Wenigstens die Fahrt war gut!
Vorne die Chancen vergeben und am Ende vorgeführt. Die U 19 beendete mit einer deftigen 1:4-Packung in Marseille ihre Premiere in der YouthLeague und musste somit hinter Arsenal und Neapel den Traum vom Achtelfinale begraben. So ernüchternd das Spiel war: Deutsche Busfahrer sollten mal bei ihren französischen Kolleginnen eine Fortbildung in Sachen Gastfreundschaft machen.
Mit dem öffentlichen Personennahverkehr in und rund um Marseille ist das so eine Sache. Bereits in Deutschland hat man zwar rauskriegen können, wann und von wo ein Bus aus der Innenstadt zum Stadion „Marcel Cedan“ in Carnoux en Provence geht, doch war vor Ort dann nirgends der entsprechende Abfahrtsort zu finden. Weder Angestellte des örtlichen Verkehrsbetriebs noch sonstige Passanten wussten Bescheid. Mit etwas Glück fanden wir dann die M8 und stiegen voller Vorfreude ein. Leider wies uns die Busfahrerin darauf hin, dass sie mitnichten nach Carnoux direkt fahren würde. Ein englischsprachiger Fahrgast machte uns erst voller Schrecken und ernsthaft darauf aufmerksam, dass das Spiel doch im „Velodrome“ heute Abend stattfinden würde und wir in diesem Bus falsch wären.
Nach einigen Erklärungen verstand er unsere Beweggründe und erklärte sich bereit, uns in Cassis zu helfen, wo wir in einen anderen Bus umsteigen müssten, um nach Carnoux fahren zu können. Wir bezahlten nun den Mörderpreis von genau zwei Euro, um in den nächsten 45 Minuten eine Rundfahrt durch die Provence zu erhalten, die uns malerische Landschaften, enge Serpentinen und wunderschöne Städtchen bescherte. Wenn man nun bedenkt, dass in Deutschland die zwei Euro noch nicht einmal für vier Haltestellen ausreichen würden, wird die ganze Situation noch abstruser.
Tolle Gastfreundschaft
In Cassis angekommen, wollte man mit dem netten Fahrgast umsteigen, doch nach einem Zwiegespräch zwischen diesem und der Busfahrerin sollten wir plötzlich im Bus bleiben. Eine kurze Rückfrage, wohin wir genau wollen und ab ging die wilde Fahrt weiter durch die kurvenreiche Gegend. Vorher stellte unserer Fahrerin noch was an der Anzeige ihres Fahrzeugs um. Wahrscheinlich so etwas wie „Betriebsfahrt“ in französischer Sprache. Nach einigem Hoffen und Bangen an jeder Abzweigung wurden wir nach einer weiteren Viertelstunde exakt vor dem Stadion in Carnoux abgesetzt. Wenn man bedenkt, dass die deutschen Blockwart-Busfahrer schon mit Rauswurf drohen, wenn man nur mal mit dem Brötchen krümelt, wirkt diese Freundlichkeit noch unglaublicher.
Für drei oder fünf (Berechtigung zum Zutritt der überdachten Haupttribüne) Euro durfte man das schmucke Stadion denn auch betreten. Der örtliche Fußballverein stieg vor fünf Jahren sogar in die dritte Liga in Frankreich auf, musste dann jedoch ausweichen, da im „Stade Marcel Cedan“ nur 1.500 Menschen Platz finden. So viele Zuschauer waren es diesmal beileibe nicht, sondern maximal 150 Leute, wovon 20 eindeutig als BVB-Fans zu identifizieren waren. Ein paar ganz besonders gewiefte Hechte aus dieser Gruppe meinten sich dann noch produzieren zu müssen, indem sie nach (!) Abpfiff vor (!) dem Stadion an einer Bushaltestelle (!) Rauchzeichen abgeben mussten.
Die sportliche Ausgangslage sah nun so aus, dass es für Marseille um nichts mehr ging und man so befreit aufspielen konnte. Der BVB hingegen musste gewinnen, um nicht auf das Ergebnis des Parallelspiels zwischen Neapel und Arsenal angewiesen gewesen zu sein. Dank dieser Voraussetzungen (Marseille konnte, Dortmund musste) entwickelte sich eine von Beginn an muntere Partie, in der auf Seiten des BVB vorne Stenzel bereits in der Anfangsphase zwei gute Gelegenheiten vergab und hinten Göcke seine Klasse zeigte.
Entertainer Sy
Nach einer halben Stunde wurde BVB-Innenverteidiger Bauman dann zum ersten Mal so richtig lang gemacht und konnte sich nur noch mit einem Foul im Strafraum behelfen. Den anschließenden Foulelfmeter konnte Göcke jedoch parieren. Es war sein dritter gehaltener Elfmeter in der Gruppenphase der YouthLeague! Leider war jedoch ein BVB-Spieler zu früh in den Strafraum gelaufen und der insgesamt schwache Schiri aus Slowenien entschied auf Wiederholung des Elfmeters. Damit beginn die große Show des senegalesischen Torwarts Ibrahima Sy.
Sy nutzte die gesamten neunzig Minuten für eine Show, die man so lange nicht mehr auf einem Fußballplatz gesehen hat: So ließ er sich bei jedem Abschlag unerträglich lange Zeit, garnierte diese mit einem lauten Schnaufen, um sie in 80% der Fälle aber lediglich ins Seitenaus bugsieren. Sein Zeitspiel bestand nicht darin, die Gegenspieler auf sich zukommen zu lassen und dann den Ball erst aufzunehmen. Nein, er jonglierte den Ball in der Luft mit den Füßen, um ihn dann lässig in die Hand zu nehmen, wenn ein Schwarzgelber näher kam.
Und dabei war er in seinem originären Metier auch noch unfassbar unsicher. Jede zweite Flanke unterlief er, doch konnte kein Borusse diese Fehler nutzen. Bei besagtem Elfmeter sollte jedoch der Höhepunkt erfolgen. Nachdem sein Kollege verschossen hatte und auf Wiederholung entschieden wurde, lief Sy unter dem Gejohle der versammelten Eltern und Sympathisanten über den ganzen Platz, um den Elfmeter auszuführen. Er verzögerte wie ein ganz Großer den Anlauf dreimal, nur um am Ende kläglichst fünf Meter neben das Tor zu schießen.
Wer nun aber glaubte, unseren Jungs würde dieses Ereignis Auftrieb geben, sah sich getäuscht. Mit einem Doppelschlag kurz vor der Pause entschied Marseille fast schon die Partie. Beide Male war wieder die BVB-Innenverteidigung um Culjak und Bauman nicht im Bilde gegen die quirligen Angreifer der Franzosen. Insbesondere den zweiten Torschützen, Maxime Lopez, sollte man sich merken. Wenn man ihn so sah, dachte man zunächst, ein Balljunge hätte sich aufs Geläuf verirrt. Und wirklich: Am 4. Dezember wurde dieser Bursche gerade einmal 16 (!) Jahre alt. Seine technischen Qualitäten waren aber jederzeit zu sehen und stellten die BVB-Defensive vor unlösbare Probleme.
Nachdem direkt nach Wiederanpfiff auch noch Stenzel eine hundertprozentige Chance aus Nahdistanz vergab, war der Wille unserer Borussen endgültig gebrochen. Das 3:0 durch Kisaku nach 71 Minuten (erneut agierte Bauman unglücklich) war dann die endgültige Entscheidung. Bezeichnend, dass nach dem geschickt rausgeholten und verwandelten Elfmeter (jeweils durch den eingewechselten Benkarit) Marseille im direkten Gegenzug seine Dominanz unter Beweis stellte und sich zum 4:1-Endstand kombinierte. Da im Parallelspiel ausgerechnet Tutino (der Schwalbenkönig Süditaliens) zum 2:1 für Neapel gegen Arsenal traf, war unsere Borussia ausgeschieden.
Was wird aus der Youth League?
Wenn man alle sechs Spiele angeguckt hat, weiß man, dass zumindest die Spieler gerne in die nächste Runde eingezogen wären. Wie es im Verein selbst aussieht, ist schwer zu beurteilen. Da jedoch vor dem Wettbewerb alle deutschen Vereine teils massive Kritik an diesem Wettbewerb und dessen Modus geäußert haben, wird man nicht ganz so unglücklich sein, den Spielern die weitere Belastung ersparen zu können. Denn für jedes internationale Auswärtsspiel müssen die Kids drei Tage aus der Schule genommen werden. Andererseits werden die Akteure sicher auch mit einiger Freude auf diese ersten internationalen Prüfungen zurückblicken. Und für uns Fans sind diese Spiele einfach eine nette Abwechslung vor oder nach den eigentlichen CL-Spielen.
Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich dieser Wettbewerb zukünftig weiterentwickelt. Von den deutschen Teilnehmern hat nämlich nur Gelsenkirchen den Einzug in die K.O.-Runde gepackt. Selbst der unangefochtene Tabellenführer der Bundesliga West aus Leverkusen sowie die U19 der Über-Mannschaft vom FC Bayern schieden jeweils mehr oder weniger kläglich aus. Sicherlich wird es einige Modifizierungen geben, wobei die UEFA über die genauen Änderungsideen noch keine Angaben gemacht hat.
Daten zum Spiel
Tore: 1:0 Porsan-Clemente (41.), 2:0 Lopez (43.), 3:0 Kisaku (71.), 3:1 Benkarit (88., Foulelfmeter), 4:1 Porsan-Clemente (89.)
SR: Zganec (Slowenien)
Chancen: 8:5
Ecken: 2:7
Gelbe Karten für den BVB: Bauman (70.), Kurt (74.), Franke (83.)
Bes. Vorkommnis: Sy setzt Foulelfmeter neben das Tor (31.)