Jogi Löws erste große Niederlage
Das Halbfinal-Aus bei der Europameisterschaft ist in erster Linie Jogi Löw anzulasten. Anders als in den Vorjahren hat es der Trainer bei diesem Turnier nicht geschafft, die bestmögliche Mannschaft auf den Platz zu bringen. Für die Vorrunde und Griechenland hat das trotzdem gereicht, gegen Italien aber kamen die Fehlentscheidungen des Bundestrainers überaus deutlich zum Vorschein.
Es ist ja nicht die erste schmerzhafte Turnierniederlage der Ära Löw. Trotzdem stellt das „Wie“ diesmal eine Zäsur dar in der Amtszeit des Bundestrainers. 2008 und 2010 scheiterte die Nationalelf noch an überragenden Spaniern, das ist nicht unbedingt ehrenrührig. 2006 war die Mannschaft gegen Italien noch im Umbruch und Aufbau begriffen und verfügte ebenfalls nicht ansatzweise über die Qualität, die man heute auf den Platz zu bringen vermag, derweil die Italiener mit eiskalter Berechnung, individueller Klasse und Eiseskälte am Ende gar den Titel holten.
In diesem Jahr allerdings stellte Deutschland, nicht zuletzt nach den spanischen Ausfällen von David Villa und Carles Puyol den nominell stärksten Kader mit den vermutlich besten Einzelspielern des Turniers. Damit hätte es gegen Spanien trotzdem wieder eng werden können, aber gegen Italien?
Kernproblematik sind dabei Jogi Löws taktische und personelle Entscheidungen, auch wenn letztere im Turnierverlauf häufig gelobt wurden und vermeintlich auch aufgingen. Das Problem dieses Turnier war für die deutsche Teamführung, dass es trotz überragend gespielter Qualifikation in der Endrunde nicht gelang, eine Mannschaft samt Spielsystem zusammen zu stellen, die miteinander harmonisierte, die sich gegenseitig verstand und bei der ein Rädchen in das andere griff.
Mario Gomez seinerseits ist ein guter und torgefährlicher Stürmer. Leider allerdings einer, der mit Mesut Özils Ideen anscheinend wenig anfangen kann. Özil selbst harmonierte mit den Vorder- und Nebenleuten Müller, Podolski und eben Gomez nicht einmal im Ansatz gut, im Offensivspiel fehlte es dem Ideengeber sichtlich am nötigen Empfänger, was deutlich gegen Griechenland zum Ausdruck kam, wo mit Marco Reus dann doch einmal ein adäquater Konterpart zum Einsatz kam.
Doch Jogi Löw vertraute in erster Linie der althergebrachten Stammbelegschaft, was sich im Laufe des Turniers als Bürde herausstellen sollte.
Da wäre zum einen das System. Die Entscheidung für einen großen Bayern-Block brachte auch die Folgeproblematik eines bajuwarisch geprägten (sprich: bedächtigen) Spielaufbaus mit sich, in dessen Fokus vor allem Ballbesitz und Risikovermeidung standen. Die eiserne Vermeidung jedes Risikos hat bei dieser Europameisterschaft aber noch jedes Team mit seinem Ausscheiden bezahlt und so was das Aus im Halbfinale spätestens mit der Hereinnahme von Toni Kroos als dritte Defensivkraft im Mittelfeld eigentlich entschieden. Anstatt das eigene Spiel konsequent durchzuziehen und die wahrlich nicht sattelfeste italienische Hintermannschaft ordentlich zu beschäftigen, setzte der Bundestrainer auf möglichst große Defensivkraft und wirbelte sein Team ordentlich durcheinander. Ironie des Schicksals: Nominell mochte das solide aussehen, doch auf dem Platz fehlte es der schwarzweißen Truppe dann dennoch an adäquatem Defensivverhalten. Man übergab den Italienern Räume und stand nicht so eng beim Gegenspieler, wie das nötig gewesen wäre.
Zum anderen wären da die Personalentscheidung: Dass Bastian Schweinsteiger gänzlich neben der Spur ist und seine Nominierung für die Startelf weder dem Spieler noch der Mannschaft helfen würde, hätte Jogi Löw sehen müssen. Mit Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Lars Bender, theoretisch sogar Mario Götze, standen genügend Alternativen zur Verfügung. Gleiches gilt für Thomas Müller, der im Nationaldress nahtlos an seine mehr als ernüchternde Bayern-Saison anknüpfte. Und dann war da ja noch Lukas Podolski, der es mit diesen Leistungen bei Arsenal schwer haben dürfte. Auch hier auf den offensiven Außen hatte Jogi Löw Alternativen: Marco Reus und Andre Schürrle waren die einen, Mario Götze wäre eine andere gewesen.
Dass die Schwächen insbesondere im Mittelfeld, die fehlende Konsequenz in der Defensivbewegung und die mangelnde Zielstrebigkeit offensiv, nicht schon früher und deutlicher zu Tage traten, ist vor allem dem unscheinbaren Überraschungsspieler dieser EM zu verdanken: Sami Khedira. Die Entwicklung, die Khedira bei Real Madrid genommen hat, ist beinahe sagenhaft. Früher in der Bundesliga eher unscheinbar und in der Nationalelf Mitläufer, präsentierte sich der Schwabe bei diesem Turnier als sicherer Rückhalt und Stratege gleichermaßen. Hätte Löw beiden Madrilenen – Özil und Khedira – form- und spielstarke Mitspieler an die Seite gestellt, Italien wäre wohl nur eine Zwischenstation geworden.
So aber hat das Halbfinalaus dem Ansehen des Bundestrainers ein paar ordentliche Kratzer verpasst.
Jogi Löw hat mit der deutschen Nationalmannschaft über Jahre bewiesen, dass er in der Lage ist, aus talentierten Spielern eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen und mit dieser in die Weltspitze vorzudringen. Den Beweis, auch der richtige Coach für einen Titelgewinn zu sein, ist er indes bislang schuldig geblieben. Die Weltmeisterschaft 2014 ist Löws nächste, vielleicht die letzte Chance hierzu.
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