Unsa Senf

Rückblick auf 2024/25 5 Lehren aus der vergangenen BVB-Saison

23.05.2025, 08:15 Uhr von:  janniksch  
Collage aus zwei Bildern der Mannschaft vor der Süd - einmal im Jubel, einmal in Enttäuschung
Zwischen Erfolg und Misserfolg liegt manchmal weniger als man denkt

Nach der Saison ist vor den Saisonrückblicken, denn Borussia Dortmund hat in der abgelaufenen Spielzeit einiges geboten auf das sich zurückschauen lässt. Den Start macht unser Autor, der 5 Lehren aus der vergangenen Spielzeit gezogen hat.

1. Es war vielleicht nicht alles schlecht - aber sicher nicht alles gut

Ich möchte meine Auflistung auf einer positiven Note beginnen: Der BVB hat hinten raus eine ordentliche Saison gespielt. Auf emotionaler Ebene war die Saison am Ende sogar mitreißend, begeisternd und echt spannend. Aber der BVB hat vor allem im Herbst und Winter extrem viel Kritik einstecken müssen, auch von uns, und ich bleibe trotz der starken Aufholjagd dabei, dass es diese Kritik zurecht gab. Ob man immer in allen Kritikpunkten richtig lag, ist dabei unerheblich, denn niemand kriegt detaillierte Einblicke in die internen Abläufe und Zustände bei Borussia Dortmund, was dazu führt, dass wir mit unserer Kritik automatisch über Zustände und Fehler spekulieren müssen, wodurch wir sprichwörtlich im Dunklen stochern. Das bedeutet aber auch, dass wir sicherlich mit unseren Kritikpunkten sicherlich auch mal einen Treffer landen.

Die Verantwortlichen des BVB hingegen stellen nun womöglich einiges der Kritik öffentlich als überzogen dar, womit sie wiederum sogar recht haben könnten. In schlechten Phasen ist der Hang zur Dramatik fanseitig, aber auch durch die Medien, oft verführerisch. Aber die Verantwortlichen dürfen wiederum nicht den Fehler machen, intern genauso beschwichtigend zu kommunizieren. Denn wenn Borussia Dortmund 8 Spieltage vor Schluss auf Platz 11 der Tabelle steht, dann läuft in jedem Fall etwas schief. Dass man in einer kritischen Phase nach Außen das Gesicht wahren muss, verstehe ich. Aber die Fehler, die gemacht wurden, müssen jetzt intern auf den Tisch und dabei kann auch eine kleine Presseschau mit Artikeln aus dem Herbst und Winter sicher nicht schaden. 

2. Der Trainer macht (auch mal) den Unterschied

Niko Kovac im Interview bei Sky
Kovac hat die Mannschaft umgekrempelt

Trainerwechsel sind übliches Procedere im Profifußball und passieren in der Regel dann, wenn es nicht gut läuft. Trainerwechsel sind als Lösung für schwierige Phasen inzwischen so normal, so abgedroschen, dass es absolut uninspiriert wirkt, wenn ein Verein den Trainer wechselt. Dabei vergisst man, dass es manchmal aber genau die richtige Stellschraube sein kann, die es zu korrigieren gilt. Oft hat man einen "Trainereffekt" von 2-3 besseren Spielen, aber die alten Probleme brechen schnell wieder durch die Oberfläche. Ich weiß noch genau, wie wir als schwatzgelb während der Trainerzeit von Nuri Sahin immer wieder die Mannschaft in die Pflicht genommen haben und der Aussage "Ist bei Truppe scheißegal wer da Trainer ist" gefolgt sind. Und da muss ich mich auch selbst, der für Geduld mit Nuri und "trust the process" plädiert hat, korrigieren. Ich denke, dass in diesem Fall alle eines Besseren belehrt wurden: Der Trainerwechsel war sowas von nötig und er hätte noch viel eher passieren müssen!

Der Trainerwechsel war die beste Entscheidung von Borussia Dortmund in der vergangenen Saison. Das bedeutet aber auch, dass die Entscheidung für Nuri Sahin vorher umso schlechter war. Und die schlechte Leistung nur dem Trainer zuzuschieben wäre auch wieder zu einfach gedacht. Kovac hatte auch ein Stück weit Glück mit den teils knappen Ergebnissen, aus denen er dann eine Serie starten konnte. Sicher muss man das auch erstmal schaffen, aber dennoch gehörte ein gutes Stück Fortune dazu, dass der BVB noch in die Champions League kletterte.

3. Wir sind nicht mehr die Nummer 2 in Deutschland

Brandt im Luftzweikampf gegen Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen steht aktuell über Borussia Dortmund - nicht nur in der Tabelle

Ein Trend der letzten Jahre war, dass der BVB stetig den Kontakt zu den Bayern verloren hat. Während wir so darauf konzentriert waren, weiter die Nummer 2 in Deutschland zu bleiben, haben uns andere Teams, allen voran Bayer Leverkusen, überholt. Diese Saison auch noch Frankfurt und beinahe Freiburg. Frankfurt liegt für Borussia Dortmund immer noch absolut in "überholbarer" Entfernung, aber bei Bayer Leverkusen wäre ich mir nicht so sicher. Gewiss, der Verlust von Xavi Alonso, sowie von einigen wichtigen Spielern, wird den Verein treffen, aber dort ist auch einiges an Geld in die Kassen gekommen, welches man bei der Werkself sicher klug einzusetzen versucht.

Bayer hat zudem etwas, was dem BVB aktuell fehlt: eine klare Spielidee. Trotz unserer tollen Aufholjagd waren viele Spiele Stückwerk und ziemlich erkämpft. Jetzt kann man natürlich sagen: "Kovac hatte auch noch keine Zeit eine klare Spielidee zu etablieren". Das eigentliche Problem ist aber, dass die Spielidee vom Verein kommen muss. Dort muss entschieden werden, wie zukünftig gespielt wird. Und dieses System muss dann in allen Bereichen von der Jugend aufwärts angewandt werden. Dadurch wäre auch eine höhere Durchlässigkeit zwischen Amateuren bzw. Jugend und den Profis möglich. Borussia Dortmund muss sich selbst neu (er)finden, um langfristig mal wieder ganz oben angreifen zu können und nicht nur ein geschwächtes Leverkusen zu überholen.

4. Der BVB hat sich neben dem Platz schlecht verkauft

Das Bündnis Südtribüne schrieb es bereits in ihrem Saisonrückblick: Zum einen wird dort berechtigterweise die sportliche Strategielosigkeit sowie der Umgang mit den eigenen Mitarbeitern und der Öffentlichkeit kritisiert. Zum anderen aber auch die wirtschaftlichen Verhaltensweisen des Vereins:

Wenn die einzigartige Identität des BVB [...] gewahrt werden soll[...], muss dies [...] zwingend innerhalb klarer Leitplanken und unserer eigenen Vereinskultur entsprechend geschehen. Die fragwürdige Vorreiterrolle bei den Investorenplänen der DFL und die nervenaufreibenden Diskussionen rund um das Rheinmetall-Sponsoring samt öffentlicher Diskreditierung der Mitgliederversammlung ließen das eigene Profil abseits des Sports zuletzt ebenso weiter verblassen, wie es die One Piece-Kooperation, der Verkauf von ramschigen Wrestlinggürteln oder das x-te neongelbe Sondertrikot in Erinnerung an längst vergangene Tage taten.


Bündnis Südtribüne

Der BVB sägt nicht erst seit diesem Jahr an Werten, für die er eigentlich einstehen müsste: Frieden, Gleichheit und Fairness. Der Verein engagiert sich in wichtigen politischen Bereichen und ich freue mich darüber sehr. Aber man wird den Eindruck nicht los, dass das Engagement so lange betrieben wird, bis es nicht doch mit wirtschaftlichen oder sportlichen Interessen kollidieren könnte. Sicherlich wäre ich zu idealistisch, um den Job zu machen den Carsten Cramer macht. Aber ich werde wiederum nicht müde mit all den anderen engagierten Fans ein Gegengewicht zu den starken wirtschaftlichen Interessen des BVB zu bilden. Es wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen, was dem BVB am Ende wirklich wichtig ist.

5. Veränderung ist unausweichlich

Angesichts des Abschieds von Aki Watzke scheint diese These eine Binsenweisheit. Denn natürlich wird sich der Verein verändern, wenn einer der wichtigsten Köpfe der letzten 20 Jahre, wenn nicht sogar der wichtigste, den Verein verlässt. Aber aus all den anderen Lehren, die ich beschrieben habe muss sich ein Wandel bei Borussia Dortmund ergeben. Der BVB muss wieder innovativer arbeiten und eine gemeinsame sportliche Identität entwickeln, sonst werden Vereine wie Frankfurt, Freiburg und Leipzig uns nicht nur zwischenzeitlich, sondern dauerhaft überholen.

Die Rückrunde mit der enormen Aufholjagd muss jetzt die Initialzündung für diesen Wandel sein. Die positive Energie und das Geld, was dabei freigesetzt wurde, können nun einen Wandel auslösen, der den BVB nachhaltig verbessert. Der Erfolg der letzte 8 Spiele darf jedoch wiederum nicht zur Blendgranate werden und tiefgreifende Fehler verdecken. Nur so kann es eine erfolgreiche Zukunft für Borussia Dortmund geben - und die wünschen wir uns doch alle! 

Die Südtribüne in Dortmund

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