen das unsinnige Abbrennen von Feuerwerk im Westfalenstadion und setzten sich dagegen ein. Überflüssig zu erwähnen, daß es nicht gedankt wird und der Ordnungsdienst inzwischen eine eigene Supporters- Abteilung zu unterhalten scheint, die sich nur um diese Gruppe Fans kümmert. Neben den Desperados, Reviersups und anderen waren sie die ersten, die Doppelhalter im Westfalenstadion einführten.

Inzwischen nutzen jedoch auch viele andere Fans, die nicht so einfach in die „Ultra-Ecke“ zu drängen sind, die Möglichkeit, einen Doppelhalter zu basteln und mitzubringen. Diesen Fans wird dann teilweise am Eingang eine zweite Stange abgenommen oder eben auch nicht. Je nach Lust und Laune des Ordners.

Der Leiter des Ordnungsdienstes erklärt auf Nachfrage immer wieder unisono, daß Doppelhalter bundesweit verboten seien. Warum BVB-Fans als Gäste in vielen Stadien diese „kreuzgefährlichen Gerätschaften“ dann aber doch mit sich führen dürfen, kann uns ein Herr Schiller jedenfalls nicht beantworten. Auf Diskussionen läßt er sich jedenfalls höchst ungern ein und beantwortet Fragen immer mit einer nebulösen „DFB-Anweisung“, die man jedoch anderenorts entweder erst gar nicht kennt oder einfach ignoriert?

In der heutigen Ausgabe der WAZ läßt sich Schiller dann feiern - kein Rauch, keine Fackel – kein Wort davon, daß auch Fans hier tätig waren.

Die gefährlichen Bengalos in der dichten Menschenmenge sind schon seit Monaten nicht mehr auf der Süd zu sehen. Das liegt aber weniger an den Ordnern, vielmehr an der Dortmunder Fan-Szene, die lieber ihre Doppelhalter präsentieren will.
Die gefährlichen Bengalos in der dichten Menschenmenge sind schon seit Monaten nicht mehr auf der Süd zu sehen. Das liegt aber weniger an den Ordnern, vielmehr an der Dortmunder Fan-Szene, die lieber ihre Doppelhalter präsentieren will.

Gestern war also wieder „Großkampftag“ - man wollte offensichtlich auf alles vorbereitet sein und so wurden ein paar Ordner am Eingang zu Block 82 postiert, nämlich genau über der Gruppe der aktiven Fans, den Supporters, Desperados, Ambassadors etc. Offensichtlich hat sich der Pyro-Verzicht auch nach einem Jahr noch nicht herumgesprochen. Selbst Zündler (selten kommt es ja noch vor), die nur ansatzweise in der Nähe stehen, werden sofort von Seiten des BVB mit dieser Gruppe in Verbindung gebracht. So wurde während einem der letzten Heimspiele ein vollständig betrunkener Mann mit einem brennenden Bengalo von dieser Gruppe aus dem Verkehr gezogen und dem Ordnungsdienst übergeben.

Und was war der Dank? Man bekam zu hören: „Bei Euch wurde ja neulich wieder gezündelt!“ Das läßt tief blicken, zumindest was die „bewährte Vorverurteilungsstrategie“ seitens Herrn Schiller anbelangt. Der Mann ist Pädagoge, man mag es kaum glauben. Nun wollte einer dieser Ordner mal seine ihm seitens des Vereins verliehene „Macht und Stärke“ demonstrieren und begab sich weit vor dem Anpfiff in den da noch leeren Block. Er begann, Fahnenstangen einzukassieren, damit ja niemand einen Doppelhalter hochhalten kann. Wir klatschen begeistert Beifall, und die bange Frage sei erlaubt: Wann werden Schals einkassiert? Man könnte ja schließlich damit jemanden erwürgen. Die andere Frage, die sich aufdrängt: wo sind die Stangen hin? Sind sie vernichtet worden? Ist das Stadion ein rechtsfreier Raum, in dem das Eigentum anderer Leute einfach weggeschmissen werden darf? Oder müssen diese persönlichen Gegenstände nicht vielmehr diesen Leuten nachher wieder ausgehändigt und diese auch auf die Rückgabe aufmerksam gemacht werden?

Uns stellt sich jetzt hier naturgemäß die Frage: Was will der Verein damit erreichen?

Wir Fans schütteln jede Woche erneut den Kopf...
Wir Fans schütteln jede Woche erneut den Kopf...

Frust aufbauen und am Ende wieder sinn- und hirnlose Pyro- Zündelei ertragen? Das könnte aber wieder das Ergebnis sein, wenn man Kreativität nicht zuläßt. Flüchten sich viele wieder in die Illegalität und lassen es qualmen, „zeigen dem Verein mal, was sie können“? Alle Gespräche und Argumente (auch von uns) nützen sich irgendwann ab, wenn sich die andere Seite überhaupt nicht bewegt. Seit Monaten wird von BVB-Seite eine Lösung versprochen, geschehen ist bis zum heutigen Tage nichts, rein gar nichts. Immer wieder wird man vertröstet.

Angedacht ist nun ein Fahnenpaß, mit dem dann auch die Besitzer der Doppelhalter ins Stadion dürfen. Sicherlich keine Ideallösung, verhindert sie doch auch wieder Spontanität und Kreativität, bzw. engt sie in ihrem Ursprung zumindest stark ein. Aber eine bessere Lösung als die heutigen Zustände ist es allemal. Wobei die Frage immer noch erlaubt sein darf, wieso der Verein – trotz vollmundig gepriesener Kompromisse in Fandelegiertentagungen – so wenig Vertrauen in die eigene Anhängerschar hat? Wieso so wenig auf „Selbstregulierungsprozesse“ gesetzt wird, bzw. diese einfach – wider besseren Wissens – ignoriert werden. Und noch eine kleine Randnotiz: auf der Weihnachts-Karte des BVB war ein Doppelhalter abgebildet. Auf der Homepage finden sich immer wieder Fotos von diesen Doppelhaltern. Doppelmoral?

Der „Paß“-Wahn nimmt kein Ende

Da das Thema auf einer der letzten Fan-Delegierten-Tagungen angeschnitten wurde, hatten dies wohl auch einige Ordner aufgeschnappt und gleich weitergetragen. Ergebnis war, daß man nun nach allerhand Pässen gefragt wurde. So wurden die Trommler um Trommelpässe gebeten, Fans mit großen Schwenkfahnen auch nach Fahnenpässen. Jetzt fehlt nur noch der Kuttenpaß und Schalpaß, der Singerpaß. Unnötig zu erwähnen, daß nicht einer dieser verlangten Pässe existiert.

Wenn man mitansehen muß, wie einem 13jährigen seine Fahne abgenommen wird, weil sie achso gefährlich sei, und dann in das tief enttäuschte Gesicht sieht, ballt man unwillkürlich die Faust in der Tasche. Tut sich der Fußball damit einen Gefallen? Kreativität wird unterbunden und niemand sollte sich wundern, daß „A-W-H“ die Oberhand im Stadion behält. Warum kreative Gesänge oder gar Fahnen, wenn man doch immer wieder behindert und schikaniert wird?

Das gleiche gilt für das Theater um die Megaphone, die zum ansingen benutzt werden, um möglichst viele Fans zu erreichen. Herr Schiller erklärt sie kurzerhand für verboten und so sollten sie am Samstag unter Androhung von Stadionverbot und Strafanzeige eingezogen werden. Hier stellt sich auch mal die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Wo sind wir eigentlich hingeraten, wenn Fans, die sich Gedanken um die Verbesserung der Stimmung, was ja letztendlich der Mannschaft und damit dem Verein helfen soll, mit Stadionverboten und Gewaltanwendung bedroht werden? Dialog ist nur in Ausnahmefällen möglich, immer wird auf „Befehle“ und „Anweisungen“ verwiesen. Dank der Intervention von Norbert Dickel konnten die Megaphone gestern im Block behalten werden. Ob es noch nachträglich für den „Beschuldigten“ zu Konsequenzen führt, bleibt abzuwarten.

Einige Leser werden sich vielleicht fragen: „Was geht mich das an? Ich besitze keinen Doppelhalter, kein Megaphon oder ähnliches!“ Doch wer von uns möchte denn eine farblose und willkürlich angepasste Tribüne? Eine gleichgeschaltete Masse auf der Tribüne, die nur noch zu einem kollektiven „Arschloch, Wichser, Hurensohn!“- Aufschrei in der Lage ist? Und wer garantiert uns allen denn, daß mit diesen Maßnahmen Schluß und Ende ist? Werden demnächst Hohn- und Spottgesänge oder gar Beleidigungen des Gegners per Videokamera ausgewertet und Stadionverbote verhängt? Lächerliche Vorstellung, genauso lächerlich wie jedem vor 10 Jahre ein Fahnenverbot vorgekommen wäre. Wehret den Anfängen.........

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