Explosionen, Elfmeterkrimi, Bierduschen, Blaue - U19 hat Pokal!
Freitagnachmittag. Viertel nach Vier. Noch fix einkaufen. Bier und Lebensmittel für das Wochenende und dann zum U19-Pokalfinale des Ballspielvereins von 1909 gegen die ungeliebten Blauen aus dem Gelsenkirchener Vorort. Hätte ich gewusst, was mich ab 18 Uhr an der Gesamtschule Gelsenkirchen-Ückendorf die darauffolgenden gut 120 Minuten erwarten würde, dann hätte ich A: etwas fürs Herz gekauft und B: vor dem Spiel ein Pils getrunken. Den Alkohol wäre ich locker wieder losgeworden. Stauschau sagt: 105 km Stau in NRW. Gut, dass der gemeine Schwatzgelb-Redakteur nur 18 km zur Finalstätte zurücklegen muss.
U14-Meister-Glückshemd habe ich an und werde direkt zum Parkplatz durchgewunken. Im weiten rund erwarteten bereits 650 Zuschauer, darunter 99% Anhänger der falschen Farbe, den Anpfiff. Banger Blick nach oben, aber es sollte trocken bleiben. Nur nicht auf dem Platz. Westfalenpokalfinale zwischen dem amtierenden Bundesliga-Westmeister mit der Vorwahl 0209 gegen den Sechstplatzierten aus der Doublestadt. 23 Punkte trennen die Kontrahenten in der Liga, so dass man den BVB als Außenseiter schon eindeutig klassifiziert hatte. Ich verzichte auf Bier und Bratwurst. Eintritt fünf Euro ist recht happig, aber heute sollte man nicht knickerig sein. Kurz nach sechs rollt dann die Kugel. Gelbe Farbe auf den Rängen? Sicherheitshalber wohl lieber nicht zeigen. Anstoss also. Zwei Minuten Geplänkel, dann ein steiler Pass in den Lauf von Stürmer Daglar, ein Schuss, ein Tor, die Dortmunder! Schockstarre im Rund. 0:1. Der Favorit düpiert. Stille Freude beim Autor. Blau aber nicht geschockt, mit ersten Angriffen. Aber noch harmlos. 11. Minute. Ein Schuss, ein Strahl, 0:2. Beutler mit dem Hammer in die Maschen. Was ist hier los? Die Gelsenkirchener wieder eiskalt erwischt. Die nächsten 13 Minuten werden die Flügel beackert und der Gegner der Borussia entdeckt immer mehr, dass die linke und vor allem die rechte Abwehrseite der Dortmunder der Schlüssel zum Torerfolg sein könnte. BVB Trainer Eickel sieht das Unheil kommen, kann aber den Anschlusstreffer auch nicht verhindern. "3 gegen 1", entfuhr es ihm. So war es auch. Nur noch 1:2 in der 25 Minute. Zum ersten Mal sowas wie Stimmung im Rund. Keine Gesänge, nur zuschauen war angesagt. Sehr angenehm.
Das Spiel auf gutem Niveau, vor allem die Gastgeber mit viel Zug nach vorne. Der BVB spielte ordentlich mit, trotz eines Minikaders, man sah aber leider schon deutlich, wer hier der Westmeister ist. Bis zur Pause hatten die Blauen einige gute Einschussmöglichkeiten, so dass sich der BVB bei Keeper Göcke und der vielbeinigen Abwehr bedanken konnte, mit einer 2:1-Halbzeitführung in die Kabine verschwinden zu dürfen. Ich verweigerte weiterhin jegliche Nahrungsaufnahme. Die zweite Halbzeit begann wie die erste endete. Die Zahnlosen rannten an, die Jungs aus der Doublestadt hielten dagegen. Was die seit dröfzig Jahren Schalenlosen aber die nächsten 45 Minuten an Chancen liegenließen, füllt fast fünf Seiten meines Notizheftes. Enggeschrieben. Zum Schluss war es nur noch Slapstick. Die Borussen hätten vor allem in der letzten Viertelstunde bei etwas konzentrierterem Vorgehen den Sack konterartig zumachen können. Der Alkoholpegel auf den Rängen dagegen erreichte mittlerweile Normalzustand und es wurde hitziger. Ein blauer Co-Trainer rief in Richtung seiner Auswechselspieler, die sich warmmachten: "Rammo, mach nochmal ein paar Kurze!" Als BVB-Trainer Eickel wegen meckerns auf die "Tribüne", also hinter die Bande geschickt wurde, ging es los. Bierdusche als Begrüßung und Security zur Bewachung.
Auf dem Platz zeigte der Schiedsrichter fünf Minuten Verlängerung an und man wusste als jahrzehntelanger Fußballgucker wie sowas meistens endet. Nicht mit einem Kontertor, nein. Die ätzende Variante mit einem Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit und so kam es auch. 92. Minute und es fliegt der Ball mit Spin ins lange Eck. Unhaltbar und 2:2. Ein Knallkörper explodierte, wie auch alle um mich rum und das Publikum stimmte ein erstes Mal einen Schmähgesang auf den nicht so geliebten Deutschen Meister und Pokalsieger der Herren des Jahres 2012 an. Das ist Fußball, meine Damen und Herren! Ich hatte inmitten der blauen Brut trotzdem meinen Spaß. Wäre aber beinahe enttarnt worden, als ein vorwitziger Eingeborener fragte, ob ich hier der Kritiker sei. Als in der 95. Minute ein Blauer freistehend vor dem Kasten über den Ball semmelt, war es eindeutig: Das wird hier noch richtig was geben. Nämlich: Verlängerung, 2x15 Minuten also.
Die mittlerweile vom vielen Grätschen und Blocken ziemlich ermatteten Schwatzgelben taten nun das einzig Richtige: Hinten irgendwie das Gegentor verhindern und gleichzeitig irgendwie mit einem Konter den Ball ins Tor pöhlen. 103. Minute. Zwei Borussen gegen alle im Strafraum, ein Querpass und der Ball ist drin. Unfassbar. 2:3. Das Stadion kochte vor Wut. Aus einem Bewacher des verbannten Sascha Eickel wurden vier. Aber noch war nicht Schluss. 17 Minuten zu gehen. Die Dortmunder überstehen davon leider nur 14 schadlos. 117. Minute klingelt es erneut. Da wirst du wahnsinnig. Böller, jubelnde Fehlfarben. Alles wie gehabt. Dann ist Schluss. Elfmeterschießen. Trainer Eickel darf wieder zu seinem Team. Geübt wird seit letzter Saison auch im Jugendbereich fleißig, weil das klappte da auch nicht wirklich prächtig.
Blau beginnt das Elfertreten und verschießt. Sollte es tatsächlich... Schwatzgelb trifft. Blau auch. Schwatzgelb trifft. Blau auch. Schwatzgelb trifft. Blau auch. Schwatzgelb trifft. Wenn jetzt der Schlumpf versemmelt...und er tut es tatsächlich! Ein 600+X-Stöhnen im Rund, ein Pfiff, ein schwatzgelbes Jubelkneuel. Die U19 hat den Westfalenpokal mal wieder nach Dortmund geholt. Glückwunsch. Der Wahnsinn. Was ein Spiel. Vier Dortmunder Fans outen sich und wollen die Mannschaft sehen. Dann plötzlich Jagdszenen und kleinere Scharmützel mit den Sicherheitsleuten. Nichts dramatisches zum Glück. Um 20.58 Uhr war es dann soweit. "Endlich was gewonnen", so ein Protagonist. Kapitän Koray Günter hebt den Pokal in die Höhe und die Feierlichkeiten konnten beginnen.
Stimmen und Daten
Pokalsieger U19: Stefan Göcke, Tim Kübel, Diego Mendenez De Miguel, Koray Günter (C), Frederic Ruwe, Julius Hölscher, Kerem Dermirbay, Semih Daglar, Jannik Bandowski, Dominik Beutler, Patrick Adam Dytko, Cedric Wilmes, Nico Knystock, Nick Weber, Jonas Kaltenmaier, Vincenz Borgelt, Pascal Nimptsch, Joao Ndungo Pedro
Pokal-Trainer: Sascha Eickel
Pokal-Trainerassistenten: Jörg Fischer, Wolfgang Kersch, Ralf Westig
Pokal-Masseur: Stefan Tillmann
Tore: 0:1 Daglar (2.), 0:2 Beutler (11.), 1:2 Blau (25.), 2:2 Blau (90.+2), 2:3 Hölscher (103.), 3:3 Blau (117.), 6:7 n.E.
Schiedsrichter: Celtic Sevinc (Waltrop)
Zuschauer: 650, Gesamtschule Ückendorf