Eine Schwalbe macht noch kein Sommermärchen
Jetzt ist sie also beendet, die Frauen-WM im eigenen Lande. Ein Sommermärchen ist es nicht geworden, im Gegenteil: Der Hype ist vorbei, bevor er überhaupt so richtig beginnen konnte. Dabei hatte das Turnier eigentlich sogar ganz guten Fußball zu bieten, nur halt nicht von den Deutschen Spielerinnen.
Genau das war vermutlich einer der Kardinalsfehler des Turniers. Die öffentliche Wahrnehmung war praktisch von Beginn an darauf ausgerichtet, dass Deutschland den Titel gewinnt. Die Anwesenheit anderer Mannschaften wurde praktisch ausgeblendet, sieht man mal von der Dauerbeschwörung des
Frauenfußballphänomens Marta ab, die ironischerweise zum selben Zeitpunkt die Koffer packen durfte wie die DFB-Mädels.
Der zweite Kardinalsfehler war dann die verzweifelte Analogie zur Männer-WM vor fünf Jahren. Das hat Erwartungen geschürt, die sichtbar nicht den Leistungen der schwarzrotgoldenen Mannschaft zuträglich waren. Keine Frage: Die Zuschauerzahlen im Stadion und vor den TV-Geräten sind
insbesondere für die Spielerinnen bestimmt eine tolle Sache gewesen. Man wurde aber in keiner der Partien das Gefühl los, dass genau diese Kulisse auch ein Hemmschuh ist für bessere Leistungen. Das Spiel der Deutschen wirkte in praktisch allen Partien, als spiele man mit angezogener Handbremse.
Überhaupt schweben nach meinem Empfinden die Herren etwas zu sehr als leuchtende Vorbilder über dem Ganzen. Ein Vergleich mit dem Männerfußball ist dabei zwar legitim und angesichts dessen Stellenwerts auch unumgänglich. Der stete Verweis mit dessen Qualität aber kann auch nerven:
Natürlich haben die Spiele der Damen nicht dasselbe Niveau, nicht dieselbe Athletik, nicht dieselbe Grundgeschwindigkeit wie die Spitze des Herrenfußballs. Das haben aber Spiele der zweiten, dritten Liga oder beispielsweise auch der BVB-Amateure ebenfalls nicht. Und niemand käme auf die Idee, sich nach einem Spiel des SC Paderborn darüber zu beschweren, dass das ja schon schlechter wäre als der FC Barcelona. Ebensowenig ist Steffi Graf seinerzeit der Vorwurf gemacht worden, dass sie meistens zwei Sätze weniger zu spielen hatte als ihr männliches Pendant Boris Becker. Was sollen also solch verquere Vergleiche?
Umgekehrt nervt aber auch die Zwanghaftigkeit, mit der manch Zeitgenosse den Frauenfußball und insbesondere die WM2011 als nächstes großes Ding hochstilisieren will – quasi als fußballerisches Fanmeilen-Methadon im Jahr zwischen den Männerturnieren.
Noch einmal zum Mitschreiben: Wer sich Männerfußball anschaut, kann sich auch Frauenfußball anschauen. Er muss es aber nicht. Genauso wenig wie sich jeder für Weltmeisterschaften interessieren muss, nur weil er einer Vereinsmannschaft nahesteht. Für den Frauenfußball wäre es vermutlich ohnehin gesünder und gefühlsechter, sich eine eigene Identität und eine eigene Zuschauerschaft zu erarbeiten, anstatt zwanghaft den Männerfußball und seine Fans kopieren und adaptieren zu wollen.
Die Lücke, die derzeit klafft zwischen Männlein und Weiblein im Spiel mit dem runden Leder, ist allerdings eben auch keine rein körperliche. Der Männerfußball hat inzwischen mehr als 100 Jahre der stetigen Professionalisierung und Kommerzialisierung durchlebt. Seine Akteure sind bis hinunter
in eigentliche Amateurligen hauptberuflich tätig, Talentsichtung und Ausbildung haben vor allem in den letzten Jahrzehnten einen ungeheuren Perfektionsgrad erreicht – das alles fehlt bei den Fußballfrauen, bei denen selbst Bundesligaspielerinnen nicht selbstverständlich vollprofessionell
kicken können. Das Interesse allerdings wächst – sowohl das der Zuschauer wie auch das der Mädchen und Frauen am runden Leder. Und damit einhergehend wird sich nach und nach auch die Qualität weiter steigern – dem unerwartet schwachen Abschneiden der Nationalmannschaft zum Trotz.
Dass man den Frauen allerdings einen Gefallen damit getan hat, krampfhaft ein zweites Sommermärchen herauf zu beschwören, darf bezweifelt werden.