Unzufriedenheidi besiegen - Vorfreude ist angesagt!
Der Doublesieger startet in die Saisonvorbereitung, die Aufstiegshelden ins Abenteuer Dritte Liga. Mit großem Brimborium wird vom neuen Ausrüster die Kluft präsentiert. Der Sommer ist endlich zumindest halbtags da. Eigentlich allerbeste Voraussetzungen um sich als Borusse mit einem kühlen Pils in der Hand und einer guten Wurst auf dem Grill des Lebens zu freuen. Dennoch herrscht scheinbar in Teilen des BVB-Umfelds Verzweiflung. Es wird der Rückfall in dunkelste Zeiten der späten Niebaum-Ära vorhergesagt, man sieht sich von Erfolgsfans überrannt und wünscht seinem Verein deshalb gar sportlichen Misserfolg. Was ist geschehen? Und warum kann ich diese Empfindungen so wenig teilen?
Eigentlich ist doch alles super, oder?
Die beste Bundesligasaison aller Zeiten gespielt, sogar noch mit einem Berliner Sahnehäubchen veredelt. Die Doublesieger sind bis auf einen kleinen Japaner weitgehend beisammen geblieben. Mit Marco Reus kehrt nun noch ein verlorener Sohn des BVB zu seinen Wurzeln zurück. In der letzten Saison war er, nach Kickernoten gerechnet, der beste Bundesligaspieler. Dazu wurden noch einige interessante, junge Spieler verpflichtet, die das Potential haben, den Kloppschen Talentschuppen vortrefflich zu ergänzen. Um das schwarzgelbe Glück perfekt zu machen, sind noch die Amateure vom BVB 09 in die Dritte Liga aufgestiegen und es wird hochspannend werden, zu beobachten, wie sie sich dort behaupten können. Diese Erfolge wurden auch nicht auf Pump finanziert. Auch die wirtschaftlichen Aussichten erscheinen angesichts angekündigter Rekordumsätze und steigender Fernsehgelder rosig. Dennoch herrscht in Teilen der BVB Fanszene eine seltsam negative Grundstimmung vor. Auch bei uns auf schwatzgelb.de wird verkündet, man sei mit der Gesamtsituation unzufrieden.
Wie kann das sein? Der Verein oder präziser die KGaA hat mal wieder bewiesen, dass die Kommunikation mit der Basis nicht die große Stärke ist. Zwar hat man einen Geschäftsführer, der gerne volkstümliche Parolen kloppt und auch der Trainer ist in der Öffentlichkeitsarbeit wohl unübertroffen in seiner Zunft. Dennoch fehlt oft die Antenne für die Themen, die Volkes Seele bewegen. Erst werden stabile Preise angekündigt, um dann durch die Hintertür „Kategorieanpassungen“ vorzunehmen. Auch ich bin mit meiner Dauerkarte nun zum zweiten Mal binnen weniger Jahre eine Kategorie hochgestuft worden und hätte mir gewünscht, dass man mir den neuen Preis nicht en passant unterjubelt, sondern mich vor die Wahl stellt, einen Alternativplatz in der alten Preiskategorie zu nehmen. So hieß es friss oder stirb. Natürlich ist der vom BVB gewünschte Effekt eingetreten und jeder der es sich auch nur noch irgendwie leisten konnte, hat grummelnd auch den neuen Preis gezahlt, um auf seinem seit Jahrzehnten angestammten Platz bleiben zu können. Ich bin gespannt, ob in meinem Block diesmal jemand auf der Strecke geblieben ist.
Ebenso beiläufig wurde der Sponsorenvertrag verlängert, der den meisten Fans gegen den Strich geht. So wird der Bahnhof hinter dem Westfalenstadion noch auf Jahre hinaus nach einer Versicherung benannt sein. Dazu noch einige mehr als unglückliche Äußerungen in Richtung der größten Imagefaktoren, die Borussia Dortmund neben der Mannschaft hat, den Fans auf der Südtribüne. Denen wurde eine verkorkste Meisterfeier angekreidet, die man im Zuge der landesweiten Post-Loveparade-Hysterie schon total verkorkst geplant hatte. Dann versuchte man sich noch als Vorreiter im Krieg gegen die Pyrotechnik zu positionieren und verteilte Stadionverbote für Vorkommnisse weitab des Stadions. Schließlich musste man als Fan noch lernen was ein Claim ist und dass unser Vereinswappen inzwischen zum Logo mutiert zu sein scheint.
War es früher besser?
All dies sind Vorkommnisse, die einen als Fan ärgern können. Doch kann man daraus schon eine Entwicklung ableiten? Entfernt der BVB sich von seinen Fans? War es früher besser? Nach meiner Wahrnehmung ist der Einfluss der Fans auf die Geschäftsführung momentan immer noch größer, als er es in der jüngeren Vereinsgeschichte je gewesen ist. Zwar hat man durch den Börsengang direkte Einflussmöglichkeiten als Vereinsmitglied verloren, aber auf der anderen Seite steht eine eigene Abteilung der Fans im Verein und die Möglichkeit eigene Anliegen durch Netzwerke in den Fokus der Medien und damit auch der Entscheidungsträger zu rücken. Die „Logo-Claim-Affäre“ bot dafür jüngst ein schönes Beispiel. Ein Nutzer des BVB Forums findet ein verändertes BVB Wappen auf bundesliga.de und stellt die Frage in den Raum, ob damit das Wappen offiziell geändert wurde. Daraufhin brechen im Forum heiße Diskussionen aus, aber letztlich sind es nur um die 100 Fans, die sich an dieser Diskussion aktiv beteiligen. Trotzdem sieht sich der Pressesprecher des BVB zwei Tage später gezwungen, zu verkünden, dass das Logo „heilig“ sei und „nicht verändert“ wird. Still und leise wird zugleich das neugestaltete Logo auf bundesliga.de wieder durch das angestammte Emblem ersetzt. So ein direkter Einfluss einer kleinen Gruppe Fans auf die Akteure beim BVB wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Gerd Niebaum konnte noch per Handstreich das Vereinslied ändern, in dem er rechtes Gedankengut entdeckt zu haben glaubte. Den „Shitstorm“ kann man sich ausmalen, der über den BVB hereinbräche, wenn Watzke so etwas versuchen würde.
Trotzdem fühlt man in Teilen der Fanszene seinen Einfluss schwinden und meint, dass nur noch über die Fans hinweg regiert wird. Dass dies keine neue Entwicklung ist, sondern beim BVB eigentlich immer so gehandhabt wurde, wird dabei ignoriert. Und anstatt sich auf die wichtigen Themen zu konzentrieren und auf seine Einflussmöglichkeiten zu besinnen, stimmt man bei jeder Kleinigkeit ein großes Lamento an. Wenn man aber hysterisch jede Nebensächlichkeit nutzt, um den Untergang des traditionellen Fußballs, den wir lieben, zu verkünden, wird man irgendwann außerhalb der eigenen Kreise nicht mehr wahr- und ernstgenommen. Durch die ständige Fundamentalkritik verspielt man die Gelegenheit in einzelnen Bereichen wirklich etwas zu bewegen. Man vergeudet seine Energien auf Nebenkriegsschauplätzen, ohne zu merken, wie die eigene Glaubwürdigkeit leidet. Ein Beispiel dafür ist die unfassbar übertriebene Debatte um Pyrotechnik, wo auch von Seiten der Befürworter auf Extrempositionen beharrt wird, anstatt mal einen Schritt zurück zu machen, um Druck aus dem Kessel zu nehmen. Anstatt die Masse an Fans für die wichtigen Themen zu interessieren und sie so mit ins Boot zu holen, versucht man sich von ihnen abzusetzen.
Wer sind die wahren Fans?
Richtig schlimm wird es nämlich dann, wenn sich zur Miesepetrigkeit noch die Arroganz paart und man anfängt, auf andere Fans herabzuschauen, deren Interesse sich auf das sportliche Geschehen beschränkt. Da wird mit dem Spaltbeil die Fanszene in echte, wahre oder aktive Fans, Erfolgsfans, Eventfans oder gar sogenannte „Fans“ unterteilt. Dabei wird dann nur das Trennende in den Vordergrund gerückt, sodass die alles zusammenfassende Klammer, die schwarzgelbe Borussia, in den Hintergrund tritt. Und die Borussia sollte mehr sein, als der kleinste gemeinsame Nenner. Sie ist die Grundlage jeden Fanseins, egal welcher Ausprägung.
Für mich gibt es beim Fußball nur uns, nämlich alle Borussen und die Anderen und dann ganz lange gar nichts mehr. Hier die Guten, da die Bösen, hier das Licht und da die dunklen Mächte und das Licht strahlt Gelb. Da ist es ganz egal ob einer ein Trikot, T-Shirt aus Fanclubproduktion, eine Bauchtasche oder eine freigelegte Bierplautze spazieren trägt. Alle Anhänger der richtigen Farben stehen auf meiner Seite. Das Spektrum der Fans ist derart bunt und das Fansein wird auf so viele unterschiedliche Arten ausgelebt, dass die meisten Kategorisierungsversuche doch ohnehin ins Leere laufen. Da gibt es Ultras in Trikots, nüchterne Kutten, jubelnde Rentner und Anjas und Tanjas, die die Aufstellung vom Relegationsspiel gegen Fortuna Köln fehlerfrei runterbeten können. Es gibt hunderttausend Schattierungen, aber es sind alles Varianten der Farbe Gelb! Ja, es gibt auch die Erfolgsfans und ich selbst bin auch einer. Ohne den Titelgewinn 1989 wäre ich wohl nie derart mit Emotionen vollgepumpt worden, dass ich seitdem meiner Borussia durch alle Höhen und Tiefen gefolgt bin. Ab wann durfte ich mich als echten Fan bezeichnen? Wann durften es diejenigen, die 1995, 1996, 1997, 2002 begeistert wurden? Wann dürfen es die Erfolgsfans der Jahre 2011 und 2012?
Entscheidend is aufm Platz
Dieser furchtbare Ernst mit dem man dem Freizeitvergnügen Fußball begegnet, scheint bei Einigen den Blick aufs Wesentliche zu vernebeln und das Wesentliche findet immer noch unten auf dem grünen Rasen statt. Dort wurden wir in den letzten Jahren mit einem Fußball verwöhnt, der schöner war als alles, was ich in all den Jahren im Westfalenstadion zu sehen bekommen habe. In der Hitzfeldschen Erfolgsmaschine der 90er mögen einige unerreichte Einzelkönner gestanden haben und die Abgezocktheit und internationale Klasse dieser Mannschaft hat die Generation Klopp (noch) nicht. Aber der Fußball der Ära Klopp steht für Urdortmunder Werte: Kampf, Arsch aufreißen, jeder rennt für seinen Mannschaftskameraden. Dazu stehen dort keine abgehobenenen Superstars mit Serie A Vergangenheit auf dem Rasen. Man macht sich seine Stars inzwischen selbst und die Jungs geben sich dabei auch noch fan- und volksnah, wie mir das in den 90ern völlig unvorstellbar erschien.
Wenn man das alles ausblenden kann, um zum Schluss zu kommen, dass der Fußball einem so keinen Spaß mehr macht, dann hat das schon viel von einem religiösen Fundamentalisten, der nichts akzeptieren kann, was nicht tausendprozentig der reinen Lehre entspricht. Man muss ja nicht gleich zum Jubelperser mutieren, der alles beklatscht, was Klubführung und Marketingabteilung so fabrizieren. Kritik ist an bestimmten Stellen durchaus angebracht und es ist wichtig, dass die engagiertesten Fans den Entscheidungsträgern auf die Finger schauen und als Korrektiv fungieren. Dies kann aber nur gelingen, wenn versucht wird auch diejenigen Fans mitzunehmen, die nicht das gleiche Interesse für diese Hintergründe haben.
Aber bei aller Kritik sollte man sich von Randerscheinungen nicht die Stimmung verhageln lassen, wenn im Kernbereich alles viel, viel besser aussieht, als man es sich vor ein paar Jahren auch nur zu erträumen wagte. Nach den zwei schönsten Saisons meiner „Fankarriere“ steht uns ein weiteres verheißungsvolles Spieljahr bevor. Die Vorfreude darauf, die Borussia ein weiteres Jahr zu begleiten, ist unmenschlich groß. Um zum Abschluss noch mal eine durchgenudelte Parole zu bemühen: Ich bin heiß wie Frittenfett. Und jedem, dessen Herz für die Borussia schlägt, sollte es eigentlich ähnlich gehen.
Web 05.07.2012