Interview mit Mia Bedarf “Das war alles ein bisschen verkehrte Welt”
Mia Bedarf ist seit ihrer Kindheit BVB-Fan, seit vergangenem Sommer trägt sie auch auf dem Platz schwarzgelb. Im Interview sprachen wir mit der gebürtigen Dortmunderin über ihr Leben in den USA, Erfahrungen mit LongCovid sowie die kommende Saison.
schwatzgelb.de: Du kickst seit dem letzten Sommer für schwarz-gelb. Wie ist der Kontakt zum BVB zustande gekommen, nachdem du zum Start der Abteilung zunächst nicht dabei warst?
Mia: Ich habe mich bereits im Jahr 2021 zur Gründung der Abteilung mit einem Video beworben und wurde tatsächlich auch zum Sichtungstraining eingeladen. Damals hatte sich der BVB jedoch erst einmal für andere Spielerinnen entschieden. Da ich jedoch bereits unter Dustin (Wurst) und Thomas (Sulewski) gespielt habe, kannten sie mich als Spielerin und als Mensch. Als sie mich dann ein Jahr später nochmal kontaktiert hatten, war die Entscheidung einfach. (lacht)
In deinen ersten Wochen beim BVB hattest du noch mit LongCovid zu kämpfen. Wie lange haben dich die Nachwirkungen der Infektion vom Fußballspielen abgehalten?
Mia: Die Probleme begannen bereits Ende des Jahres 2021. Damals spielte ich noch in Iserlohn. Im Dezember hatten wir noch ein Westfalenpokalspiel gegen den VfL Bochum, das war mein letztes Pflichtspiel für den Verein. Danach habe ich wegen der Probleme den Winter über pausiert und auch in der Folge nur ein paar Trainingseinheiten und ein Testspiel mitmachen können. Nach meinem Termin beim Kardiologen stand jedoch fest: Da geht wirklich gar nichts mehr! Insgesamt war ich dann sieben bis acht Monate komplett raus. Da ging es auch nicht nur um das Fußballspielen. Ich durfte gar keinen Sport mehr machen, nicht einmal Fahrradfahren oder zum Bus laufen.
Wie sah deine Anfangsphase beim BVB in Anbetracht deiner gesundheitlichen Probleme aus?
Mia: Zu Beginn ging ich davon aus, dass ich an der Vorbereitung überhaupt nicht teilnehmen könnte. Also ging es für mich erst einmal darum, Teil des Teams zu werden, ohne aber wirklich am Training teilnehmen zu können. Mein Comeback kam dann relativ überraschend. Dank eines vorgezogenen Termins bei einem Arzt, der ein bisschen sport-spezifischer war, hat sich das ganze zum Guten gewendet, sodass ich bereits früh in der Vorbereitung mein Comeback feiern konnte und im Anschluss – nach Absprache mit den Trainern - langsam an das Team herangeführt wurde. Da ich keine physischen Probleme mehr hatte, die man richtig gespürt hat, war das ein bisschen frustrierend. Allerdings hat es dann auch noch beinahe die gesamte Hinrunde gedauert, bis ich wieder komplett bei 100 Prozent war.
Heute hast du keine Beschwerden durch LongCovid mehr?
Mia: Nein. Ich habe relativ viel an meiner Grundlagen-Ausdauer gearbeitet, dementsprechend läuft es jetzt viel besser.
Ich durfte gar keinen Sport mehr machen, nicht einmal Fahrradfahren oder zum Bus laufen.
Du hast in Berghofen und Iserlohn bereits höherklassig gespielt. Nun bist du mit 25 Jahren natürlich bei weitem niemand, der zu den ältesten im Team gehören würde. Gibt es dennoch Erfahrungen, die du den vielen Teenagern in der Mannschaft mitgeben kannst?
Mia: Also wenn wir „jung gegen alt“ spielen, bin ich noch im „Team jung“ (lacht). Den ganz jungen Spielerinnen würde ich mitgeben, dass sie die nötige Geduld mitbringen sollen und nicht so frustriert zu sein, wenn etwas mal nicht so läuft wie erhofft oder geplant. Ich denke, dass es im Frauenfußball noch schwieriger ist, in den Frauenbereich zu stoßen, weil es keine U19 gibt. Zwischen der U17 und dem Erwachsenen-Fußball ist es ein großer Sprung. Dementsprechend läuft bei einigen die Anfangsphase vielleicht ein bisschen holprig. Unsere jungen Spielerinnen sind jedoch so gut und leistungsstark, da bin ich guter Dinge, dass das kein großes Problem sein wird (lacht).
Der Landesliga-Aufstieg mit dem BVB war weder der erste noch der höchstklassige Aufstieg, den du erlebt hast. Mit dem Herzensverein einen Titel zu gewinnen ist aber wahrscheinlich trotzdem etwas Besonderes. Nimm uns doch mal mit in deine Gefühlswelt am 16. April 2023.
Mia: Grundsätzlich sind Aufstiege immer etwas besonderes und jeder Aufstieg ist anders. Als Kind hätte ich es nie zu träumen gewagt, für den BVB zu kicken, geschweige denn in einer Mannschaft, die eine Meisterschaft und damit einen Aufstieg feiern kann. Dementsprechend war der Tag etwas sehr Besonderes! Zudem war das natürlich ein großartiger Rahmen. Die Rückkehr in die Rote Erde, Top-Wetter, viele Fans, Familie, Freunde...Was ich besonders verrückt fand, war, dass Nobby Dickel und Teddy de Beer mit dabei waren. Die standen da mit ihren Handys und haben Fotos und Videos von uns gemacht. Normalerweise ist das ja immer andersherum! Das war ein bisschen verkehrte Welt (lacht). Das habe ich insgesamt alles sehr genossen.
Wo du gerade selbst schon auf deine Beziehung zum BVB eingegangen bist: Wie bist du selbst zum BVB-Fan geworden?
Mia: Ich glaube, das wurde mir in die Wiege gelegt. Wir sind eine sehr BVB- und fußballverrückte Familie. Mit drei älteren Brüdern war ich schon als Kind sehr fußballinteressiert. Die Motivation, in einem Verein spielen zu wollen, ging auch von mir aus, weil ich meine Brüder immer dabei gesehen habe. Auch bei Auswärtsspielen des BVB, die wir zu Hause vor dem Fernseher geschaut haben, war ich immer mit dabei. Damals musste ich noch fragen: „In welche Richtung spielen wir?“ (lacht) Als ich das erste Mal in jungen Jahren im Stadion war, habe ich statt des Spiels selbst viel mehr das Geschehen auf der Südtribüne verfolgt. Es war einfach vorprogrammiert, dass ich BVB-Fan werde.
Die standen da mit ihren Handys und haben Fotos und Videos von uns gemacht. Normalerweise ist das ja immer andersherum! Das war ein bisschen verkehrte Welt.
Kommen wir mal zum Sportlichen. Ihr habt in der vergangenen Saison sicherlich eine andere Qualität gehabt als andere Bezirksligisten, in der Landesliga könnte es ähnlich aussehen. Wie siehst du euch in der kommenden Saison – u.a. im Westfalenpokal, wo nochmal stärkere Gegnerinnen warten?
Mia: Joa…(zögert). Sicherlich haben wir gegen höherklassige Teams oft Spiele gut absolviert. Allerdings sind einzelne Spiele immer etwas anderes als eine ganze Saison. In der Landesliga geht es jetzt also darum, über eine ganze Saison auf einem höheren Niveau Leistung zu bringen. Ich weiß, dass die anderen Mannschaften sich ebenfalls verstärkt haben. Auch wir haben gut zugelegt, aber es wird auf jeden Fall eine interessante Saison. Wir werden konzentriert arbeiten und alles geben, um unser Ziel, die Meisterschaft, zu erreichen. Im Westfalenpokal wird es sehr darauf ankommen, wen wir treffen und wie die Tagesform ist. Das kann ich jetzt nicht einschätzen, aber wir werden uns auf jeden Fall anstrengen! (lacht)
Dass der BVB überhaupt in der Landesliga spielt, ist keinesfalls selbstverständlich. Es gab ja auch schon ein, zwei Stimmen von deutschen Nationalspielerinnen, die den Weg kritisch sahen. Wie siehst du den “BVB-Weg”, also unten anzufangen und ich nicht etwa in einer der hohen Ligen einzukaufen?
Mia: Ich denke, dass das der richtige Weg ist, weil er zum Verein passt. Eine Lizenz eines höheren Vereins zu kaufen würde gegen viele der Werte des Vereins sprechen. Ich glaube zudem, dass der Weg von unten an auch wirklich etwas bewirkt. Andere mögen das vielleicht anders sehen, aber ich glaube, dass das den Dortmunder Frauenfußball deutlich fördert. Besonders deutlich wurde das in der Kreis- und Bezirksliga, als noch alle Spiele in der unmittelbaren Umgebung stattgefunden haben. Das war ein total familienfreundlicher Rahmen und es waren viele Kinder am Platz, insbesondere Mädchen. Man hatte das Gefühl, dass man als Spielerin des BVB ein Vorbild ist. Da war eine große Begeisterung zu spüren. Einige davon haben vermutlich ebenfalls das Spiel lieben gelernt und sich im Verein “um die Ecke” angemeldet. Generell ist es einfach unglaublich schön, dass “gewöhnliche” Dortmunderinnen, wie meine Mitspielerinnen und ich, zur Geschichte dieses Vereins beitragen können. Das hat man sich vorher nie vorstellen können.
Du hast nach dem Abi im Jahr 2017 einige Jahre in den USA verbracht. Wie ist es dazu gekommen?
Mia: Schon zur Schulzeit hatte ich die Vorstellung, dass ich nach meinem Abi in die Welt hinaus will: Backpacking, Couchsurfing, mein Englisch verbessern und Kulturen kennenlernen. Mein Bruder hat damals auf Facebook Werbung für Fußballstipendien gesehen. Besonders als Frau sollte es bei US-Universitäten gar nicht so schwierig sein, eins zu bekommen. Ich habe nicht so richtig daran geglaubt, habe mich aber dennoch davon überzeugen lassen, eine Chanceneinschätzung zu machen. Das Ergebnis war tatsächlich positiv. Ab diesem Zeitpunkt habe ich auch selbst ein bisschen daran geglaubt (grinst). Ich entschied mich dafür es zu versuchen und habe nicht nur für das Abi, sondern parallel auch für den TOEFL (Test of English as Foreign Language) sowie den SAT (Scholastic Assessment Test) gelernt. Letzteres ist quasi ein Highschool-Abschluss in den USA. Als ich das absolviert hatte, bekam ich tatsächlich mehrere Angebote, am Ende habe ich mich für die Universität in Milwaukee entschieden, wo ich vier Jahre studiert und Fußball gespielt habe.
Mehr Fußball gespielt oder mehr studiert?
Mia: (lacht) Ähm… Wahrscheinlich mehr Fußball gespielt. Den Bachelor habe ich aber trotzdem in der Tasche.
Und wie war das Leben sonst so?
Mia: Definitiv anders als mein Leben hier in Dortmund. Das war vermutlich auch ein bisschen den Umständen geschuldet. Meine Familie, zu der ich sehr viel Kontakt habe, meine Freunde und auch mein Zuhause selbst: All das habe ich hier gelassen und musste in den Staaten alles neu aufbauen. Als International Student ist meistens deine Mannschaft deine Familie. Wir waren eine sehr internationale Truppe. Mit der hat man durch den Fußball mindestens sechsmal die Woche Kontakt. Man reist zusammen, hat teilweise auch noch Vorlesungen zusammen und natürlich lernt man auch zusammen. Deswegen kann man da schon von einer Familie sprechen. Es war alles sehr fußball- sowie leistungsorientiert. Gleichzeitig konnte man aber auch das College-Leben ein bisschen genießen, wie man das wahrscheinlich aus Filmen kennt (lacht). House Partys, Spring Breaks, Roadtrips…das gehört dann auch mit dazu.
Wie groß waren die Distanzen, die ihr in der Liga zurückgelegt habt?
Mia: Ziemlich weit. Man hat zwei Mal die Woche ein Spiel gehabt, eins zuhause, eins auswärts. Die kürzeste Entfernung war eine Stunde, die längste wahrscheinlich etwa dreieinhalb Stunden. Dazu kamen aber noch Spiele in der Vorbereitung oder die Nationals, da mussten wir auch mal fliegen.
Die Nationals sind die Endrunde?
Mia: Genau. In der Liga spielt man um die Playoffs. Wenn man Liga oder Playoffs gewinnt, kommt man in die Nationals. Da mussten wir sogar einmal nach Alabama.
Es war alles sehr fußball- sowie leistungsorientiert. Gleichzeitig konnte man aber auch das College-Leben ein bisschen genießen, wie man das wahrscheinlich aus Filmen kennt. House Partys, Spring Breaks, Roadtrips…das gehört dann auch mit dazu.
Mit welcher Liga ist das sportliche Niveau des Fußballs auf dem US-College vergleichbar?
Mia: Ich hatte das Glück, dass mein Coach aus England kam. Dementsprechend haben wir einen sehr europäischen Stil gespielt, u.a. eben auch durch die vielen internationalen Studenten. Dadurch ist das Niveau vergleichbarer als bei anderen US-Mannschaften. Das Problem bei der Bewertung ist, dass die Teams sehr jung sind. Die Führungsspielerinnen und Leistungsträgerinnen, also die Ältesten der Mannschaft, sind vielleicht 22 oder 23. Wenn sie dann die Mannschaft verlassen, kommen im nächsten Jahr die vier Jahre Jüngeren dazu, deswegen ist es schwer eine richtige Routine reinzubringen, da man ja auch mit den Jahren fußballerisch wächst. Ich vermute, dass wir in meinem letzten Jahr mit der Top-Elf durchaus auf Regionalliga-Niveau waren.
Was hat dich die Zeit in den USA gelehrt? Was hast du aus der Zeit dort mitgenommen?
Mia: Ganz allgemein würde ich sagen, dass ich sowohl als Mensch als auch als Fußballerin gewachsen bin. Ich habe viel über Kulturen und den Umgang mit Menschen gelernt, vor allem wenn sie aus anderen Kulturen kommen. Die Deutsche Ehrlichkeit und Direktheit habe ich zwar vorher schon wertgeschätzt, aber das hat sich in der Zeit in den USA nochmal verstärkt.
Die US-amerikanischen Fußballerinnen sind politisch enorm aktiv, allen voran Megan Rapinoe. Verfolgst du das, was in den USA passiert?
Mia: Ja. Ich habe in den USA in Business Writing sogar mal ein ganzes Paper darüber geschrieben. Ich finde das interessant und verfolge das, wenn es etwas Neues gibt. Im Moment ist es aber relativ ruhig.
Welchen Sportler oder welche Sportlerin bewunderst du? Vielleicht persönlich, aber auch was deren Leistung angeht.
Mia: Eigentlich hatte ich noch nie richtige Idole oder Vorbilder, muss ich gestehen. Allerdings habe ich vor kurzem die Dokus über die deutsche Frauennationalmannschaft zu den einzelnen Spielerinnen gesehen. Das finde ich schon beeindruckend, wie sie gleichzeitig auf Top-Niveau die besten Spielerinnen Deutschlands und zudem nebenbei studieren und arbeiten. Das finde ich bewundernswert.
Was sind denn deine Stärken und was sind deine Schwächen?
Mia: Fußballerisch oder menschlich?
Nehmen wir doch beides. Wir können ja mit dem Fußball anfangen.
Mia: Fußballerisch sind die Ballsicherheit sowie der Überblick meine Stärken. Eine Schwäche von mir ist auf jeden Fall meine Schnelligkeit. Die wäre ausbaufähig, ich schaffe es nur nicht, sie auszubauen.
Und menschlich?
Mia: Puh… Also eine Stärke von mir ist meine Offenheit, würde ich sagen.
Das können wir definitiv bestätigen… (lacht)
Vielen Dank für das Interview!