Bochum? Nie gehört!
Was ein schönes Fußballwochenende: Erst im kleinen Derby in der Roten Erde das Blaukraut abgefertigt, dann das unsinnigerweise nach Bochum verlegte Heimspiel gewonnen. Und über all dem eine richtig gute Stimmung, die das schwarzgelbe Fußballwochenende rundum gelungen werden ließ. Was will man mehr?
Zuerst am Freitag, das altehrwürdige Rund der Roten Erde. Dank der Fürsprache des BVB fand das Spiel entgegen der ursprünglichen Planungen doch nicht zeitgleich mit den Profis statt und so bot sich dem Dortmunder Fußball die Möglichkeit, doch ein wenig die Luft der alten Spielstätte einzuatmen und bei einer Bratwurst und ein bisschen Derbystimmung das Wochenende einzuläuten.
Was sich eine überraschend große Anzahl Borussen auch tatsächlich nicht nehmen ließ. Wer - wie üblich - kurz vor Anpfiff in der Strobelallee ankam, konnte seinen Augen kaum trauen. An allen vier Kassen schlängelten sich lange Schlangen vom Eingang bis zur Straße. Mit diesem Andrang hatte man wohl auch beim BVB nicht gerechnet, so dass der Anpfiff kurzerhand um gut zehn Minuten verschoben wurde, um den draußen Wartenden die Gelegenheit zu geben, ihr Plätze einzunehmen.
Mehr als 3.600 Zuschauer versammelten sich letztlich im Rund des Stadion, die Tribüne platzte aus allen Nähten, vom Gästeblock konnte man dergleichen nicht behaupten. Vielleicht 50 oder 60 Blaue hatten sich auf den Weg gemacht, der Großteil verschwand zur Halbzeit, um sich das Heimspiel der Profis angucken zu können.
Der Stimmung tat das Fehlen des Derbygegners kaum einen Abbruch. Lautstark wurden die Borussen nach vorn geschrien und es zeigte sich einmal mehr, wie gut der Rück-Umzug aus der Kurve unter das Dach der Stimmung bei Amateur-Spielen tut. Schade, dass bei einem Aufstieg deutlich seltener (wenn überhaupt) in der Roten Erde gekickt werden dürfte und stattdessen der weite Beton des Westfalenstadion bei einer Kulisse von 5.000 Mann eine weitaus trostlosere Atmosphäre verbreitet.
Wie dem auch sei: Die alte Sportstätte erlebte am Freitag eine kleine Renaissance. Den zweimaligen Rückstand glichen die lautstark nach vorn Geschrienen aus und nach Yasin Öztekins wunderschönem Treffer zur 3:2-Führung gab es gar kein Halten mehr. Die zweite Mannschaft und ihre wieder erlangte Tabellenführung wurden frenetisch gefeiert - und auch das Team selbst zelebrierte nach Schlusspfiff seinen Triumph ausgelassen mit den Tribünen. So macht das Amas-Gucken wirklich Spaß und bei Borussia Dortmund sollte man noch einmal über die Preisgestaltung der Amateur-Spiele nachdenken, denn es wäre (auch für die Mannschaft) mehr als wünschenswert, häufiger solch eine Kulisse dort erleben zu dürfen.
Was am Freitagabend seinen Anfang nahm, sollte sich am Samstag fortsetzen. Schon seit Wochen war zu spüren, dass unglaublich viele Borussen den Weg in die Nachbarstadt antreten wollen. Eintrittskarten für den BVB-Bereich waren im Nu vergriffen und zahlreiche Schwarzgelbe deckten sich darum mit Karten für den Heimsektor ein. Peinlich für den VfL, die Begegnung immer wieder zum großen Derby hochzustilisieren, dann aber nicht einmal die wenigen eigenen Plätze voll zu bekommen.
So setzte gegen Mittag eine wahre Völkerwanderung ein und zirka 10.000 Schwarzgelbe machten sich auf gen Ruhrstadion. Frank Goosen, seines Zeichens phantastischer Schreiber, aber äußerst mäßiger Fußballsachverständiger, beschreibt in seinem Buch „Weil Samstag ist" die unangenehme Erfahrung, als VfL-Fan immer wieder Gast im eigenen Stadion sein zu müssen. Am Samstag konnte er seinem diesbezüglichen Erfahrungsschatz eine neue Kerbe hinzufügen.
Auch wegen der Aufforderung im Vorfeld, doch bitte mit Bus und Bahn anzureisen, machte sich der Großteil der Schwarzgelben per Zug auf den Weg in die Nachbarschaft. Leider bedeutet das immer auch wieder die Eskorte von grimmig guckenden Uniformierten, die einem jegliche Bewegungsfreiheit nehmen und die anreisenden Fans immer penetranter videoüberwachen. Vielleicht ist es der Frust, damals bei Biggi Lechtermann nie das Kamerakind sein zu dürfen. Nervig ist es allemal, wie ein Schwerverbrecher behandelt zu werden, zumal es der Polizei stets nur auf dem Hinweg wichtig zu sein scheint, die Fangruppen zu trennen. Auf dem Rückweg darf jedes Jahr auf Neue alles kreuz und quer laufen. Und jedes Jahr auf Neue kommt es zu Problemen. Kein Wunder, dass immer mehr Leute privat und ohne große Gruppe anreisen.
Im Stadion angekommen, bestätigte sich der Eindruck der letzten Tage: Wirklich unglaubliche viele Schwarzgelbe haben den Weg ins Ruhrstadion gefunden und bevölkerten die gesamte Westkurve plus vereinzelte Plätze auf den Seitentribünen. Ein geiler Anblick, vor allem verglichen mit den Vorjahren, wo es teilweise für nicht viel mehr als die beiden Stehplatzblöcke und die angrenzenden Gäste-Sitzer reichte. So aber war das Ruhrstadion fest in unserer Hand, denn rein akustisch kam von VfL-Seite Null Komma Null. Nun war Bochum zugegebenermaßen nie ein Hexenkessel, aber an diesem Samstagnachmittag war die sonst so großspurige Ostkurve einfach nur still. Und noch einmal die Feststellung: Peinlich für den VfL, die Begegnung immer wieder zum großen Derby hochzustilisieren, dann aber nicht einmal die wenigen Anwesenden zum Singen animieren zu können.
Und auf unserer Seite? Oft vergleichen sich Fangruppen untereinander, gelten die Frankfurter als Maßstab, die Gladbacher als besonders reisefreudig etc. Doch wer solche Auftritte hinlegt, wie wir es in den vergangenen Wochen häufiger getan und in Bochum nun perfektioniert haben, der braucht sich mit niemandem zu messen. Dieser Auftritt, das mussten auch Bochumer nach Spielende zähneknirschend eingestehen, war einfach geil.
Die Spielweise der Mannschaft tat dabei ihr Übriges. Ja, das war definitiv eine Vollgasveranstaltung, die einfach Spaß gemacht und zum Siegen motiviert hat. Und gesungen hat der Gästeblock laut und lang anhaltend. Sehr schön mitzuerleben, wie die gesamte Kurve mitzog, die Mannschaft nach vorne getrieben und auch neue Gesänge schnell verinnerlicht hat.
An dieser Stelle einen schönen Dank an die Erfinder von „Auf geht's, Dortmund, kämpfen und siegen..." - ein traumhaft gutes Lied fürs Stadion mit Gänsehaut-Potential.
Etwas unverständlich einmal mehr die Übermotivation eines Ordnungsdienstlers, der zu Anfang des Spiels kurzerhand die Zaunfahnen mehrerer Fangruppierungen abriss, ohne vorher mal das Gespräch zu suchen. Wieso man bei einem solchen Spiel derartige Leute beschäftigt, die Probleme schaffen, so sie welche lösen sollen, bleibt ein Rätsel.
Doch diese negativen Geschehnisse blieben Gott sei Dank Randgeschehen an diesem Tag und so feierte der schwarzgelbe Anhang ausgelassen dem ersten Sieg in Bochum seit zehn Jahren entgegen.
Nach 90 Minuten dann die zweite Feierstunde mit einer Borussenmannschaft an diesem Wochenende. Die Jungs von Jürgen Klopp kamen in die Kurve, bedankten sich artig und ausgiebig bei allen Blöcken und zelebrierten dann noch gemeinsam mit ihren Anhängern eine Hüpf-Einlage zu „Ballspielverein Borussia aus Dortmund..." - im Übrigen sehr viel schöner und unverwechselbarer als die Humba, die früher zu diesem Anlass veranstaltet wurde und inzwischen arg inflationär bei jedem Verein und nach jedem gewonnen Spiel gesungen wird.
Mit der Heimreise gen Dortmund und der anschließenden, wohl verdienten Feierei endete dann schließlich ein wunderschönes BVB-Wochenende. Einfach schön zu erleben, dass sowohl die Mannschaft wie auch unsere Auftritte derzeit so viel Freude machen. So kann es gerne weitergehen. Am liebsten schon gegen den HSV.
Darum: Auf geht's Dortmund, kämpfen und siegen! Weil wir Dich so lieben, gewinnst Du dieses Spiel für uns.